Reiselogbuch - 2022 Namibia


1. Oktober 2022

Afrika… sechs Jahre nach meiner Uganda-Reise im Herbst 2016 ist es wieder so weit. Ich bin wieder mal auf diesem faszinierenden Kontinent, und ich betrete für mich in zweifacher Hinsicht Neuland. Ich bin zum ersten Mal allein in Afrika unterwegs, nicht mit ner Reisegruppe und nicht mit Familie und Freunden. Und Namibia ist für mich ein neues Reiseziel. Okay, es stand weit oben auf der Liste, aber dass ich im Herbst 2022 hier alleine eine Mietwagenrundreise machen würde war so nicht geplant. Dass es dann doch so kam, lag daran, dass mein Plan A, eine Gruppenreise nach Saudi-Arabien mit meinem bevorzugten Reiseveranstalter, in Wasser gefallen war. Die Planungen für meine Namibia-Tour begannen also erst in der Woche nach den Sommerferien. Da hilft es natürlich, wenn man ein kompetentes Reisebüro zur Hand hat und darüber hinaus auf eine fertig ausgearbeitet Mietwagenreise aus dem Programm einens namhaften deutschen Reiseveranstalters als Basis zurückgreifen kann. Ich bin mit DER Tour unterwegs. Mit denen habe ich auch schon Mietwagenreisen in Costa Rica und auf Hawaii gemacht.
Auch bei den Flügen war so kurzfristig Flexibilität gefragt. Ich bin mit Ethiopian Airlines unterwegs, zum zweiten mal nach meiner Uganda-Reise 2016.
Los ging meine Reise schon gestern. Um 16 Uhr fuhr der Zug von Euskirchen nach Köln und dann weiter nach Frankfurt Flughafen Fernbahnhof, wo ich sogar fast pünktlich ankam. Vier Stunden hatte ich Zeit, um die Formalitäten zu erledigen. Ganz gebraucht habe ich die Zeit nicht, aber ich war froh etwas Puffer zu haben, denn sowohl bei der Gepäckaufgabe von Ethiopian Airlines hat es ziemlich gedauert und dann auch noch mal bei der Sicherheitskontrolle.
Die Boeing 777-300ER, die uns nach Addis Abeba (oder Englisch Addis Ababa) bringen sollte, war mit 356 Passagieren fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Welt reist wieder, Corona hin oder her. Wie schon 2016 musste ich feststellen, dass der Flug von Frankfurt nach Addis ziemlich unangenehm ist. Nicht, dass man mich falsch versteht: Ethiopian Airlines leistet schon solide Arbeit, aber mit gerade mal sechseinhalb Stunden ist der Flug zu lang für ne gemütliche Mittelstrecke und zu kurz für ne gemütliche Langstrecke. Und noch dazu als Nachtflug. Ich hatte also auf jeden Fall zu wenig Schlaf, und da halfen auch nicht die mehreren Nickerchen, die ich auf der zweiten Etappe von Addis nach Windhoek gemacht habe.
Der zweite Flug heute war sehr spannend und, müde oder nicht, ich hatte mich sehr drauf gefreut. Es war nämlich mein erster Flug mit einer Boeing 787. Was soll ich sagen? Meine Erwartungen wurden erfüllt. Die 787 ist ein feines Gerät. Ich will jetzt hier aber nicht zu sehr ins Detail gehen, das hebe ich mir für den entsprechenden Eintrag auf Frantis World auf.
Um kurz nach eins setzte unsere 787 butterweich auf den heißen Asphalt der Landebahn in Windhoek. Hier ist Sommer… 35 Grad… naja, jahreszeitlich fängt hier auf der Südhalbkugel grade der Frühling an. Die Einreise war etwas langwierig, aber ich bin ja in Afrika, und dieser Kontinent tickt halt anders… Eines ist aber schon mal sicher: die Leute hier sind echt freundlich.
