Reiselogbuch - 2017 Nicaragua


17. April 2017

Dass ich eine gute Nacht gehabt hätte kann ich leider nicht behaupten... zu heiß... dann Fenster auf... dann Moskitos im Zimmer... der Klassiker halt... und zu kurz war's darüber hinaus auch, dann mein Wecker ging um halb sieben. Da ich mittlerweile in der hiesigen Zeitzone angekommen bin, war das irgendwie schon deutlich zu früh. Heute stand ein weiteres Mal Action auf dem Programm, auch wenn es mit dem Vulkan-Rodeln nicht mithalten konnte. Ich bin Kajak auf dem Nicaragua-See gefahren. Um kurz nach halb acht hat mich der Fahrer von Nicaragua Adventures abgeholt... Roberto... ein anderer Roberto... wir sind dann noch kurz tanken gefahren und haben anschließend meinen Guide – Gustavo... natürlich ein anderer Gustavo – abgeholt. Rund zwanzig Minuten später waren wir an der Anlegestelle und sind zuerst mit dem Boot auf eine der zu den „Isletas“ gehörenden Inseln gefahren, von wo aus die Kajak-Tour starten sollte.
„Las Isletas“ ist eine Gruppe von über dreihundert -  die Einheimischen sagen 365 – Inseln und Inselchen im Nicaragua-See südöstlich von Granada. Gustavo... auch er sprach sehr gutes Englisch... es scheint echt nen Unterschied zu machen zwischen hier und dem Südosten des Landes... da werde ich bei den abschließenden Betrachtungen am Ende der Tour noch mal drauf zurückkommen... jedenfalls, Gustavo meinte, dass die Zahl der Inseln gar nicht feststeht, sondern sich auch mit dem Wasserstand des Sees ändert. Der Spiegel des Nicaragua-Sees schwankt zwar nicht so sehr im Laufe des Jahres, aber so rund zwei Meter Unterschied sind schon drin zwischen dem Ende der Trockenzeit und der Regenzeit... Was auch nicht feststeht, das ist die Entstehung der Inseln. Eine der Theorien besagt, dass sie bei einem Ausbruch des Mombacho – des Hausbergs von Granada - entstanden sind, als es im Rahmen der Eruption zu einem gewaltigen Erdrutsch kam. Wenn man sich die Geographie hier ansieht, und die Bilder vom Mount St. Helens im Kopf hat, dann könnte das passen.
Dann ging's in die Kajaks... Roberto, unser Fahrer, war auch noch mit von der Partie und so sind wir zu dritt los gepaddelt. Was soll ich sagen? Es ist definitiv nicht so leicht, wie es aussieht. Irgendwie hatte Gustavo, der zugegebenermaßen öfters diese Tour macht, immer sofort Vorsprung, wenn wir nach ner Pause wieder los gepaddelt sind. Paddeln ist ne nasse Angelegenheit, was aber bei den hier herrschenden Temperaturen kein Problem war. Ein bisschen kompliziert war's allerdings mit dem Equipment, besonders da das Kajak, eigentlich ja nur ein aus einem Stück in Form gepresster Plastik, weder besonders groß war, noch über entsprechende Ablageflächen verfügte. Ich habe folglich außer ner Flasche Wasser und der Panasonic nichts mit an Bord genommen. Dass ich die Sony nicht mit hatte, war aber auch nicht so schlimm, denn es gab zwar ein paar schöne Vögel und auch nen Leguan zu sehen, aber das Fotografieren aus so nem Kajak ist ne ziemlich diffizile Angelegenheit. Das erste Bild des Tages hat Gustavo für mich mit der Panasonic gemacht. Im Hintergrund sieht man den Mombacho Die Inselchen und Inseln sind die „Isletas“ und das Wasser gehört zum Nicaragua-See... und Haie gibt es hier am Nordwest-Ende keine.
Was soll ich sagen? So richtig spektakulär ist so ne Paddeltour nicht... aber sie hat wirklich Spaß gemacht... ich habe mich sehr gut mit Gustavo und Roberto verstanden (schon das dritte Fahrer-Guide-Gespann mit erweitertem Spaßfaktor)... und Kajakfahren ist mal was ganz anderes. Ich kann's auf jeden Fall empfehlen, selbst wenn man anfällig für Seekrankheit ist, denn hier zwischen den „Isletas“ war der See ruhig. Wir sind aber auch ein paar Meter auf dem offenen See gepaddelt, und da muss ich schon sagen, dass das nicht so wirklich mein Fall ist.
