22. April 2024

Besser als heute kann ein Reisetag kaum sein. Ich durchgehend auf meinen eigenen Spuren unterwegs.  Als ich heute morgen die Fensterläden aufmachte, lachte ein blauer Himmel über Latium. Damit war klar, dass ich heute in die Berge fahren würde um einige wichtige Stätten meiner Jugend noch einmal zu besuchen.
Nach dem schönen italienischen Hotelfrühstück habe ich mich ins Auto gesetzt und bin die Via Tiburtina nach Osten in Richtung Tivoli gefahren. Auch heute hatte ich auf dieser Straße ein vertrautes Gefühl, besonders, als ich an den großen Travertin-Steinbrüchen vorbeigekommen bin.  
Hinter Villanuova schwingt sich die Via Tiburtina die Berghänge rauf. Tivoli liegt schon auf fast 300m Höhe am Hang. Die Berge gehören zum Zentralen Appenin. Ich habe gestern ein bisschen zu den Bergen recherchiert. So richtig schlau geworden bin ich dabei aber nicht. Es ist kompliziert. Ich bleibe jetzt einfach bei der Bezeichnung Sabiner Berge für die Gegend hier, obwohl das alles nicht so wirklich eindeutig ist.
Mein erstes Ziel heute war San Gregorio da Sassola und das in der Nähe gelegene Augustiner-Kloster Santa Maria Nuova. Hier haben wir Anfang der 1980er Jahre einen Familiensommerurlaub verbracht und waren dann auch mit den Kreuzweingartener Messdiener mal in den Osterferien da.
Es gibt zwar bequemere Anfahrten, aber ich bin ganz bewusst die alte Strecke von Tivoli aus nach San Gregorio gefahren. Die Straße schlängelt sich aus der Stadt raus am Hang entlang durch Weinberge, Olivenplantagen, Wiesen und Wäldchen und das Panorama über das Tiefland von Latium und der Blick auf die vorgelagerten Albaner Berge ist einfach umwerfend. An die Strecke und auch an die Ausblicke konnte ich mich noch sehr gut erinnern und habe mich ernsthaft gefragt, wie wir da mit nem Bus hingekommen sind. Mit dem Panda war es jedenfalls kein Problem… Der nimmt das hier sehr sportlich.
Kurz vor San Gregorio gibt’s nen kleinen Picknickplatz und da hat man schon den ersten dramatischen Blick auf den Ort. Seht Ihr im ersten Bild des Tages. Von San Gregorio ist es nur noch ein kurzes Stück bis zum Kloster, das oberhalb des Ortes auf einem Berg liegt. Ich habe draußen vor dem Tor geparkt und bin dann die Zypressenallee zur Kirche spaziert. Sieht man im zweiten Bild des Tages.
Ich habe echt gedacht, die Zeit wäre stehen geblieben oder der Panda wäre ein verkappter Delorean. Es gibt sogar noch eine Reinkarnation der italienischen Hirtenhunde, die schon in den 1980ern auf dem Gelände des Klosters lebten. Die Kirche hatte sich ebenfalls nicht verändert. Sehr italienischer Barock. Ich habe ein paar Fotos in die Familiengruppe geschickt und dann, als ich sah, dass die Family bei Whatsapp online war, gab’s die erste Videoschalte. Schon lustig. Heutzutage kann man die Leute zu Hause live auf die Erkundung mitnehmen.
Mein Italienisch reicht ja gerade um ne Speisekarte zu lesen und nach der Rechnung zu fragen, aber mit Hilfe von Google Übersetzer habe ich es geschafft einem älteren Herrn, der aus dem Gebäude kam, zu erzählen, dass ich vor 40 Jahren schon mal hier war und zu fragen, ob ich mich auf dem Gelände etwas umsehen dürfte. Kein Problem. Das Tor wäre offen. Und so bin ich dann durch die Anlage spaziert, habe in Erinnerungen geschwelgt, und auch noch meine Family per Videochat mit auf den Rundgang genommen. Nicht alles ist noch wie damals, aber sehr vieles war vertraut wie vor 40 Jahren. Der Blick auf die Sabiner Berge, das Tiefland von Latium und die Kuppel des Peterdoms am Horizont ist immer noch der gleiche. Als ich schon wieder langsam auf dem Weg Richtung Tor war kamen zwei Männer aus dem Olivenhain. Der eine sprach mich an und als ich nach meinem Standardspruch „No parlo italiano“ schon das Handy zücken wollte um den Übersetzer anzuwerfen, sagte er zu mir „Do you speak English?“ Das machte einiges einfacher. Er war halt geschätzt schon was jünger als ich und mit den Arbeitsklamotten und den Airpods in den Ohren hatte ich ihn für einen Angestellten des Klosters gehalten. Stellte sich aber heraus, dass er einer der vier Patres war, die aktuell in dem Kloster leben und sein afrikanischstämmiger, ebenfalls mit Bluetooth-Kopfhörern ausgestatteter Begleiter war auch kein angeheuerter Arbeiter sondern einer der beiden Fratres… *lach…
Wir haben ein bisschen erzählt und ich habe ihm von meinen Besuchen in der Vergangenheit berichtet. Dann musste er aber weiter an die Arbeit und ich habe nach einer weiteren Videokonferenz mit der Family auch langsam den Rückweg zu meiner Zeitmaschine, pardon, zu meinem Fiat Panda angetreten.