Als ich nach anderthalb Stunden Einreise endlich den Sammy und die Union-Bay-Tasche vom Gepäckband holen wollte, lief dieses schon längst nicht mehr und man hatte die Gepäckstücke im Raum verteilt. Die Mietwagenübernahme war dagegen echt zügig. Ich habe einen schicken schwarzen Suzuki Vitara. Für die Straßenverhältnisse und auch für’s Tiere beobachten ist ein SUV echt besser. Bei der Übergabe des Wagens wurde mir auch der „Wagenheber“ gezeigt, mit genau diesem Wort. Überhaupt ist die deutsche Vergangenheit hier noch sehr gegenwärtig. Da werde ich in den nächsten Tagen bestimmt noch drauf zurückkommen.
Vom Flughafen bis nach Windhoek rein sind es rund 40km. Mein schönes Gästehaus liegt in einem der östlichen Außenbezirke. Groß ist das hier alles nicht. Windhoek, immerhin die Hauptstadt, hat nur rund 430.000 Einwohner. Überhaupt ist Namibia ziemlich menschenleer. Auf mehr als der doppelten Fläche Deutschlands leben gerade mal zweieinhalb Millionen Menschen. Nach dem Einchecken im Quartier bin ich noch zum Supermarkt gefahren und habe Wasser und Proviant für die kommenden Tage eingekauft. Einzig die Rotweinflasche hat es nur bis zur Kasse und dann nicht weiter geschafft. In Namibia darf man nämlich im Supermarkt ab ner bestimmten Uhrzeit am Samstag keinen Alkohol mehr kaufen und so musste die Flasche wieder ins Regal. Da habe ich mich an Norwegen erinnert gefühlt.
Interessant ist auch die Sache mit dem Geld. Die offizielle Währung hier ist der Namibische Dollar, der eins zu eins an den Südafrikanischen Rand gekoppelt ist. Der Rand ist hier inoffizielles Zahlungsmittel. Ich war trotzdem überrascht, dass der Geldautomat am Flughafen Rand, und nicht Namibische Dollar ausspuckte. Noch dazu hat der Rand sogar einen nochmal etwas günstigeren Wechselkurs zum Euro. Insgesamt ist hier aber alles nicht teuer. Ich war heute Abend in „Joe’s Bierhaus“ zum Abendessen und habe für ein dickes Steak samt Bier umgerechnet rund 15 Euronen bezahlt.
Für morgen steht der Wecker auf 7 Uhr. Zum einen gibt es hier im Guesthouse nur bis 9 Uhr Frühstück und zum anderen habe ich morgen die erste Fahrtstrecke vor mir und will zeitig los.
Als Bild des Tages – viel wurde heute nicht fotografiert – gibt es den Flügel unserer 787-9 kurz vor der Landung in Windhoek… und einen Blick auf die typische Landschaft hier in der Gegend..


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2. Oktober 2022

Es gibt Länder, die enttäuschen einen. Es gibt Länder, die überraschen einen. Und dann gibt es Länder, die sind genau so, wie man sie sich vorgestellt hat. Namibia gehört für mich ganz klar in die letzte Kategorie… *lach… Eine Namibia-Reise hatte ich auf meiner Liste, seit ich mit Oma Käte über eine solche Tour nachgedacht habe. Dazu ist es nie gekommen (aber dafür hatten wir zwei absolut fantastische Afrika-Erlebnisse in anderen Ländern). Jetzt bin ich hier, und was soll ich sagen? Genau, aber wirklich genau, so wie ich es mir vorgestellt habe, ist es auch.
Heute war der erste richtige Reisetag. Die Fahrt war aber nur mäßig lang. Es ging von Windhoek aus in den westlichen Randbereich der Kalahari. Nach einem schönen, aber zügigen Frühstück in meinem Windhoeker Guesthouse habe ich den Vitara beladen und war auf dem Weg. Sonntag morgen um 9 in Windhoek… kaum Verkehr, fast wie in ner deutschen Stadt um diese Zeit. Windhoek ist echt nicht groß und so hatte ich die Stadt schnell hinter mir. Die B1, die Hauptstraße von Windhoek in Richtung Süden zur südafrikanischen Grenze, führt zuerst noch durch die bergige, felsige Landschaft, typisch afrikanisch, mit gelbem Gras und Akazien und sonstigem Gestrüpps bedeckt. Die B1 ist eine gut ausgebaute Straße, wie bei uns ne schöne Bundesstraße. Manche Teilstücke sind über etliche Kilometer schnurgrade.