Wieder in der Stadt sind wir zur Zentrale von Nicaragua Adventures gefahren, meinem Reiseveranstalter. Lustigerweise liegt deren Büro direkt bei meinem Hotel gegenüber. Hier habe ich Michael Hernandez kennengelernt, der die Tour für mich entworfen und zusammengestellt hat. Schon jetzt kann ich sagen, er hat ganze Arbeit geleistet. Super Organisation.
Mittlerweile war's Mittag und ich bin vom Hotel aus ins Stadtzentrum... okay... weiter ins Stadtzentrum, denn das Hotel liegt schon nur gut fünf Minuten zu Fuß von der Kathedrale... spaziert und habe in einem nicaraguanischen Restaurant ein typisch nicaraguanisches Mittagessen zu mir genommen...  Vigorón nennt sich das und ist vor allem für Granada typisch, wird aber auch im Rest des Landes serviert. Die Grundlage ist gekochter Maniok, dazu gibt es Krautsalat (vergleichbar mit der amerikanischen Variante Cole Slaw) und frittierte Schweineschwarte und das ganze wird auf einem Bananenblatt serviert. Varianten dieses Gerichts gibt es wohl so viele, wie es Familien in Nicaragua gibt. Geschmeckt hat es mir jedenfalls gut, auch wenn es nicht wirklich Haute cuisine ist... *lach...dafür war das Erlebnis spannender, in nem ganz stinknormalen nicaraguanischen Restaurant zu sitzen, wo zeitgleich auch ein Großfamilienessen stattfand, und die Musik natürlich richtig laut war. Nach dem Essen habe ich ein bisschen Sightseeing versucht, war aber nur begrenzt erfolgreich. Der Turm der Kirche La Merced, von dem man den besten Blick auch Granada haben soll, war zu, ebenso die ehemalige spanische Festung La Polvora, die etwas außerhalb liegt, und für die ich mir ein Taxi für umgerechnet 1,80 € gegönnt habe. Taxis in Nicaragua haben fast immer nen Fixpreis, den man mit dem Fahrer absprechen muss bevor es losgeht, und es sind außerdem sogenannte Colectivos, das heißt, der Fahrer lässt unterwegs immer noch andere Gäste ein- und aussteigen.
Ein Blick von oben auf Granada und seinen Hausberg war mir also nicht vergönnt, und ich habe mich etwas an die Situation in León erinnert gefühlt. Den Tag habe ich deshalb im Parque Central mit Menschen beobachten ausklingen lassen, und hier entstand auch das zweite Bild des Tages. Im Parque Central gibt's kostenloses WLAN. Zählt doch mal, wieviele Leute ihr sehen könnt, die auf dem Bild mit dem Handy am flitschen sind.
Den Abend wollte ich im Hotel bestreiten, ne Kleinigkeit essen und was trinken, Bilder sortieren und Logbuch schreiben. Kam dann aber doch ein bisschen anders als geplant. Die Küche hatte zu, es blieb mir also nur das Trinken, und nachdem ich das erste Drittel des Logbuchs fertig hatte, trudelte die internationale Reisegruppe ein, die mit mir das Quartier teilt. Die kamen von der Nachttour zum Masaya zurück und im Bus gab es wohl kostenlosen Alkohol. Ich habe mich längere Zeit mit Noah unterhalten, einem 36-jährigen Chemieingenieur aus Houston, Texas, der seit zwei Jahren durch die Welt reist und heute abend ganz massiv einen im Tee hatte, aber immerhin sehr stilvoll besoffen war.
Morgen früh geht's weiter zu meinem vorletzten Etappenziel, der Insel Ometepe im Nicaragua-See. Ob ich dort Internetanschluss habe weiß ich nicht und will nach meinen Erfahrungen auf den Islas Solentiname auch nichts versprechen. Eventuell reiche ich die Logbücher sonst nach, wenn ich wieder auf dem Festland bin.

