31. Oktober 2017
Um 3:57 Uhr heute morgen klingelte das Telefon in meiner Kabine. "Good morning, Sir. Your wakeup call."... Ja ja... "guten" Morgen... um diese Uhrzeit ist kein Morgen gut, auch wenn es natürlich einen sehr guten Anlass für das frühe Aufstehen gab.
Heute morgen sind wir nach Abu Simbel gefahren, um die Felsentempel zu besichtigen, die Ramses II. hier für sich und seine Lieblingsfrau Nefertari hat bauen lassen. Aus mehreren Gründen sind diese Tempel was Besonderes. Mal abgesehen davon, dass sie sich in der Bauweise in einigen Punkten von 'normalen' Tempeln hier in Ägypten unterscheiden waren sie auch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts unentdeckt und verschollen. Dadurch wurden die Tempel nicht als Kirchen, Lagerräume, Steinbrüche oder Müllkippen zweckentfremdet und die Reliefs, inklusive vieler Farben sind sehr gut erhalten. Und das dritte, was die Felsentempel von Abu Simbel zu etwas Besonderem macht, das ist der Nassersee. Als hinter dem neuen Staudamm das Wasser zu steigen begann, da wollte der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser die Anlage (wie viele andere auch) einfach absaufen lassen. In einer gemeinschaftlichen Hauruckaktion von UNESCO, der ägyptischen Altertümerverwaltung und der Regierung der USA hat man die Tempel an ihrem ursprünglichen Platz ab- und an ihrer neuen Stelle über dem Nassersee wieder aufgebaut, ein bisschen weiter nördlich und ein bisschen höher gelegen (was eine kleine Nebenwirkung hatte, auf die ich nachher nochmal zu sprechen kommen werde).
Die Strecke von Assuan nach Abu Simbel ist ca. 290km lang und dauert zwischen drei und dreieinhalb Stunden. (Von Abu Simbel sind's dann nur noch 50km bis nach Wadi Halfa und zur sudanesischen Grenze.) Ich habe den größeren Teil der Strecke verpennt, und außer einem kurzen Stopp, um den Sonnenaufgang über der libyschen Wüste zu fotografieren, und ner Zigarettenpause für Atif, unseren Fahrer, sind wir durchgefahren.
Wir waren um kurz vor acht in Abu Simbel und ich muss sagen, ich hatte mir den Andrang schlimmer vorgestellt. Dadurch, dass Mostafa uns gestern abend schon den Vortrag gehalten hatte (in der Anlage selber darf nicht geführt werden), konnten wir direkt in die Anlage rein und hatten für die ersten zwanzig Minuten den Tempel innen komplett für uns und auch von außen konnte man noch ein Foto der Tempelfront ohne andere Leute machen, siehe das erste Bild des Tages.
Die vier Figuren, die vor dem Tempel sitzen, zeigen alle Ramses II. mit der Doppelkrone des Pharaos auf dem Kopf. Der zweite von links hat schon zu Ramses' Lebzeiten den Kopf bei einem Erdbeben verloren und die Ägyptologen haben bei der Versetzung der Tempel in den 1960er Jahren (meiner Meinung nach zu Recht) entschieden, die Anlage nicht zu reparieren, was theoretisch möglich gewesen wäre. Jede der Figuren ist rund 21m hoch. In der Mitte über der Tür gibt es eine Statue von Re und auf dem Fries oben sitzen steinerne Paviane. Der Tempel war so ausgerichtet, dass jedes Jahr am 21. Oktober – Ramses' Geburtstag - und am 21. Februar – dem Tag seiner Thronbesteigung bei Sonnenaufgang Licht bis ins Allerheiligste durchschien. Seit der Verlegung passiert das aber jeweils einen Tag später.
EIGENTLICH darf man drinnen im Tempel nicht fotografieren, aber nach den Erfahrungen aus dem Tal der Könige, und weil es mit ausgeschaltetem Blitz keinen Grund für das Verbot gibt, und darüber hinaus zu der frühen Uhrzeit der Wächter noch echt verpennt war, haben wir fleißig ein paar Fotos von den schönen Reliefs gemacht, und sind dann flott ins Allerheiligsten bevor die nächste Touristengruppe kam.