In Rehoboth – sieht man auf der Karte - habe ich einen kurzen Stopp gemacht und mir nen Kaffee im Tankstellenshop organisiert. Hinter Rehoboth veränderte sich die Landschaft. Die Berge verschwanden und es wurde deutlich flacher. Nur noch leicht welliges Land, aber immer noch mit Akazien und gelbem Gras. Tiere gab es bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht so viele. Ein paar Paviane, Ziegen und Rinder. Bei gefiedertem Getier sah es dagegen deutlich besser aus. Namibia scheint echt gut für Ornithologen zu sein. Aktuell steht die Tourliste bei 29 Arten, davon 3 neue. Ich hoffe, der Trend hält sich.
In Kalkrand ging es links ab auf die C12, und dann hatte ich Schotterstraße vor und unter dem Vitara. Hat echt Spaß gemacht und bisher gab es auch noch keine Schwierigkeiten mit den Reifen. Gegen 1 stand ich vor dem Einfahrtstor zum Intu Afrika Kalahari Reserve, einem privaten Wildschutzgebiet. In einer der Lodges auf dem Gelände hatte ich heute Quartier. Ich muss gestehen, dass ich privaten Wildschutzgebieten gegenüber Vorbehalte habe, denn hier geht es nicht zuerst um Naturschutz oder gar wissenschaftliches Arbeiten, sondern ums Geldverdienen. Um es direkt vorwegzunehmen: ausgeräumt wurden diese Vorbehalte heute nicht.
Die Lodge ist sehr schön. Genauso, wie man sich touristisches Afrika vorstellt. Großzügige Zimmer mit Blick auf einen großzügigen Pool und ein künstliches Wasserloch, an dem sich viele Vögel und der ein oder andere Springbock tummeln. Zuvorkommendes Personal. Gut ausgestattete Bar. Alles was das Herz begehrt. Nur halt nicht so richtig wild, wie ich finde.
Nach dem Einchecken habe ich zuerst mal ein gemütliches Mittagspicknick auf der Terrasse meines Zimmers gemacht: Cracker, ne Avocado und Biltong (Trockenfleisch, das im südlichen Afrika sehr beliebt ist). Schon von Deutschland aus hatte ich mir einen Game Drive, also eine geführte Safaritour im offenen Jeep gebucht. Um 16:30 Uhr sollte es los gehen und bis dahin habe ich Siesta gemacht und auf dem Gelände der Lodge Vögel beobachtet.
Pünktlich um halb fünf sind wir gestartet. Am Steuer saß unser Safari-Guide Bertus, und ich muss sagen, er hat’s echt gut gemacht, wusste sehr gut Bescheid und hat auch das ein oder andere am Wegesrand gefunden, was nicht zum Safari-Mainstream gehört. Mein persönliches Highlight war die Südbüscheleule, die er in einem Baum erspähte. Eulen kriegt man ja echt nur sehr selten zu Gesicht, geschweige denn vor die Kamera.
Neben Vögeln gab es auch allerlei Huftiere zu sehen. Elefanten und Nashörner fehlen zwar im Intu Afrika Reserve und auch Großraubtiere gibt es hier keine, abgesehen von einer armen alten Löwin, in einem eigens abgetrennten Bereich des 10.000 Hektar großen Reservats. Aber Springböcke, Giraffen, Gnus, Steppenzebras, Wasserböcke und Große Kudus haben wir zu sehen bekommen ebenso wie einen Steenbok und mehrere Kronenducker… und auch einen Blesbock, eine Antilopenart, die aus dem südlichen Südafrika stammt und die aus mir absolut unerklärlichen Gründen hier am Rande der namibischen Kalahari ausgewildert wurde. Mein persönliches Highlight waren aber die Oryxantilopen. Die Oryantilope ist das Wappentier Namibias und bis heute hatte ich noch keine in der freien Natur gesehen. Nur die verwandten Beisa-Spießböcke habe ich vor vielen Jahren mal in Nordkenia zu Gesicht bekommen. Entsprechend ziert eine Oryxantilope heute auch das erste Bild des Tages.