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18. April 2017

Ich habe mein vorletztes Etappenziel erreicht, die Isla Ometepe im Nicaragua-See. Mit rund 270km² ist das die größte Vulkaninsel innerhalb eines Sees weltweit. Ometepe ist die Heimat von ca. 50.000 Menschen und zwei Vulkanen. Der Maderas ruht seit Jahrhunderten aber der Volcan La Concepción, mit gut 1600m der zweithöchste Vulkan des Landes, ist in den 1950er Jahren zuletzt ausgebrochen. Folglich ist man hier auch etwas nervös und hat entsprechende Vorkehrungen getroffen, für den Fall, dass es wieder los geht. So wie man zum Beispiel im Süden der USA Hurrikan-Evakuierungsrouten ausgeschildert findet, so sind hier auf Ometepe die Vulkanausbruch-Evakuierungsrouten ausgezeichnet.
Mein Tag begann heute morgen in Granada mit dem Frühstück und dann stand auch schon super pünktlich mein nächster Fahrer, Ernesto, auf der Matte, der mich zum Fährableger in San Jose del Sur bringen sollte. Der Minibus war zwar ein bisschen Overkill nur für mich, aber letztendlich war's mir auch wieder egal.
Nach circa einer Stunde Fahrt waren wir am Hafen von San Jose del Sur. Ernesto spricht nur ein bisschen Englisch, aber wir konnten uns verständigen, er hat mir meine Fahrkarte gekauft und mir vor allem gesagt, dass er mich am Donnerstag auch wieder holen kommt, um mich nach Managua zu bringen.
Die Fährüberfahrt von San Jose del Sur nach Moyogalpa, einem der beiden Hauptorte von Ometepe, dauert ebenfalls ne gute Stunde und ich muss sagen, der See war am Anfang schon spürbar bewegt. Die Chemie konnte zwar in der Hosentasche bleiben, aber ich habe auf dem Ärmelkanal schon deutlich ruhigere Überfahrten gehabt. Unter der Fähre darf man sich jetzt aber auch kein allzu großes Schiff vorstellen. Ein paar Autos, ein LKW, etliche europäische Touris und vor allem viele, viele Einheimische waren an Bord. Ich hatte mir relativ bald nach dem Ablegen einen Platz vorne am Bug organisiert, so dass ich die ganze Überfahrt einen schönen Blick auf die näher kommende Insel mit den beiden Vulkanen hatte.
Am Hafen in Moyogalpa erwartete mich mein Driver-Guide für die Zeit meines Aufenthalts auf der Insel... Eric... wieder ein Jüngelchen, aber ich wette, dass wenn ich morgen mehr über ihn erfahre, ich wahrscheinlich zu hören kriege, dass er schon über 30 ist und zwei Kinder hat... *lach... man vertut sich hier echt mit dem Alter der Leute. Der fahrbare Untersatz hier auf Ometepe ist übrigens ein schicker Toyota Prado, und so wie ich Eric verstanden habe braucht man den Allradantrieb hier auch.
Mein Hotel liegt genau zwischen den beiden Vulkanen am Nordufer der Isla Ometepe und ich muss sagen, von all den Hotels, die ich hier bisher hatte, ist es, alles zusammengerechnet, das schönste. Das einzige, das mir hier noch fehlt, wäre eine Veranda mit Hängematte vor dem Zimmer, aber dafür hätte ich eine andere Zimmerkategorie buchen müssen. Ist auch ganz gut so, denn wenn ich hier noch eine Hängematte gehabt hätte, dann wäre ich heute nachmittag komplett versackt.
