16. Juli 2016

Tag Eins in den Everglades... leider ohne Alligatoren.
Ich habe den Jetlag noch nicht richtig überwunden und war heute morgen schon um kurz nach sechs wach, aber bin dann zum Glück auch noch mal eingeschlafen. Nach einem ultra-kurzen Frühstück im Hotel – es war rappelvoll im Frühstücksraum – bin ich schon gegen zwanzig vor neun hier in Florida City aufgebrochen. Beim Starbuck's noch einen kleinen Pick-me-up gekauft und dann ging's in den Everglades Nationalpark.
Die Everglades sind eine tropische Wildnis (die größte in den USA) und bilden praktisch den kompletten Süden der Halbinsel Florida südlich vom Lake Okechobee. Leider ist vieles von diesem Gebiet inzwischen durch menschliche Besiedelung, besonders den Großraum Miami, und durch landwirtschaftliche Nutzung, zerstört. Der Everglades Nationalpark dient dem Schutz der verbleibenden ca. 6000km² Wildnis, das sind ca. 20% der Original-Fläche von 1492. Wenn man es ganz genau nimmt, dann sind die Everglades eigentlich ein Fluss. Das Wasser, das aus dem Lake Okechobee rausfließt, ergießt sich auf einer Breite von dutzenden von Kilometern südlich in Richtung Meer. Die Fließgeschwindigkeit beträgt nur 400m pro Tag, und wenn man so durch den Park fährt, dann nimmt man das ganze Wasser erst mal überhaupt nicht wahr. Das sieht alles wie eine Prärie-Fläche aus. Erst wenn man aussteigt, dann erkennt man, dass das Gras aus dem Wasser hoch wächst. Kleine Inselchen, Hammocks genannt, ragen oft nur ein bis zwei Fuß über den normalen Wasserspiegel. Hier wachsen dann Bäume und hier leben auch die größeren Tiere, wie Weißwedelhirsche, und auch schon mal ein Puma oder Schwarzbär. Die Everglades sind also kein Dschungel. Das kann man auf dem ersten Bild des Tages schön erkennen. Leider eignet sich die Landschaft hier total schlecht zum Fotografieren. Es ist halt alles flach. Ab und zu steht an der Straße, die hier im Osten in den Park hineinführt, schon mal ein Schild mit ner Höhenangabe. Das höchste, was mir heute begegnet ist, waren 2,4m über dem Meeresspiegel.
Nach der Einfahrt in den Park bin ich zuerst zum Royal Palm Visitor Center gefahren. Hier hatte ich vor zehn Jahren ziemliches Glück mit Alligatoren, aber leider war der Boardwalk, der sich hier durch die Sümpfe windet, wegen Reparatur-Arbeiten bis auf weiteres geschlossen. Ornithologisch war das Glück auch nicht wirklich auf meiner Seite, denn es war heute morgen ziemlich windig, und das ist immer schlecht zur Vogelbeobachtung. Am Ende bin ich aber doch auf meine Kosten gekommen: weiße Pelikane, braune Pelikane, Truthahn- und Rabengeier, Fischadler und andere Greifvögel, Spechte, Tyrannen, Schlangenhalsvögel, Ibisse und Reiher... alles in allem schon nicht schlecht.
Gegen Mittag war ich am Flamingo Point (wo es interessanterweise trotz des Namens keine Flamingos gibt). Dort habe ich für zwei Uhr eine Bootstour durch die Mangroven gebucht. Der Süden der Everglades ist nämlich ein ausgedehntes Mangrovengebiet, der größte zusammenhängende Mangrovenwald der westlichen Hemisphäre. Aber natürlich ist auch dieser durch natürliche (und auch einige künstliche) Kanäle und Seen zergliedert, und genau da fährt man dann mit dem Touri-Boot her.
Die Zeit bis zum Beginn der Bootstour habe ich an der Bootsanlegestelle, wo es auch einen kleinen Laden gibt, mit Mittagspicknick verbracht. Es kam natürlich auch der hier in Südflorida übliche Regenschauer vorbei und siehe da, im Wasser des Bootshafens erschien die Hauptattraktion des südlichen Teils der Everglades: Spitzkrokodile. Spitzkrokodile gibt es im gesamten karibischen Raum und im Norden von Südamerika. Sie sind mir schon in Costa Rica, Panama und vor zehn Jahren auch (in Form eines einzelnen, recht schlecht zu fotografierenden Exemplars) in Florida begegnet. Die Everglades markieren die nördliche Grenze des Verbreitungsgebiets des Spitz- oder auch Amerikanischen Krokodils, so, wie die Everglades die südliche Grenze des Lebensraums des Mississippi-Alligators sind. Sowohl Alligatoren als auch Krokodile gehören zu den Panzerechsen, aber es gibt da doch ein paar wichtige Unterschiede. Besonders bedeutsam ist in den Everglades, dass Alligatoren Salz- oder Brackwasser nicht gut vertragen. Im Gegensatz zu den Krokodilen können die Nieren von Alligatoren das Salz nicht selbstständig ausscheiden und deshalb müssen Alligatoren nach 10 bis 14 Tagen im Salz- oder Brackwasser in ein Süßgewässer wandern. Deshalb sieht man Alligatoren im Süden der Everglades auch eher sporadisch. Krokodilen, inklusive dem Spitzkrokodil, macht Salzwasser dagegen nix aus. Tja, Ihr seht's auf dem zweiten Bild des Tages: ein kapitales Spitzkrokodil. Und ich bin jetzt nicht traurig, dass es heute noch keine Alligatoren gab. Zu einer Begegnung mit einem Alligator werde ich im Laufe der Tour bestimmt noch Gelegenheit haben. Für Spitzkrokodile war das aber heute die beste Gelegenheit.
Der eigentliche Hammer heute war aber meine erste Begegnung mit einem wilden Hai, also einem nicht in einem Aquarium ausgestellten. Das ganze dauerte nur eine Sekunde und für ein Foto blieb keinerlei Zeit. Der Captain des Tourbootes hatte schon ein bisschen was zu Haien im Mangroven-Gebiet der südlichen Everglades erzählt, und dann haben wir wirklich einen jungen Blacktip Shark (Carcharhinus limbatus) in einem der Kanäle gesehen. Groß war er nicht, vielleicht nen knappen halben Meter. Aber der Captain berichtete, dass er vor ein paar Tagen auf einer der Touren einen anderthalb Meter langen Grundhai (Carcharhinus leucas) getroffen hat. Da will man dann wirklich nicht mehr die Hände ins Wasser halten.
Auf dem Nachhauseweg habe ich noch an der einen oder anderen Stelle im Park angehalten und bin ein bisschen auf den Trails unterwegs gewesen, aber der Höhepunkt waren eindeutig die Krokodile... und die grade flügge werdenden Fischadler direkt neben dem Parkplatz am Bootsanleger. Ihr seht -  an Bildern des Tages hatte ich heute echt Auswahl.
Morgen früh gibt es einen kurzen Abstecher zurück in die Zivilisation. In South Miami, wo ich gestern schon vorbeigekommen bin, gibt’s ne Mall, wo ich ein bisschen meine Einkaufsliste abarbeiten werde. Aber danach geht es wieder zurück in die Wildnis.

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