Zum Ende der Tour hin hat Bertus den Jeep auf einer der zahlreichen Dünen, die für die westliche Kalahari charakteristisch sind, geparkt und es gab einen klassischen Sundowner. Den Ausblick dazu, zumindest einen Ausschnitt, seht Ihr im zweiten Bild des Tages. Wir haben die Aussicht und den Sonnenuntergang genossen, und auch das namibische Bier.
Wieder in der Lodge gab es zum Abendessen… Oryxfilet. War super lecker. Ich hatte mit deutlichem Wildgeschmack gerechnet, aber es war eher wie sehr feinfaseriges Rindfleisch. Wird mit ziemlicher Sicherheit nicht das letzte Mal sein, dass einheimische Tiere während dieser Tour auf meinem Teller landen.
Morgen geht um 7 Uhr der Wecker. Ich habe ein ziemlich langes Stück Fahrt vor mir, bis zum südlichsten Punkt auf der Reise. Es wird bestimmt genug zu erzählen geben.


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4. Oktober 2022

Schon vor dem Frühstück gab es heute Vogelsafari, und ein Bild aus der Ausbeute hat es auch zum Bild des Tages geschafft. Ein Maskenweber neben seinem Nest. Sieht ja schon ein bisschen wie ein stolzer Eigenheimbesitzer aus, obwohl gerade erst der Rohbau fertig ist.
Das Frühstück in der Lodge war super. Ich kann das Canyon Roadhouse nur empfehlen... einziger kleiner Nachteil, es liegt ein Stück vom Canyon weg. Trotzdem würde ich hier wieder Quartier machen, wenn ich noch mal in die Gegend komme.
Um kurz vor 9 war ich unterwegs, trotz Vogelpirsch und gemütlichem Frühstück. Die Fahrt zurück zur Hauptstraße - ich musste heute die kompletten 137km wieder zurück - verlief genauso glatt wie die Hinfahrt gestern. Ich war noch keine halbe Stunde unterwegs, als ich die ersten Strauße gesehen hatte, und im Laufe des Tages kam noch ne gute Handvoll dazu.
Wieder an der B4 angekommen, hieß es links abbiegen, und von dort an würde es bis Lüderitz immer geradeaus gehen. Schon nach ein paar Kilometern war ich an der Stelle, wo die B4 den Fish River quert. Hier gibt es noch keine tiefe Schlucht, sondern nur das tieferliegende Flussbett über das eine Brücke führt, während unten die Tümpel des Fish River vor sich hin modern und die Pflanzen am Ufer grün halten.
Bis Lüderitz sind es von dort rund 300km auf asphaltierter Straße. Die Landschaft war wieder sehr abwechslungsreich, zuerst noch felsig, dann weite Ebenen mit gelbverdorrtem Gras, vereinzelte Akazien und dazwischen immer wieder Tafelberge. In Aus habe ich ein Päuschen gemacht, mir einen Mittagssnack und einen Kaffee gekauft, und dann ging's weiter. Hinter Aus macht die B4 eine doppelte Kurve und mit einem Schlag liegt die Namib-Wüste vor einem. Die Straße wird (fast) schnurgerade und führt mit deutlichem Gefälle in die Wüste hinein. Wüste bedeutet hier graugelber oder manchmal auch gelboranger Sand, ein paar kümmerliche Grashalme hier und da, und felsige Berge. Parallel zur Straße führt die Eisenbahn nach Lüderitz, Strommasten säumen Bahnlinie und Straße. Brüllend heiß war es jetzt nicht, aber die Wüste wirkt sehr lebensfeindlich... wirkt (!)... die ganzen Wildwechselwarnschilder stehen aber bestimmt nicht zur Dekoration an der Straße. Rund 50km vor Lüderitz begann es zu winden, ach was sag ich, es stürmte. Richtiges Sandgestöber. In Schwaden wehte der Sand über die Straße, und der Vitara mit seinem großen Seitenprofil erinnerte mich ein bisschen an den weißen VW-Bus der Kesternichs Ende der 1980er Jahre. Der war ähnlich windanfällig.