Ich habe mir im Hotelrestaurant einen kleinen Mittagsimbiss aus Hummus und Tortillas gegönnt und mich dann ein bisschen hingelegt. Irgendwie habe ich in Granada ja leider nur suboptimal geschlafen.
Im Gegensatz zu den Islas Solentiname, die schon hypnotisch verschlafen und aus der Welt waren, wirkt Ometepe sehr lebendig. Kein Kunststück, denn es ist hier doch alles was größer und belebter und es gibt auch ein paar Touris mehr, denn Ometepe ist deutlich einfacher zu erreichen als die Islas Solentiname. Trotzdem ist das Flair hier auch ein bisschen karibisch... fast so wie in El Castillo.
Als ich endlich aus meiner Siesta aufgewacht bin, war's kurz vor vier und ich bin runter zum See gegangen und habe einen Strandspaziergang gemacht. Dabei entstanden auch die beiden heutigen Bilder des Tages. Der Nicaragua-See ist schon eindrucksvoll groß. Die Nicaraguaner erwähnen gerne, dass ihr See die Größe von El Salvador hat... *lach... Als die Spanier hier herkamen, dachten sie zuerst, sie wären am Meer und stellten dann erstaunt fest, dass ihre Pferde das Wasser tranken. Daher bekam der See von den Conquistadores den Namen „el mar dulce“... das süße Meer. Trotzdem denkt man natürlich zuerst an richtiges Meer, wenn man hier am Strand entlang spaziert und ist auch entsprechend erst mal leicht verwundert, wenn die Bauern von Ometepe ihre Rinder zum Trinken an den Strand treiben. Kuckt mal genau. Der Mann reitet ohne Zaumzeug und Sattel... und hat seinen kleinen Sohn noch mit an Bord, so wie sein Reittier auch sein Kind bei der Arbeit dabei hat.
Das zweite Bild des Tages entstand nur ein paar Meter weiter. Die örtliche Dorfjugend spielt am Strand des Nicaragua-Sees und im Schatten des Volcán Maderas Baseball. Ich habe den Pänz ein bisschen zugekuckt, und festgestellt, dass ähnlich wie Fußball auch Baseball beim Spiel auf der Straße oder am Strand - was die Regeln angeht - den örtlichen Gegebenheiten angepasst wird. Das einzig doofe waren die Linedrives nach rechts (vom Batter aus gesehen) ins Wasser. Aber dann hat man im schlimmsten Fall die Mädels, die außerhalb des linken Bildrands im See schwammen, um Hilfe gebeten, damit man beim Zurückholen des Balls nicht zu nass wurde.
Morgen früh kommt mich Eric um halb acht abholen. Dann geht’s zur Dschungelwanderung am Maderas. Bin mal gespannt... der freundliche Kellner/Barkeeper hier im Hotel hat schon meine Vorbestellung für's Frühstück aufgenommen, damit ich morgen früh ein bisschen Zeit spare... So... und jetzt trinke ich noch meinen „Nica libre“, natürlich mit Flor de Caña gemixt, zu  Ende und werde heute mal was früher ins Bett gehen.