Als nächstes bin ich runter nach San Gregorio gefahren und durch den Ort spaziert. Ich hatte zwar keine Erinnerungen mehr daran, ob wir dort auch unterwegs gewesen waren (Meine Schwestern sagten nachher „Na klar!“), aber der Ort ist echt wie verwunschen. Ich glaube das Leben hat sich hier in den letzten dreihundert Jahren auch nicht wirklich verändert. Viele der Gassen sind so schmal und darüber hinaus mit Stufen, dass kein Auto durchkommt. Okay, Strom gibt’s mittlerweile… und Handys… Ich bin durch das Labyrinth der Sträßchen und Gassen spaziert und ich hätte hier schon das dritte und vierte Bild des Tages haben können. Einfach super schön und spannend. Und ich glaube ich war der einzige Tourist. Nach dem ausgiebigen Rundgang habe ich noch ein bisschen am Ortseingang gesessen und die Atmosphäre genossen… Alte Männer kaffeetrinkend auf der Piazza… die Carabinieri-Jüngelchen, die in ihrem Fiat vorbei kamen… Der Linienbus aus Tivoli… die Mini-Tankstelle am Straßenrand… alles sehr entschleunigt…
Ewig sitzen bleiben konnte ich da allerdings nicht. Es sollte heute ja noch mehr Programm geben. Ich habe mich also mit dem Panda auf den Weg zurück nach Tivoli gemacht.
Technischer Fortschritt hat ja auch was Gutes. Ich konnte problemlos mit meiner Park-App das Parken direkt am zentralen Platz von Tivoli bezahlen. Von da ging es zu Fuß zum Eingang der Villa d’Este. Das war auch bei den Besuchen in den 1980er Jahren ein beliebtes Ausflugsziel. Die Villa d’Este war der repräsentative Stadtpalast der Kardinals Ippolito d’Este, der im 16. Jahrhundert auch Statthalter von Tivoli war. Als einer der reichsten Geistlichen seiner Zeit brauchte er ein entsprechendes Quartier und so hat er ein Benediktinerkloster in Tivoli, natürlich mit schönem Blick über die Landschaft, zum Palast umbauen lassen, komplett mit Innenräumen, die mit tollen Fresken geschmückt sind und mit einem Renaissancegarten, der berühmt ist für seine Wasserspiele. Auch hier war ich über 40 Jahre nicht gewesen, aber die Erinnerungen waren noch sehr lebendig, inklusive des intensiven Geruchs der Buchsbaumhecken… Ich bin gemütlich durch die Anlagen spaziert, habe mich auch mal hier und da hingesetzt und habe auch schön fotografiert. Allein mit der Ausbeute aus der Villa d’Este hätte ich die Bilder das Tages bestreiten können. Aber die waren bei dem hochkarätigen Programm heute halt schon vergeben.
Der einzige Nachteil des Gartens der Villa d’Este – und den hatte ich nicht mehr in Erinnerung – ist, dass er am Hang und deutlich tiefer als die Villa und damit auch das Straßenniveau von Tivoli liegt. Ich hatte also einiges an Rampen und Treppen zu erklimmen, bis ich wieder am Ausgang war.
Wieder im Zentrum von Tivoli habe ich mir erstmal meinen üblichen Nachmittags-Pick-me-up genehmigt und in einer Bar am Tresen nen Espresso getrunken. Das, und das erste Eis des Jahres (zumindest für mich), hat mich dann aus dem Nachmittagstief gehoben. Es war jetzt schon gegen vier und ich hatte mir die Füße ziemlich platt gelaufen. Noch dazu bin ich dabei Opfer meiner Eitelkeit geworden. Ich wollte hier in Italien nicht so ganz touristisch rumlaufen und habe heute meine weißen Sambas getragen. Das passte eher zum Schuhwerk der Italiener, aber meine Füße waren entsprechend auch deutlich müder, als wenn ich mit den Hikingschuhen unterwegs gewesen wäre.
Der Panda und ich haben uns also wieder über die Serpentinen der Via Tiburtina in Richtung Tiefland gestürzt. In Tivoli Terme bin ich zuerst zum Conad gefahren. Das ist eine Supermarkt-Kette und hier in der Gegend, soweit ich das überblicken kann, die am meisten verbreitete. Hier habe ich die Zutaten für mein Picknick-Abendessen gekauft. Brot, Schinken, Käse, Oliven, Wasser und Vino Rosso aus Lazio. Mehr brauche ich nicht für nen perfekten Abendimbiss. Was ich zusätzlich allerdings brauchte waren Tempos. Auf meinen Schnops hat sich heute auch noch der Heuschnupfen draufgesetzt. Kein Spaß. Aber was hilft es? Für den Rest des Tages habe ich den lieben Gott nen guten Mann sein lassen. Das soll ja hier kein Stress werden und ich fand ich war fleißig genug.
Es war auf jeden Fall ein echter Hammer-Tag, nach so langer Zeit noch mal in die eigenen Fußstapfen zurückzukehren. Und noch dazu ist das hier ne wirklich superschöne Gegend in den Bergen.


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