5. Juli 2022

Von der Eisenbahnlinie zwischen Kiruna und Narvik habe ich schon in der Schule gehört. Das kam im Erdkundeunterricht vor und ist mir später im Zusammenhang mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs immer wieder begegnet. Heute war es dann soweit. Ich war nicht nur in Narvik, ich bin auch mit der Bahn gefahren.
Um 9:55 Uhr sollte es losgehen. Die Sonne strahlte heute morgen über Narvik und ich war schon ne halbe Stunde früher am Bahnhof, um noch ein paar Fotos zu machen. Der Mazda hatte heute morgen frei, denn von meinem Quartier zum Bahnhof sind es nur fünf Minuten zu Fuß. Arctic Train heißt der Nahverkehrszug, der von Narvik nach Abisko in Schweden fährt. Ich wollte aber heute nur bis Riksgränsen, der ersten Station wenige hundert Meter hinter der norwegisch-schwedischen Grenze. Bis dahin sind es von Narvik aus 39km. Die Bahnstrecke von Narvik bis zur schwedischen Grenze heißt Ofotbanen, nach dem Ofotfjord, an dem Narvik liegt.
Ich war gespannt gewesen, wieviele Leute heute mitfahren würden, aber letztendlich waren es nur ne Handvoll. Insgesamt war am Bahnhof in Narvik nicht viel los. Außer dem Arctic Train, der zweimal täglich nach Abisko fährt, gibt es noch Züge, die über Kiruna nach Luleå (beides in Schweden) fahren und einen Schlafwagenzug der durchgeht bis nach Stockholm. Narvik ist der nördlichste Bahnhof in Europa, der über das Normalspurnetz erreichbar ist. (Kleine technische Anmerkung dazu: unter Normalspur versteht man die in den meisten Ländern Europas übliche Spurweite, d.h. der Abstand der Schienen, der bei der Normalspur 1435mm beträgt.)
Pünktlich um fünf vor zehn setzte sich der Arctic Train in Bewegung. Ungefähr ne Stunde sollte die Fahrt dauern, denn schnell fährt man hier nämlich nicht. Es geht stramm bergauf, von 47 Metern am Bahnhof Narvik auf 523m über dem Meeresspiegel in Riksgränsen. Außerdem muss an mehreren Bahnhöfen unterwegs ne Pause gemacht werden, denn die Strecke ist eingleisig und man hat immer wieder mal Gegenverkehr. Denn auch wenn hier ab und zu Personenzüge fahren, ist der Hauptzweck der Strecke doch der Transport von Eisenerz zum Hafen nach Narvik. Und die Erzzüge haben dann Vorfahrt. Zweimal mussten wir einen vorbeilassen, dann waren wir in Riksgränsen. Die Grenze zwischen Norwegen und Schweden hatte wir schon vorher überquert, in einem Tunnel, in dem die norwegischen und schwedischen Farben an die Wand gemalt waren, um die Grenze für die Fahrgäste sichtbar zu machen.
Riksgränsen ist ein Wintersportort. Es gibt Hotels, Ferienwohnungen, Lifte und alles was man zum Skifahren braucht… und alles war geschlossen. Im Sommer ist es echt ein trauriges Nest, direkt hinter der Grenze an der E10 gelegen. Autos, LKWs und Motorräder brausen durch, die Landschaft hat schon was arktisches, mit Tundra und ein bisschen Gestrüpps, und nen Supermarkt gibt es, für die Camper und anderen Touristen, die hier durchreisen. Ich habe versucht ein bisschen Vögel zu beobachten, aber das wurde wegen der Mücken schnell ungemütlich. Die spannendste Beschäftigung für die knapp zwei Stunden meines Aufenthalts war noch, Ihr habt’s vielleicht am Bild des Tages erraten: Trainspotting. Neben einem Schlafwagenzug kamen auch zwei Erzzüge durch. Im Bild seht Ihr einen beladenen Zug auf dem Weg nach Narvik, mit einer Dreifachtraktion aus schicken Bombardier TRAXX F140AC2-Lokomotiven, die so ähnlich bei der Deutschen Bahn als Baureihe 185 eingesetzt werden. 40 Waggons hingen hinten dran.
Um kurz vor eins fuhr der Arctic Train in die Gegenrichtung. Wieder war kaum jemand an Bord. Dem Erlebnis hat das aber nicht geschadet. Man hat einen fantastischen Blick auf die Landschaft. Schneebefleckte Berge, reißende Bäche und Wasserfälle, den Rombaksfjord und die beiden Brücken die über ihn drüber führen… und zwei Moorschneehühner kamen auch am Fenster vorbei geflogen.
Wieder in Narvik angekommen habe ich im zum Fischmarkt gehörenden Restaurant ein etwas spätes Mittagessen gehabt. Super leckerer, gebratener Heilbutt. Danach gab’s wieder Kultur, bzw. Geschichte. Ich bin ins Narvik Krigsmuseum gegangen. Ja, das wird auf Norwegisch echt ohne e geschrieben. Hier wird die Geschichte der Schlachten um Narvik dokumentiert, und auch das Leben der Norweger unter der deutschen Besatzung. Echt super gemacht und sehr eindrucksvoll.
Als letzten Punkt des Tages wollte ich mit der Seilbahn auf den Narvikfjellet, den Hausberg der Stadt. Als ich aber aus dem Museum kam, fielen die ersten Tropfen. Ich bin also zum Quartier und habe eine Siesta eingelegt. Um kurz nach fünf hatte sich der Regen gelegt, ich habe meine Sachen zusammengepackt für die Fahrt auf den Berg, aber vor der Haustür sah ich, dass der Gipfel des Narvikfjellet von Wolken verhüllt war. Das war’s also mit dem Programm. Ich bin dann aber doch noch los und habe den Mazda getankt. Dann habe ich das morgen gespart. Außerdem habe ich mir im Supermarkt noch zwei Dosen Bier für die Abendgestaltung organisiert.
Morgen geht es zurück nach Bodø, der letzten Station bevor ich von dort übermorgen die Weiterreise nach Norden per Flieger antrete. Die Strecke für morgen sind ziemlich genau 300km inklusive einer Fährstrecke. Fast alles auf der E6. Immerhin habe ich morgen weniger Stress als letztes Jahr, als ich genau diese Strecke am späten Abend und im Dämmerlicht der polaren Sommernacht machen musste.

P.S. Inzwischen hat es sich übrigens hier richtig eingeregnet. Bin gespannt wie morgen das Wetter aussieht.


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