Als ich nach Lüderitz hineinfuhr war der Himmel über dem Städtchen blau, aber der Sturm hielt an. An dieser Stelle Danke an Martin. Ich hatte keine Ahnung, dass Lüderitz in der Welt der Windsurfer eine feste Größe ist und dass hier die Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt werden. Nach dem was ich hier heute an Sturm erlebt habe, kann ich es mir aber gut vorstellen.
Lüderitz hat nicht ganz so viele Einwohner wie Bad Münstereifel. Die deutsche Kolonialvergangenheit sieht man hier unter anderem in den Namen von Straßen und Gebäuden, aber auch an der Gedenkstätte für das Internierungslager auf Shark Island, wo die deutsche Kolonialverwaltung tausende von Nama gefangen hielt und Zwangsarbeit verrichten ließ.
Ähnlich wie gestern, habe ich auch heute erst im Quartier eingecheckt bevor ich mich mit der weiteren Nachmittagsgestaltung beschäftigt habe. Ich wohne hier sehr schön im Nest Hotel, mit dramatischem Blick über die heute vom Sturm zerzauste Lüderitzbucht.
Nachdem ich mein Gepäck auf dem Zimmer verstaut hatte, bin ich zum Dias Point gefahren. Diese Landspitze, 25km von Lüderitz direkt am Südatlantik gelegen, ist nach Bartolomeu Dias benannt, dem portugiesischen Seefahrer und Entdecker, der 1487 als erster Europäer in dem Gebiet hier seinen Fuß an Land setzte. Getreu portugiesischer Tradition ließ er an der heute Dias Point genannten Stelle ein Padrão, ein Denkmal in Form eines steinernen Kreuzes, errichten. Eine Siedlung haben die Portugiesen aber an der Lüderitzbucht, die sie Angra pequena nannten, nie gehabt. Ne knappe halbe Stunde dauert die Fahrt bis zum Dias Point. Außer mir waren noch zwei andere Touristen dort. Die Sonne schien zwar aus einem schönen blauen Himmel, aber der Wind toste, was das Zeug hielt. Früher einmal konnte man auf einem hölzernen Steg die Treppe erreichen, die  auf die Felsspitze mit dem Padrão führt. Den Steg hat längst ein südatlantischer Sturm mitgenommen, und so bin ich über die Felsen gekraxelt, was aber kein Problem war. Problematisch war eher der „Wind Chill Factor“. Der Sturm machte es echt frisch, so dass ich zusätzlich zum Jööpchen auch noch die Fließjacke ausgepackt und übergezogen hatte. Die war eigentlich nur für meine Rückkehr in Deutschland gedacht, hat aber heute außer der Reihe gute Dienste geleistet.
Oben auf dem Felsplateau des Dias Point angekommen, habe ich den Blick auf den wilden Südatlantik genossen, habe mir den Sturm um die Nase pfeifen lassen (es gibt Geländer und Steinsäulen, so dass man nicht in den Ozean geweht werden kann) und habe Fotos von der Szenerie, einschließlich der Replik des Padrão gemacht. Replik? Ja, seit 1929 steht ein nachgemachtes Kreuz aus namibischem Stein an der Stelle. Das Original war komplett verwittert. Trotzdem hat es das zweite Bild des Tages bekommen. Das war schon ein sehr eindrucksvolles Erlebnis, dort auf diesem Felsvorsprung im Sturm zu stehen, auf den Atlantik zu kucken und zu wissen, dass irgendwo da hinten Brasilien ist.
Bevor ich ins Hotel zurückgefahren bin, habe ich noch ein bisschen im örtlichen SPAR eingekauft, denn morgen geht es zurück in die Wüste. Dann werde ich mir die Namib genauer ansehen. Abendessen hatte ich im Hotelrestaurant. Der Fang des Tages war Snoek (gesprochen „Snuk“), ein hier vor Ort angelandeter Fisch. Hat super geschmeckt, auch wenn er etliche, zum Glück große und leicht zu handhabende, Gräten hatte. Aber ich habe ja auch den Blasiussegen, insofern alles kein Problem.


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3. Oktober 2022

Weites Land. Weites, leeres Land... Ich habe heute über 500km hinter mich gebracht und ich glaube ich kann die Ortschaften, die ich passiert habe, noch an den Fingern einer Hand abzählen.