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21. April 2017

Mein letzter Tag in Nicaragua... und, Damas y Caballeros, was für ein Kracher... Ich hätte heute LOCKER vier Bilder das Tages auswählen können...
Heute ging zum letzten Mal der Wecker früh. Morgen kann ich länger schlafen, denn ich werde erst gegen elf abgeholt, um zum Flughafen gebracht zu werden. Im Moment habe ich allerdings ein bisschen Probleme mich zu konzentrieren, denn die deutsche Reisegruppe, mit der ich auch in der Ankunftsnacht das Hotel geteilt habe und die mich schon beim Frühstück am ersten Morgen genervt haben, sind auch wieder hier... und nerven... und sind – soviel habe ich aus den Gesprächen schon erfahren - auch morgen mit im Flieger, nach Panama City, nach Amsterdam und nach Düsseldorf... okay, ich denke mal auf der Langstrecke habe ich sie vom Hals, denn ich habe mir mal wieder Economy Comfort gegönnt.
Also... der heutige Tag begann, wie gesagt, mal wieder früh. Um 7:30h war ich an der Rezeption, wo mich mein Guide für heute, Edgard, und mein altbekannter Fahrer Roberto (der Erste, der mich schon in León und von León nach Granada chauffiert hatte) erwarteten. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet, und es wurde dann auch ein entsprechend lustiger Tag, weil nämlich auch Edgard super drauf und vor allem ein absolut passionierter Hobby-Ornithologe war. Eine knappe Stunde haben wir durch den morgendlichen Verkehr von Managua nach Ticuantepe, einem der südlichen Vororte der Hauptstadt gebraucht. Dort befindet sich das Reserva Silvestre Privada Montibelli, das zu einer der ersten ornithologischen Adressen hier in Nicaragua gehört. Wir sind aber nicht ganz bis hingefahren, denn Edgard meinte, dass schon die letzten 300m des Wegs dorthin  ein ertragreiches Jagdrevier wären. Waren sie natürlich. Wir hatten schon vier oder fünf neue Arten bevor wir überhaupt erst den Eingang des Schutzgebiets erreicht hatten.
Im Schutzgebiet selber kam dann zu meinem Nicaragua Adventures-Guide Edgard noch der Guide des Reservats dazu. Juan... wieder einer dieser jugendlich wirkenden Nicaraguaner, der wahrscheinlich doch schon Mitte 30 war (ich habe nicht gefragt...), und über dessen jungenhaftem Gesicht sich graue Sprenkel in die dichten schwarzen Latino-Haare mischten. Edgard stellte mir Juan mit den Worten „He's the man“ vor. Und das war er auch. Juan hatte es echt drauf, was die Vogelkunde betraf. Und es ging direkt mit einem Highlight los, mit dem ich niemals gerechnet hätte (und das es trotzdem nicht zum Bild des Tages geschafft hat... das muss man sich mal vorstellen...). Juan hatte heute morgen bei seiner Frühpirsch einen Pootoo gefunden. Das ist ein nachtaktiver Vogel, vergleichbar und verwandt mit den Nachtschwalben und Ziegenmelkern, der seine Tage damit verbringt, sich als abgestorbener Ast eines Baumes zu tarnen. Ich hätte wahrscheinlich nur ein paar Meter entfernt daran vorbei laufen können und hätte ihn nicht entdeckt, so sehr entspricht die Gefiederfärbung der Rinde der Bäume.
Von da an ging's bergauf. In den nächsten gut drei Stunden hatte ich eine der besten Vogelsafaris bisher... jemals... wir haben in diesen drei Stunden 26 Arten gesehen, die ich bis dahin noch nicht auf meiner Nicaragua-Liste hatte... und insgesamt waren es gut 40 Vogelarten. Und das alles in dem für diese Gegend typischen tropischen Trockenwald. Es muss nämlich nicht immer Dschungel sein. Und außer Vögeln gab es auch Leguane, Eichhörnchen und ein Aguti, ein für Mittel- und Südamerika typisches, hasengroßes Nagetier.
Nach gut der Hälfte der Tour fragte mich Edgard, was ich denn zum Mittagessen essen wollte, und ich sagte „Beef“ obwohl ich etwas überrascht war, dass mir diese Frage überhaupt gestellt wurde, denn laut Programm war Mittagessen nicht eingeschlossen. War es dann auch nicht, wie sich nach einem Telefonat von Edgard mit Nicaragua Adventures etwas später herausstellte, und er fragte mich, ob ich denn dann trotzdem hier essen wollte, es würde nämlich zehn Dollar kosten. „Ja klar“, hab ich gesagt, denn essen musste ich ja sowieso irgendwo, und warum dann nicht den Leuten vor Ort was zu verdienen geben. Und was soll ich sagen? Sehr richtige Entscheidung. Nicht nur, dass das Essen super geschmeckt hat und ich mit Edgard und Roberto zwei sehr