Im Allerheiligsten sitzen noch mal vier Figuren, aber die sind nur etwas über lebensgroß und zeigen auch nicht alle Ramses II. (das wäre dann wohl etwas zu viel Personenkult gewesen). Von links nach rechts sitzen dort Ptah, Amun-Re (mit der Federkrone), Ramses II. (mit dem einstmals blauen Pharaonenhelm) und Re-Harachte (mit dem Falkenkopf und der Sonnenscheibe oben drauf). An den beiden Tagen, wo die Sonne direkt ins Innere des Tempels scheint, fällt das Licht zuerst auf Amun-Re, der der Sonnengott und der oberste der Götter ist. Ptah ist ein Erd- und Unterweltgott und kriegt gar keinen Sonnenstrahl ab. Dann wandert das Licht weiter nach rechts, bescheint Amun und Ramses und wandert dann weiter zu Re-Harachte während Amun wieder im Schatten verschwindet. Zum Schluss fällt der Schatten dann auch wieder auf Ramses und Re. Wenn man das zusammenrechnet, dann sitzt Ramses II. doppelt so lange im Sonnenschein, wie die beiden Götterstatuen zu seiner Rechten und Linken. Ganz im Ernst, was das Ego angeht, ist Donald Trump im Vergleich zu Ramses II. der reinste Amateur.
Die Reliefs im Innern des Tempels zeigen Kampfszenen aus den Feldzügen von Ramses II. gegen die Hethiter und in Nordafrika. Natürlich immer er als strahlender Held und Sieger auf dem Streitwagen und beim Bogenschießen und beim mit dem Schwert kämpfen. Wobei... in der Schlacht von Kadesh, die beinahe für Ägypten verloren gegangen wäre, musste der Feldherr sogar selbst zur Waffe greifen und am Ende reichte es noch für ein Unentschieden. Was man natürlich den Reliefs in Abu Simbel nicht ansieht. Die altägyptische Propagandamaschine verkauft das alles ganz klar als Sieg.
Außer dem Tempel für Ramses haben wir natürlich auch den Tempel seiner Lieblingsfrau Nefertari besichtigt (und heimlich fotografiert). Der Tempel alleine wäre schon nen Besuch wert, aber er steht ein bisschen im Schatten der großen Anlage direkt nebenan.
Nach zwei Stunden war es Zeit für die Rückfahrt nach Assuan, denn um halb zwei sollte unser Schiff dort ablegen für die erste Etappe unserer Kreuzfahrt nilabwärts.
Nach unserer Ankunft auf dem Schiff gab's sofort Mittagsessen und gleichzeitig stach unser Nilschiff, die M/S Medea, in See, oder vielmehr in den Fluss. Danach hatten wir – zum ersten Mal seit langem wie mir schien - ne Pause, die ich auf dem Sonnendeck nutzen wollte um ein bisschen auf den vorbeiziehenden Nil zu kucken, Postkarten zu schreiben und ein paar Fotos von der Landschaft zu machen. Auf dem Sonnendeck habe ich mich dann aber zu Doris und Archie gesetzt und statt lesen und Postkarten schreiben haben wir uns sehr nett und angeregt unterhalten und das Panorama genossen.
Um halb fünf erreichte die Medea Kom Ombo, wo es einen Doppeltempel für die Götter Sobek und Haroeris aus ptolemäischer Zeit gibt. Sobek wird in Menschengestalt mit Krokodilkopf dargestellt, während Haroeris eine Erscheinungsform von Horus ist, und wie dieser als Menschengestalt mit Falkenkopf und unterschiedlichen Kronen in den Reliefs erscheint. Wir hatten zuerst eine Führung mit Mostafa und danach noch ein bisschen Zeit, uns den nun beleuchteten Tempel (hier wird’s schon gegen halb sechs dunkel) anzusehen und zu fotografieren. Außerdem gibt’s hier ein Museum, wo die zum Sobek-Tempel gehörenden Krokodilmumien ausgestellt sind.
Um kurz nach sechs hat das Schiff wieder abgelegt und wir befinden uns jetzt auf der Weiterfahrt nach Edfu, wo wir gegen Mitternacht ankommen werden und wo wir morgen früh den dortigen Tempel besichtigen werden. Und den Rest des Tages ist dann nur noch Kreuzfahrt.
Ich hoffe sehr, dass das heute das letzte Mal auf dieser Reise war, dass ich um vier Uhr aufstehen musste... hmmmm... okay... am Sonntag wird es auch sehr früh, denn unser Heimflug startet ja schon um sieben Uhr morgens in Kairo. Morgen jedenfalls ist um sechs Uhr Wecken. Volle zwei Stunden später als heute... *lach... aber wenn wir erst mal am Roten Meer sind, dann dürfen wir ausschlafen, hat Mostafa gesagt.
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