Nach einer echt schlechten Nacht - ich weiß nicht, was schlimmer war, die Mücken oder der Schnarcher im Nachbarzimmer - fuhr ich das erste Mal um 5:45h aus dem Schlaf. Ich dachte, mein Handywecker, den ich auf 7 Uhr gestellt hatte, gäbe Alarm. Wie sich heraus stellte, war es nicht mein Handy. Der Schnarcher von nebenan hatte den gleichen Samsung Weck-Ton wie ich. Als um 7 dann endlich mein Wecker loslegte, war ich ziemlich gerädert. Aber dann begann der Tag langsam aber stetig besser zu werden.
Nach dem Auschecken habe ich mich auf den Rückweg gemacht. Die Zufahrtswege zum Intu Afrika Reserve sind eigentlich nicht wirklich für normale Fahrzeuge ohne Allrad gedacht. Ich habe also dafür gesorgt, dass der Vitara immer in Schwung blieb. Andernfalls hatte ich die Befürchtung, dass ich ihn in dem tiefen roten Kalahari-Sand nicht mehr in Bewegung setzen könnte. Leider blieben dadurch die Herde Elenantilopen und die drei Riesentrappen am Wegrand unfotografiert.
Die Fahrt führte heute erst über die Schotterstraße weiter nach Süden bis kurz vor Mariental und dann weiter auf der B1 in Richtung südafrikanische Grenze. Die Landschaft auf dieser Strecke ist weitgehend flach, mit nur leichten Wellen im Gelände und ab und zu sieht man ein paar Felsen, Tafelberge und ausgetrocknete Flussläufe. Trotzdem war die Fahrt überhaupt nicht langweilig. Parallel zur Straße verläuft die Eisenbahn, und die Haltestellenschilder tragen Namen wie "Ebeneerde" und die ausgetrockneten Bäche, die Bahn und Straße überqueren, hören auf Namen wie "Bismarck" oder "Kaiserkrone". Ziemlich surrealistisch.
Nach dreieinhalb Stunden Fahrt bin ich in Keetmanshoop angekommen, mit rund 20.000 Einwohnern die einzige nennenswerte Stadt im Süden Namibias. Hier habe ich getankt und dann ging es weiter, aber nicht mehr auf der B1 sondern auf der B4, die zum Atlantik führt. Nach 40km zweigt links die Schotterpiste ab, die zum Fish River Canyon führt. Auf dem Wegweiser stand 137km als Entfernungsangabe. "Na toll", hab ich gedacht, "dann wird das jetzt ne langwierige Gurkerei." Aber von wegen. Die Straße war super in Schuss und der Vitara schnurrte nur so über den Schotter.
Mein Quartier hier ist das Canyon Roadhouse, das rund 15km vor dem Eingang zum Ai Ais-Richtersveld-Transfrontier-Nationalpark liegt. Auf dem Gebiet dieses grenzüberschreitenden Nationalparks liegt auch der Fish River Canyon.
Da ich schon mal am Quartier war, habe ich direkt eingecheckt und bin dann zum Canyon gefahren. Der Fish River ist der längste Fluss Namibias und er hat im Laufe der Jahrmillionen hier einen Canyon gegraben, der nach dem Grand Canyon in Arizona der zweitgrößte der Welt ist. Ich war sehr gespannt, ob der Fish River Canyon wirklich an den Grand Canyon heran kommt, und was soll ich sagen? Ja, er kommt heran. Ich war komplett beeindruckt. Man steht  oben am Canyon-Rand, schaut in die Tiefe und irgendwo unten glitzert Wasser. Kein Bild kann dem gerecht werden, aber natürlich bekommt der Fish River Canyon trotzdem ein Bild des Tages. Die untersten Gesteinsschichten des Canyons sind fast 2 Milliarden Jahre alt. Da hat der Fluss echt ganze Arbeit geleistet. Wobei… im Moment ist es kein Fluss. Um diese Jahreszeit, dem frühen Frühjahr nach namibischer Rechnung, besteht der Fish River nur aus Tümpeln.