lustige und unterhaltsame und darüber hinaus auch ornithologisch interessierte und sogar sehr versierte Tischgenossen hatte. Roberto spricht zwar bekanntermaßen nur gebrochenes Englisch und ist „nur“ der Fahrer, aber er hat ebenfalls Spaß an gefiedertem Getier und er hat gute Augen. Die Entscheidung, in Montibelli Mittagspause zu machen war aber auch deswegen goldrichtig, weil ich auf diese Weise dann doch noch einen Tukan, um genauer zu sein einen Halsbandarassari, vor die Linse gekriegt habe. Man siehe das erste Bild des Tages. Und nicht nur das. Während wir auf der Terrasse des rustikalen Besucherzentrums von Montibelli saßen, kamen auch noch mehrere andere Vögel zur Liste dazu. Um die Sache abzukürzen: meine persönliche magische Zahl von hundert Vogelarten pro Reise wurde geknackt.
Irgendwann mussten wir dann aber doch aufbrechen, denn es stand ja noch eine Stadtbesichtigung in Managua auf dem Plan. Edgard entsprach allem, was ich auf dieser Tour über nicaraguanische Guides gelernt hatte... er kannte sich super aus (Kunststück: er stammt aus Managua), und er war kein Freund der aktuellen Regierung und des aktuellen Präsidenten. Die erste Station auf unserer Stadterkundung war der Mercado Huembes, der zwar einerseits ein Kunstgewerbemarkt ist, aber auch eine große „normale“ Abteilung hat... mit Gemüse und Fleisch und Haushaltswaren und Kleidung und Accessoires und Fressbuden und Spielwaren und vor allem Piñatas in allen Formen, Farben, Größen, Gestalten und Variationen. Füllen muss man sie allerdings selber.
Danach ging's zur neuen Kathedrale von Managua... okay... moderne religiöse Architektur ist ja so ne Sache... Schwamm drüber.
An dieser Stelle muss ich etwas über einen der schwärzesten Tage in der Geschichte Managuas erzählen, den 23. Dezember 1972. Um 0:35 Uhr bebte hier die Erde, mit einer Stärke von zwar „nur“ 6,2 auf der Richterskala, aber mit verheerenden Folgen für die Stadt. Über 19.000 Menschen starben und die Stadt wurde dem Erdboden gleich gemacht. Sogar der Präsidentenpalast des Somoza-Clans hat das Beben nicht überstanden, genauso wenig wie das historische Stadtzentrum von Managua mit seinen vielen Art Deco-Gebäuden oder die alte Kathedrale von Managua (naja, so alt nun auch wieder nicht, denn der Bau stammt aus der Zeit nach dem vorletzten Erdbeben, das im Jahr 1931 die vorletzte Kathedrale von Managua platt gemacht hatte). Ein einziges Hochhaus hat dem Beben stand gehalten, und seit dem baut man in Managua nicht mehr gerne in die Höhe. Das sieht man auch auf dem zweiten Bild des Tages, einem Blick auf das neue (so eigentlich gar nicht geplante) Zentrum von Managua, samt dem innerstädtischen Vulkankrater. Das Bild entstand von dem Hügel aus, auf dem der alte Präsidentenpalast stand, und der heutzutage ein Park ist, und auf dem sich auch die charakteristische Silhouette von Augusto Sandino befindet, die in Nicaragua ein genauso bekanntes und verbreitetes Symbol wie die „Goldenen Bögen“ ist. Augusto Sandino ist hier in Nicaragua der größte Volksheld überhaupt, und er ist NICHT der Gründer der Sandinisten-Bewegung. Okay... jetzt wird’s kompliziert und ich werde Euch einen Exkurs in die nicaraguanische Politik ersparen.
Zurück zur Stadtbesichtigung. Von der neuen Kathedrale sind wir, vorbei am Hugo Chavez-Roundabout (siehe Tag 2) zum alten Parque Central gefahren, dem Platz vor der alten Kathedrale. Dort befinden sich auch der Präsidentenpalast und der Palacio Nacional, in dem heute das Nationalmuseum untergebracht ist. Was mich aber an dieser Stelle am meisten beeindruckt hat, das ist die Ruine der alten Kathedrale, deren Turmuhren immer noch auf 0:35 Uhr stehen, dem Zeitpunkt, als die Erde zugeschlagen hat.
Vom Parque Central ging's noch zum Ufer des Managua-Sees, und dann zum Mirador Tiscapa, wo wir noch ein bisschen Vogelbeobachtung betrieben haben und wo ich das zweite Bild des Tages gemacht habe. Und dann war es auch schon Zeit, zum Hotel zurückzufahren. Ich habe mich von Roberto und Edgard (noch ein neuer Facebook-Kontakt...) verabschiedet und lasse im Moment den Abend gemütlich mit Flor de Caña ausklingen. Morgen gibt es kein Programm mehr, aber ich werde natürlich weiter berichten und am Sonntag, so denn meine Fluggesellschaften sauber arbeiten, einen abschließenden Bericht schicken.

