19. April 2022

Heute war ein geruhsamer Tag. Der Golf hatte komplett frei. Auf dem Programm stand ein Besuch des Cumberland Island National Seahore. Ich hatte ja gestern schon etwas über die Barriereinseln erzählt. Cumberland Island ist die südlichste noch zu Georgia gehörige Barriereinsel. Die Insel war über viele Jahre im Privatbesitz der Carnegie-Familie, die Ende des 19. Jahrhunderts ein großes Herrenhaus mit allem Zipp und Zapp und den dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden auf der Insel errichten ließ. Heutzutage kann man immer noch die Ruinen besichtigen.
Mein Wecker ging heute morgen um zwanzig nach sieben. Entspannter zwar als gestern, aber immer noch ziemlich unferienmäßig früh. Das Boot nach Cumberland Island sollte um 9 Uhr starten und in den Unterlagen, die ich vom National Park Service bei der Fährbuchung bekommen hatte, stand, dass man sich eine Stunde vorher einchecken müsste. Praktischerweise befindet sich die Anlegestelle und das Büro des NPS direkt gegenüber vom Hotel. Ich war also um kurz vor acht zur Stelle.
Es war ein strahlender Morgen. Wunderbares Licht, eine leichte Brise… aber kalt… Nach dem Einchecken für die Fähre bin ich zurück ins Hotel gegangen und habe dort erstmal gefrühstückt. Um viertel vor neun bin ich dann wieder zum Anleger. Ein Ranger hat uns einen kurzen Einführungsvortrag gehalten und dann ging’s aufs Boot. Ich würde mal schätzen, dass außer mir noch ungefähr 50 andere Leute an Bord waren. Sehr gemischtes Publikum, von jungen Familien bis hin zu Senioren mit E-Bikes. Auf Cumberland Island gibt es keinen Autoverkehr, aber man kann Fahrrad oder E-Bike fahren. Dazu kann man sein eigenes Bike mit der Fähre mit rüber nehmen oder sich eins mieten.
Die Fahrt mit der Fähre von St. Marys nach Cumberland Island dauert rund 45 Minuten. Es war ein wunderbarer Morgen auf dem Fluss, aber der Wind pfiff schon ziemlich, so dass ich mich nach ner Viertelstunde vom Oberdeck runter in den Windschatten auf der Leeseite des Schiffs gesetzt habe. Schließlich sollte der Pipps nicht wiederkehren.
Mein Hauptinteresse an Cumberland Island war die Vogelbeobachtung. Dazu habe ich die vom NPS vorgeschlagenen Rundwanderung im südlichen Teil von Cumberland Island gemacht. Die Strecke ist 6,9km lang. Davon führen 2,4km über den Strand an der Atlantikseite der Insel. Ich habe die Strecke grob auf der angehängten Karte markiert, damit Ihr Euch das alles ein bisschen besser vorstellen könnt.
Meine Rückfahrt zum Festland war für 14:45 gebucht, so dass ich fünf Stunden Zeit auf der Insel hatte. Ich bin die knapp sieben Kilometer Wanderung eher als Spaziergang angegangen und zwischendurch gab es auch Zeit für umfangreiches Fotografieren und Vögel beobachten. Besonders cool waren die Sanderlinge, die am Atlantikstrand nach Nahrung suchten. Sanderlinge sind kleine Strandläufer, also Watvögel, ein bisschen kleiner als eine Amsel. Sie suchen ihre Nahrung am Strand im Spülsaum, was dazu führt, dass sie, wenn ihnen eine Welle zu nahe kommt, flink vor dem Wasser weglaufen. Und das auch noch gruppenweise. Ich habe das zum ersten Mal im Herbst 2006 in Andalusien gesehen und konnte das Futtersuchverhalten der Sanderlinge mit seiner von den Wellen abhängigen Choreographie auch heute wieder ausführlich beobachten. Bilder der Tages hatte ich da auch schon mehrere, aber der Tag war ja noch jung.
Am Ende des Strandspaziergangs führte die Route wieder in das Innere von Cumberland Island hinein, zuerst durch die Dünen, dann durch den Buschwald, dann vorbei am Marschland zu den Ruinen von Dungeness, dem ehemaligen Anwesen der Carnegies.
An der südlichen Anlegestelle habe ich ein bisschen Päuschen gemacht um dann gemütlich den letzten Teil des Weges, der fast am Ufer des Cumberland Sound entlang durch den Wald verläuft, anzugehen. Ich hatte gerade erst ein paar Meter hinter mir, als sich im Gras was bewegte. Zuerst dachte ich „ein Karnickel“, aber als das Tier sich etwas ins Freie bewegt hatte, wurde mir klar: das ist ein Gürteltier. Das erste lebende Gürteltier, dass ich je gesehen habe. Sonst sieht man sie hier in den USA nur totgefahren am Straßenrand. Ich war schon gespannt, wie die Beobachtung weiter verlaufen würde, aber unvermittelt nahm das Gürteltier Fahrt auf und verschwand in flottem Gürteltiergalopp unter der Rangerstation. Schade. Aus der anderen Richtung waren Spaziergänger gekommen und hatten das Gürteltier aufgeschreckt.
Auf Englisch heißen die Tiere übrigens genau wie im Spanischen „armadillo“, was ‚kleiner Gepanzerter‘ bedeutet. Finde ich sehr niedlich. Gürteltiere gibt es in etlichen Arten im tropischen Mittel- und Südamerika. In den USA ist das Neunbinden-Gürteltier die einzige vorkommende Art. Auf jeden Fall war nach dieser Begegnung für mich klar, was das Bild des Tages sein würde. Der ‚armadillo‘ im gestreckten Galopp.
Trotz meines gemütlichen Spaziertempos war ich fast ne Dreiviertelstunde zu früh am Anleger. Die Zeit dort habe ich dann mit Vogelbeobachtung verbracht. Am Ende meines Besuchs auf Cumberland Island hatte ich 30 verschiedene Arten auf meiner Tagesliste, dabei zwei, die ich bisher noch nie gesehen hatte. Plus den Armadillo, einen Waschbären und einen Weißwedelhirsch… Die verwilderten Pferde, die Cumberland Island bevölkern, zähle ich gar nicht.
Für die Rückfahrt hatte ich allerbestes Kaiserwetter. Sonne und warm… Da konnte ich gemütlich am Oberdeck sitzen und den Blick auf die Landschaft hier genießen. Im Hotel habe ich dann eine etwas späte Siesta gemacht.
Abendessen gab es wieder hier im zum Hotel gehörenden Restaurant. Das Logbuch habe ich allerdings dieses mal nicht im Saloon geschrieben. Zum einen musste ich den verbleibenden Rotwein killen, zum anderen ist heute im Saloon Live-Musik. Die höre ich zwar auch bei mir im Zimmer (in angenehmer Lautstärke und gar nicht schlecht), aber im Saloon wäre ich wahrscheinlich weniger zum schreiben gekommen.
Morgen geht es zurück nach Atlanta, mit Programm und Shopping unterwegs. Abends bin ich dann bei Leticia.



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