In einer Hinsicht übertrifft der Fish River Canyon den Grand Canyon sogar. Von Touristenmassen keine Spur. Als ich am Hauptaussichtspunkt ankam, war ich der einzige (!) Besucher. Ich habe in aller Ruhe verschiedene Aussichtspunkte besucht und das Panorama auf mich wirken lassen.
Die Landschaft, in die der Fluss die Schlucht gebuddelt hat, hat etwas Außerirdisches. Wären da nicht die spärlichen Pflanzen und ab und zu etwas Getier, dann könnte die Szenerie auch auf dem Mars sein. Aber so karg die Landschaft auch ist, es gibt eben doch Leben. Ich habe heute Springböcke, Oryxantilopen, Klipspringer und auch mehrere Strauße gesehen. Schön finde ich Strauße ja eigentlich nicht, aber so langsam entwickeln sie sich zum Mottovogel dieser Tour. Ich habe bis jetzt jeden Tag Strauße gesehen und insgesamt jetzt schon mehr als auf allen meinen anderen Afrika-Reisen zusammen. Ich habe deshalb beschlossen, einem Strauß das zweite Bild des Tages zu geben.
Morgen geht’s schon wieder weiter. Mein nächstes Etappenziel ist Lüderitz am Atlantik. Zum Glück war ich heute so zeitig hier, dass ich den Besuch des Fish River Canyons heute schon machen konnte. Morgen wäre zwar theoretisch auch Zeit dafür, aber so kann ich morgen schon früher in Lüderitz sein und mir den Ort ansehen. Und ich kann morgen auch ne halbe Stunde länger schlafen… *freu…
Im Moment sitze ich hier im Canyon Roadhouse an der Bar und trinke schottischen Schnaps, um genauer zu sein Bowmore 12. Ich hatte vor der Tour überlegt, ob ich nicht ne Flasche Whisky ins Gepäck packen oder duty-free erwerben soll, zur Abendgestaltung. Habe mich dann aber dagegen entschieden, denn ich wollte den namibischen Einzelhandel unterstützen. Wie Ihr aber ja schon wisst, ist der Erwerb alkoholischer Getränke hier ungleich schwieriger als bei uns zu Hause. Andererseits sind die Preise hier schon fast peinlich niedrig, was auch die Spirituosen an der Bar einschließt… Ich werde also Alkoholika weiterhin ad hoc bestellen und statt in meinem Zimmer in der Öffentlichkeit trinken… *lach… 


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5. Oktober 2022

Ich bin komplett durchgerüttelt... *lach... Heute war ein langer Fahrtag. Ich war über sechs Stunden auf Achse und den größeren Teil davon auf Schotterpisten sehr unterschiedlicher Qualität. Trotzdem war heute wieder ein guter Tag, auch wenn meine Laune zwischendurch mal ein paar Dellen hatte.
Nach dem sehr schönen Frühstück im Hotel und dem Auschecken habe ich in Lüderitz noch ein paar klassische Touri-Fotos gemacht. Die Bergstraße ist eines der dortigen Postkartenmotive mit deutscher Kolonialarchitektur aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die Häuser sind übrigens ungefähr so alt wie meins... und haben heute das erste Bild des Tages bekommen.
Ich habe noch ein bisschen Geld gezogen (dieses Mal gab es namibische Dollar aus dem Automaten) und dann haben der Suzuki und ich uns auf den Weg zurück durch die Namib gemacht. Es war noch ein bisschen windig, aber der Sturm hatte sich gelegt. Kein Sandtreiben mehr über der Straße. In der Luft hing zwar noch viel Staub und verlieh dem Himmel eine milchig blaue Farbe, aber alles kein Vergleich mit gestern. Die 120km bis Aus habe ich entsprechend gemütlich hinter mich gebracht. Das längste kurvenfreie Stück der B4 in der Namib ist übrigens rund 40km lang.
In Aus habe ich wieder Station gemacht, dieses Mal zum Tanken. Viel hatte ich zwar seit gestern nicht verfahren, aber ich wollte mit vollem Tank in die Wüste aufbrechen. Außerdem habe ich den Reifendruck prüfen lassen. Der Tankwart meinte für die Schotter- und Sandpisten wären 1,8bar besser. Dem Expertenrat habe ich natürlich Folge geleistet. Selber Luft ablassen musste ich aber nicht. Das hat der Tankwart schon gemacht.