Ohweia... schon wieder ein Roman...

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19. April 2017

Es ist Mittwochabend, kurz vor zehn Uhr... ich hab ordentlich einen sitzen... aus den Lautsprechern in der Hotelbar tönen Reggae-Cover-Versionen von Beatles-Liedern... zum Glück in erträglicher Lautstärke... auf meinem Tisch schmelzen die Eisklümpchen in meinem „Nica libre“... Noltan, der nicaraguanische Barkeeper mit Niedlichkeitsfaktor 10, macht seine Buchhaltung... und ich versuche ein sinnvolles Logbuch zu schreiben... was nicht so einfach ist... wie kam's zu dieser Situation?
Ich war eigentlich zur Happy Hour hier in der Bar aufgeschlagen, wollte nen Drink oder zwei nehmen, was essen, mein Logbuch schreiben und ab ins Bett... soweit der Plan...
Dann saß ich hier auf dem Sofa und irgendwie bin ich mit den beiden amerikanischen Ehepaaren, Ed und Carol, sowie Alvin und Lori, ins Gespräch gekommen... naja, und dann haben wir zusammen getrunken, und dann haben wir zusammen zu Abend gegessen... und erzählt... und... es war sehr lustig und unterhaltsam... und jetzt sitze ich hier und es ist spät...
Ich weiß auch nicht. Irgendetwas ist dran an diesem Land hier, das man so leicht mit Leuten in Kontakt kommt... ich habe hier in Nicaragua mehr Leute kennengelernt (und mehr Facebook-Bekanntschaften geknüpft) als auf meinen letzten fünf Reisen zusammen...
Der Tag begann heute mal wieder früh. Der Wecker ging um 6:30h, denn ich hatte ja für sieben schon das Frühstück bestellt und um halb acht sollte Eric mich für die Dschungelwanderung abholen. Es lief auch alles wie am Schnürchen. Eric hatte den Toyota Prado super im Griff und nach ner halben Stunde Fahrt waren wir in San Ramon. Wie sich herausstellte, hatte man den Weg bis zum Beginn des Trails frisch „renoviert“, so dass wir mit dem Allradfahrzeug noch mal die Hälfte der Strecke bis zum Wasserfall zurücklegen konnten. Wie sagt doch das alte Eifeler Sprichwort? „Besser schlääch jefaare als joot jejange“. Die letzten knapp zwei Kilometer bis zum San Ramon-Wasserfall mussten wir dann aber doch laufen. Eigentlich war's keine Dschungelwanderung sondern eher ein Dschungelspaziergang. Einzig die Steigungen machten es ein bisschen anspruchsvoller... Eric entpuppte sich als guter Ornithologe und Guide, der über alles Bescheid wusste, was uns so im Dschungel über den Weg kreuchte und fleuchte. Aber er war auch, für nicaraguanische Verhältnisse - zumindest für das, was ich hier bisher erlebt hatte - ziemlich zurückhaltend. Der Wasserfall selber war jetzt nicht wirklich der Rede Wert, vor allem, weil es auf das Ende der Trockenzeit hingeht. Aber ich war ja auch nicht wegen des Wasserfalls gekommen.
Eines muss ich an dieser Stelle allerdings auch anmerken. Vorsichtigen Hochrechnungen zu Folge wird die Marke von hundert Vogelarten auf dieser Tour nicht geknackt werden. Nicht, weil Nicaragua ein vogelfeindliches Land wäre. Im Gegenteil. Man sieht echt viele Vögel. Allerdings ist die Artenvielfalt im Vergleich zu Panama doch geringer, und ich glaube ich bin auch nicht mehr zur Hauptvogelzugzeit hier, da Ostern dieses Jahr doch ziemlich spät ist.
Gegen halb zwölf waren Eric und ich wieder an der Stelle, wo der Toyota auf uns wartete, und zu diesem Zeitpunkt hatte Eric dann auch beschlossen, dass ich ein umgänglicher Tourist bin. Natürlich hat er mir „die Frage“ gestellt... natürlich habe ich ihn gefragt, wie alt er ist (34... also ungefähr sieben bis acht Jahre älter, als ich ihn geschätzt hätte), ob er verheiratet ist (ja) und ob er Kinder hat (ja klaaaar... ein Sohn von 10 und eine Tochter von 5 Jahren)... und so weiter und so fort... die Nicaraguaner erzählen einem echt alles! Ich habe ja nun schon einiges erlebt und einige Länder bereist – Nicaragua ist das 41ste Land auf meiner Liste – aber ich muss lange überlegen, um an ein Land zu denken, wo mir die Leute so freundlich und aufgeschlossen und nahbar begegnet sind, wie hier, wenn man nur ein bisschen offen für Kontakte ist (und das ist, weiß Gott, nicht wirklich meine Stärke).
Auf der Fahrt zurück zum Hotel haben Eric und ich über Gott und die Welt erzählt (ja... sein Englisch ist echt gut) und dann hieß es Abschied nehmen. Morgen wird mich nämlich ein Kollege von Eric zur Fähre bringen, denn er führt morgen früh um sechs eine Touristen-Gruppe auf den Concepción.
Den Rest des Tages habe ich einen auf gemütlich gemacht. Mittagsimbiss im Hotel... Siesta auf dem Zimmer... ein bisschen Birdwatching im Hotelgarten... ein weiterer Strandspaziergang an der Playa Santo Domingo, wie das hier heißt... und dann kam der Abend... siehe oben...
Tja... meine Zeit in Nicaragua neigt sich rapide dem Ende zu. Morgen geht’s zurück nach Managua, der letzten Station meiner Tour. Dort schließt sich der Kreis der Rundreise.
Zum Schluss noch ein paar Anmerkungen zu den Bildern des Tages. Das erste Bild entstand während des Dschungelspaziergangs und gibt nen kleinen Eindruck von der Gegend an den Hängen des Vulkans Maderas. Eric geht vorne weg. Das zweite Bild zeigt einen White-throated Magpie-Jay. Diese Verwandten von Elster und Eichelhäher findet man zwar überall in der trockenen Pazifikregion von Nicaragua, aber auf der Isla Ometepe sind sie mit die häufigsten Vögel.

