5. Oktober 2015
Ávila... Interessant, wie einem manche Städte schon nach ner Viertelstunde sympathisch sind. Es ist ja jetzt nicht so, als hätte Segovia mir nicht gefallen, aber ich wusste heute schon vor dem Abendessen, dass ich in Ávila zufriedener sein würde.
Nach dem Auschecken heute morgen hieß es Abschied nehmen von Segovia. Ich habe allerdings ein paar Stopps auf dem Weg aus der Stadt raus eingelegt, um noch ein paar Fotos zu machen und da wäre eigentlich das Bild des Tages schon dabei gewesen. Aber wie's halt so war kam alles anders.
Naturbeobachtung stand und steht für diese Reise keineswegs im Vordergrund und dass es auf der iberischen Halbinsel inzwischen wieder Schwärme von Geiern gibt hatte ich ja schon im letzten Herbst bei der Andalusien-Rundfahrt festgestellt. Hier in Zentralspanien hatte ich nicht so sehr mit Geiern gerechnet, aber gestern hatte ich schon ein paar Gänsegeier gesehen, die über Segovia in großer Höhe ihre Kreise zogen. Heute morgen dann wurde es allerdings ernst mit Geiern. Kurz nach dem Verlassen der Stadtumgehung von Segovia auf dem Weg Richtung Pedraza, meinem heutigen ersten Besichtigungsziel, sah ich wieder einige Geier langsam und mühevoll aufsteigen und in geringer Höhe ihre Kreise über den trockenen Flussläufen ziehen. Dabei zogen einige sogar ziemlich nah an die Straße ran. Ich habe daher die erstbeste Gelegenheit genutzt um rechts ranzufahren, das Teleobjektiv auf die Sony zu montieren und mein Glück zu versuchen. Das Ergebnis seht Ihr im Bild des Tages. Das ist ein Mönchsgeier, und das war heute meine erste Sichtung dieses Vogels überhaupt. Und dann noch direkt nah genug für ein formatfüllendes Bild. Mit einer Spannweite von 250 bis 295cm und einem Gewicht von bis zu 12kg ist der Mönchsgeier der zweitgrößte Greifvogel Europas. Im Gegensatz zum geselligeren Gänsegeier leben Mönchsgeier allein oder zu zweit und gesellen sich höchstens mal zu anderen Geierarten dazu. Heute waren mindestens zwei (genau zählen konnte ich sie nicht) mit einer größeren Gruppe Gänsegeier unterwegs. Auf das Bild hier bin ich jedenfalls schwer stolz, und der Mönchsgeier wird schon sehr bald Einzug im Bereich „Safari – Europa“ auf meiner Webseite halten. Wobei es in der Folge der diesjährigen Sommerferien nicht unbedingt so ist, als bestünde dort ein Mangel an neuem Bildmaterial... *lach...
Pedraza war danach eher ne Enttäuschung. Ein kleiner Ort auf nem Hügel, recht schnuckelig eigentlich, aber komplett wie ausgestorben. Laut meinem Lonely Planet ist hier nur am Wochenende was los. Da Montag war war sogar das Castillo geschlossen und die drei Restaurants, die geöffnet hatten, wollten Phantasie-Preise für's Essen haben. Ich war also schon nach ner Viertelstunde wieder unterwegs zu meinem nächsten Etappenziel.
Mir ist übrigens heute sehr klar geworden, woher Kastilien seinen Namen hat. Hier gibt’s fast in jedem Dorf ne kleine Burg oder Festungsanlage. Nicht ganz unähnlich dem Kreis Euskirchen. Die Landschaft, durch die ich dabei heute gefahren bin, war sehr unterschiedlich. Heute morgen ging die Fahrt noch durch die nordwestlichsten Ausläufer der Sierra de Guadarrama. Die hügelige Landschaft mit den bunten Felsen und pappelbewachsenen Flusstälern hat eine erhebliche Ähnlichkeit mit manchen Landstrichen in New Mexico. Ich konnte heute gut verstehen, weshalb die Spanier sich in jenem Teil von Nordamerika so wohl gefühlt haben. Von Pedraza bin ich in Richtung Valladolid gefahren – so grob nach Nordwesten. Hier war's dann Zentralspanien, wie ich es mir vorgestellt hatte. Karge, leicht wellige Landschaft mit ein paar Hügeln, Sonnenblumen- und Stoppelfelder oder schon hellgraubrauner Mutterboden, kleine Dörfer und Städte mit Namen wie Olmeda, Cuéllar oder Cantalejo. Was ich mir nicht vorgestellt hatte war der Sturm, der über die Hochebene fegte, Staub aufwirbelte und das Auto fahren begrenzt angenehm machte.
Mein zweites Besichtigungsziel heute war Tordesillas. Das ist eine kleine Stadt am Ufer des Rio Duero, ca. 30km südwestlich von Valladolid. Hier wurde 7. Juni 1494 die Welt verändert, als Spanien und Portugal sich auf ihre jeweiligen Einflusszonen einigten. Der Vertrag von Tordesillas ist verantwortlich dafür, dass man in Brasilien Portugiesisch und im Rest von Lateinamerika Spanisch spricht. Der Stadtpalast hoch über dem Rio Duero wo die Verhandlungen und die Unterzeichnung stattfanden ist immer noch zu sehen. Heute gibt’s dort ein Museum, das aber leider wochentagbedingt geschlossen war. Das gleiche galt auch für das Klarissen-Kloster von Tordesillas, wo die Mutter von Karl I. (V.) , Johanna von Kastilien, unter Hausarrest stand. Johanna die Wahnsinnige war hier im Jahr 1509 von ihrem Vater, Ferdinand II. von Aragon, der auf Grund ihrer Krankheit die Regentschaft in Kastilien übernommen hatte, festgesetzt worden und auch ihr Sohn Karl sah sich nicht bemüßigt, die Gefangenschaft Johannas zu beenden. Sie starb hier im Jahr 1555 und liegt jetzt in der Capilla Real von Granada bei ihren Eltern begraben.
Tja – alles zu hier in Tordesillas. Ich werde wohl noch mal wiederkommen müssen. Von Tordesillas bin ich dann zuerst über die Autobahn und später die Landstraße nach Ávila gefahren. Eine nur kurze Tour durch die Altstadt und mein Quartier für die nächsten beiden Nächte war gefunden, direkt außerhalb des Mauerrings und nur wenige Schritte von den Sehenswürdigkeiten der Stadt entfernt.
Zum Abschluss des Tages gab es noch ein dickes Abendessen mit der bekanntesten Spezialität Ávilas, chuletón de Ávila – T-Bone-Steak vom Kalb hier aus der Gegend. Ich bin rappelsatt... und werde versuchen, in Zukunft wieder mittags zu essen und es bei einem abendlichen Snack zu belassen.
Morgen steht die Stadtbesichtigung von Ávila auf dem Programm. Hier gib't viel zu sehen.
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