Ein paar Kilometer hinter Aus bin ich nach Norden auf die C13 abgebogen. Ich muss gestehen, das Fahren auf den Schotterpisten macht mir schon richtig Spaß. Man darf allerdings weder ängstlich noch übervorsichtig sein. Wenn man nämlich zu langsam fährt, dann wird die Fahrt eine wilde Schaukelei. Eine gewisse Geschwindigkeit braucht man also schon... Ich fahre hier zwischen 80 und 100. Man muss allerdings aufpassen, wenn die Fahrbahn an den trockenen Flussläufen Dellen hat, und auch Kurven nimmt man mit geringerer Geschwindigkeit. Aber mit Kurven hat man es hier in Namibia ja nicht so... *lach... Zum Glück habe ich einen sehr guten fahrbaren Untersatz. Ich hoffe der Suzuki hält sich den Rest der Tour so wacker wie bisher. Morgen hat er allerdings erst mal frei. Aber der Reihe nach...
Leider war, wie erwähnt, die Qualität der Straße eher wechselhaft und erforderte einiges an Konzentration. Trotzdem hatte ich über weite Strecken auch noch Muße genug, die grandiose Landschaft auf mich wirken zu lassen. Etliche Kilometer der Strecke am frühen Nachmittag führten außerdem durch das NamibRand Nature Reserve und es gab natürlich Oryxantilopen, Springböcke, Zebras und... na klar, Strauße zu sehen.
Ich war dennoch froh, als ich gegen halb vier am Quartier war. Die Elegant Desert Lodge and Eco Camp ist zweigeteilt. Zum einen die Lodge, zum anderen die feststehenden Komfortzelte. Ich wohne im Zelt. Aber von wegen Luftmatratze und Schlafsack. Ein Doppelbett, ein Bad mit Dusche und WC und einer Außendusche. Dazu ein schönes Deck mit fantastischem Blick auf die weite Ebene zwischen den Nubeb- und den Naukluft-Bergen.
Dass ich von der Lodge nochmal 7km fahren musste, fand ich schon etwas ärgerlich und auch, dass es am Eco Camp kein Frühstück gibt. Außerdem entpuppte sich der eingeschlossene Ausflug als Sundowner-Tour und nicht als Exkursion zu den Dünen von Sossusvlei. Bis dahin sind es von hier fast 100km. Ich habe gefragt, ob man eine Tour dorthin über die Lodge buchen kann, aber das konnte man mir nicht sofort versprechen. Ich habe also relativ grumpy in dem offenen Jeep auf dem Weg zum Sundowner gesessen. Dass ich nichts Anständiges zu Mittag hatte, machte die Sache keinen Deut besser. Aber manchmal helfen auch schon kleine Dinge. Nach dem ersten Bier und den ersten Happen Biltong und Chips am Sundowner-Aussichtspunkt wurde meine Laune deutlich besser.
Vom Sundowner sind wir direkt in die Lodge zum Abendessen gefahren worden. Vor dem Essen habe ich nochmal an der Rezeption gefragt und, voilà, es hatten sich noch zwei andere Leute für den morgigen Trip nach Sossusvlei gemeldet. Ich brauche also morgen nicht selber hin zu fahren und der Suzuki hat Pause. Nachteil: ich muss um halb sechs aufstehen. Aber ich denke, das ist zu verschmerzen, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass wir planmäßig um 14:00 Uhr wieder im Camp sind und ich mir dann einen gemütlichen Nachmittag machen werde.
Was das zweite Bild des Tages angeht, da muss ich gestehen, dass ich lange überlegt habe. Aber dann habe ich mich doch für die Oryxantilopen unter dem Baum entschieden, selbst wenn ich das Bild, das ich übrigens mit dem Handy aufgenommen habe, schon durch die Welt der sozialen Medien geschickt habe. Es gefällt mir halt einfach gut.

P.S. Als ich nach dem Abendessen zum Zelt kam, war im Camp das Internet schon abgeschaltet. Daher kommt das Logbuch heute verspätet.

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