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23. April 2017

Ich bin wieder in Europa... zur Zeit sitze ich in Amsterdam am Flughafen und warte drauf, dass es weiter geht... noch knapp zwei Stunden... ein ziemlich langer Zwischenstopp diesmal... aber ich hab ihn ganz gut genutzt. Mich im Mercure Hotel hier etwas frisch gemacht... den ersten Starbucks-Modekaffee der Reisesaison 2017 zu mir genommen... und jetzt kucke ich hier den Fliegern zu, whatsappe und chatte und schreibe Logbuch. Fotos habe ich bisher heute noch keine gemacht, denn mein Sitz im Flieger hatte nur Blick auf den linken Flügel und das linke Triebwerk unserer 777-200ER. Das ist einer der Nachteile von Economy Comfort-Sitzplätzen bei KLM. Aber dafür hat man deutlich mehr Platz und das ist letztendlich – vor allem auf langen Nachtflügen - das Geld und die Abstriche bei der Aussicht wert.
Nichtsdestotrotz werde ich den Logbucheintrag zu Hause zu Ende schreiben und dann mal kucken, ob sich noch auf dem Flug von Amsterdam nach D'dorf ein Foto ergeben hat, oder ob ich ein Bild aus den letzten zwei Wochen nehme.
Mit meiner Schlussbetrachtung fange ich aber trotzdem schon mal an... Nicaragua... viele Leute haben mich vorher gefragt, warum ich nach Nicaragua fahre... die Antwort ist gleichzeitig einfach und kompliziert. Ich war ja 1989, damals noch mit Oma Käte, in Mexiko und Guatemala... Guatemala war in dem Sinne meine erste Begegnung mit Mittelamerika, aber das ganze fand im Rahmen einer Gruppenreise statt. Im Herbst 2003 war ich dann so richtig in Mittelamerika, als ich durch Costa Rica gefahren bin. Zehn Jahre später kam meine absolut fantastische Tour durch Panama... und irgendwie war Nicaragua jetzt einfach als nächstes dran. Aber was ich in den beiden vergangenen Wochen gelernt habe, das ist dass man die Länder Mittelamerikas nur begrenzt miteinander vergleichen kann.
Nicaragua ist das größte Land Mittelamerikas, und es ist sehr vielfältig. Wer mein Reiselogbuch hier verfolgt hat, der hat schon gemerkt, dass man nicht mal innerhalb Nicaraguas die verschiedenen Gegenden miteinander vergleichen kann. Der Südosten in Richtung Karibik fühlt sich eigentlich schon fast wie ein anderes Land an, im Vergleich zum Westen und Nordwesten. Ich war nicht mit der Erwartung nach Nicaragua gefahren, die Erfahrungen von Costa Rica und Panama zu wiederholen oder zu toppen. Das würde allen drei Ländern nicht gerecht, und die Ausgangsbedingungen (Reisezeit, Reiseform etc.) lassen auch keinen direkten Vergleich zu. Eines ist aber sicher: mein Faible für Mittelamerika hat sich durch die vergangenen zwei Wochen noch deutlich gesteigert. Nicaragua ist soooooo schön... und das in vieler Hinsicht.
Interessanterweise stehen für mich die Leute an erster Stelle, wenn ich über die Vorzüge Nicaraguas erzählen soll... was ungewöhnlich ist, denn auf Reisen bin ich ja nicht unbedingt auf Kontakte aus und bin eher in Sachen Vögel, Tiere, Natur, Landschaft, Flugzeuge und meiner anderen Interessen unterwegs. Aber die Nicaraguaner haben echt mein Herz erobert... noch mehr sogar als die Laoten vor einem Jahr. Ich bin in Nicaragua nur freundlichen, aufgeschlossenen und interessierten Menschen begegnet. Die Nicaraguaner lieben es, zu erzählen, und schon ein paar Brocken Spanisch öffnen einem hier viele Türen. Und mit den paar Brocken Spanisch, die ich habe, haben die  Nicaraguaner sehr geduldig und großzügig gearbeitet.
Darüber hinaus bietet Nicaragua natürlich auch all das, was ich auf meinen Reisen suche: Natur- und Landschaftserlebnisse. 111 Vogelarten sind die abschließende Ausbeute, und das ist für zwei Wochen recht beachtlich, nicht zuletzt, weil nämlich die Haupt-Vogelzugzeit vorbei ist. Wenn ich zwei bis drei Wochen früher gekommen wäre, dann hätte ich wahrscheinlich noch deutlich mehr gesehen.

Die folgenden letzten Zeilen schreibe ich von zu Hause aus...

Auch was mein Faible für Vulkane angeht, bin ich voll auf meine Kosten gekommen. So hautnah wie hier war ich bisher nur sehr selten mit dem Inneren der Erde in Kontakt. Deshalb habe ich mich auch entschlossen, getreu dem Motto „Vögel und Vulkane“ die beiden Bilder des Tages aus den letzten beiden Wochen auszusuchen, und nicht ein paar Wolken am Himmel über den Niederlanden nach dem Start in Amsterdam zu schicken.  Auf dem ersten Bild seht Ihr einen Grünrückenreiher, der mir am Rio Papaturro (Tag 3) vor die Linse gekommen ist. Das zweite Bild zeigt den San Cristóbal, den Hausberg von Chichigalpa, der in stilisierter Form das Logo von Flor de Caña, und auch das Etikett von Cerveza Toña, meiner bevorzugten nicaraguanischen Biermarke aus dem gleichen Firmenimperium wie der Rum, ziert. Der San Cristóbal ist mit 1745m der höchste Vulkan Nicaraguas und immer noch aktiv.
Fazit also: Nach Nicaragua zu fahren war eine grandios richtige Entscheidung. Alle Daumen hoch. Ich hoffe Ihr hattet Spaß, virtuell mit dabei zu sein.

P.S. An dieser Stelle noch ein herzliches Dankeschön an das gesamte Team von Nicaragua Adventures, alle Fahrer und Guides, und vor allem an Michael Hernandez, der die Tour für mich geplant hat :-)

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