3. August 2019

Und schon wieder… ein perfekter Tag… Ich war am Arktischen Ozean. Der Grund, warum ich überhaupt hier oben in Inuvik bin. Um 12 Uhr sollte die Tour nach Tuktoyaktuk, hier von allen nur kurz Tuk genannt, starten. Startpunkt war direkt hier um die Ecke von meinem Quartier. Mit von der Partie waren auch Tim und Lorraine, mit denen ich gestern schon im Shuttle zusammen gesessen hatte. Unser Fahrer und Guide für die erste Etappe der Tour, die rund 150km Autofahrt von Inuvik nach Tuk, war Kylik, der Chef von Tundra North Tours. Der eigentlich eingeplante Driver-Guide war krank geworden und so hatten wir den Boss selbst am Steuer. Kylik ist Anfang dreißig, in Ontario aufgewachsen, aber zur Hälfte Inuvialuit und zur anderen Hälfte Gwich‘in. Die Inuvialuit sind die in den Nordwest Territories lebenden Inuit und die Gwich‘in sind die First Nation, die ihr Stammesgebiet in der Gegend von Inuvik und weiter südlich hat. (First Nation nennt man in Kanada die Indianer.)
Kylik kann super erzählen, und auf den rund drei Stunden Fahrt bin ich viel gewahr geworden. Zum einen hat er viele persönliche Sachen erzählt, von seiner Kindheit in Ontario; wie‘s war, mit 16 nach Inuvik zu ziehen; seine ersten Jobs; wie er lebt mit Freundin und Kindern und Hund; wie das mit dem Tourismusgeschäft hier in Inuvik läuft und wie es ist hier selbstständig zu sein. Aber er hat auch über das Leben der Mensch hier erzählt, wie er jagen und fischen geht, dass seine Familie jedes Jahr zwei Beluga-Wale erlegen darf, wie man Rentiere jagt, wie man hier mit dem Motorschlitten durch die Tundra unterwegs ist, wie man Löcher in den Permafrost-Boden gräbt um einen zusätzlichen Gefrierschrank zu haben, dass man sich besser nicht mit nem Vielfraß anlegt… Lustig wurde es vor allem dann, wenn seine zehnjährige Tochter, die samt Hund auch mit uns unterwegs war, die ein oder andere Geschichte ihres Vaters dann aus ihrer Sicht noch mal erzählte… Es waren auf jeden Fall sehr kurzweilige drei Stunden Fahrt auf dem neuen Inuvik-Tuktoyaktuk-Highway. Diese Schotterstraße wurde 2017 eröffnet und damit ist Tuk die einzige Gemeinde an der kanadischen Küste des Arktischen Ozeans mit Straßenanschluss an den Rest der Nation. Bis 2017 wurde sämtlicher Transport von Inuvik nach Tuk auf dem Mackenzie River oder per Flugzeug erledigt, und im Winter über die Eisstraße, die über den zugefrorenen Fluss führte.
Unterwegs haben wir kurz Pause gemacht und ein paar Beeren in der Tundra gesucht. Einziger Wermutstropfen war, dass es geregnet hat. Im Regen sind wir auch in Tuk angekommen und dort hat uns Kylik an unseren Guide für den Rest des Tages übergeben, Noel.
Noel ist Inuvialuit, in Tuk und Inuvik aufgewachsen und ein ehemaliger Schulkamerad von Kylik. Noel hat mit uns zuerst eine kleine Tour durch den Ort gemacht, während Kylik, seine Tochter, die sehr stille Praktikantin (die uns auch von Inuvik begleitet hatte) und Lulu, der Hund, wieder nach Inuvik zurückfuhren.
In Tuk sind wir zuerst zur Hauptattraktion gefahren, dem Arktischen Ozean. Sieht man im ersten Bild des Tages. Zum Nordpol geht es über den Punkt, der etwa ein Drittel vom rechten Bildrand entfernt am Horizont liegt. Ein bisschen links von dem weißen Schild ist Norden.
Der Regen war inzwischen in ein leichtes Fiseln übergegangen. Wir haben ein paar Fotos gemacht und ich habe meine Finger in den Arktischen Ozean gehalten. Für die Füße war es echt zu kalt. Über dem Meer lag zu diesem Zeitpunkt Nebel, aber während der weiteren Ortsbesichtigung hörte es dann auf zu regnen und der Nebel lichtete sich. Tuk ist übrigens eine kleine Version von Inuvik ohne Bäume.
Dann ging‘s auf‘s Boot. Klein, aber mit umschlossener Kabine, so dass Regen und Fahrtwind uns nicht zusetzen konnten. Das Boot war auch nicht das neueste Baujahr, aber trotzdem mit modernster Technik ausgestattet, GPS, Tiefenmesser, Wassertemperaturanzeige und GPS-Tachometer.
Den ungefähren Verlauf der Bootstour, die so gegen viertel vor sechs heute Abend begann, was man aber dem Stand der Sonne nicht entnehmen konnte, könnt Ihr auf der Karte nachvollziehen. Viereinhalb Stunden sind wir unterwegs gewesen, mit zwei Landgängen und einigen kleinen Pausen, bei denen Noel uns was erklärt und erzählt hat. Die erste dreiviertel Stunde ging‘s über den Arktischen Ozean, der heute sehr ruhig war, und sich unter den sich lichtenden Wolken immer schöner präsentierte. Dann hatten wir die Mündung des Mackenzie erreicht.
Der Mackenzie ist ein Wahnsinnsfluss. Auf der Karte könnt Ihr sehen, dass wir heute nur einen kleinen Teil, den östlichen Kanal befahren haben. Das Mackenzie-Delta ist nämlich riesig. Immerhin ist der Mackenzie nach dem Mississippi der zweitgrößte Fluss Nordamerikas. Allerdings ist er nicht besonders tief. Auf der gesamten Strecke, war das Wasser selten tiefer als drei Meter (wofür so ein Tiefenmesser im Bordcomputer gut sein kann… *lach…)
Beim ersten Landgang haben wir ein bisschen die Tundra erkundet. Es ist echt genau so, wie man es sich vorstellt. Flach wachsende Pflanzen, weich nachgebender Boden, und um diese Jahreszeit hängt alles voller Beeren. Beim zweiten Landgang sind wir auf das Steilufer hoch geklettert. Von dort oben hatte man einen fantastischen Blick über das Delta und bis rüber zu den Bergen im Yukon-Territorium. Das kann ich natürlich hier nur in einem kleinen Ausschnitt zeigen, aber als Rundum-Erlebnis ist es ein echter Hammer, erst recht,wenn auch noch die Sonne rauskommt.
Das Wasser des Mackenzie ist übrigens recht warm. Fast 17 Grad zeigte unser Bordcomputer. Noel hat uns erklärt, dass das an dem ganzen Schwemmmaterial liegt, dass der Fluss mit sich führt, und dass das Sonnenlicht auffängt.
Auch ornithologisch bin ich heute ziemlich auf meine Kosten gekommen. Meine persönlichen Neuzugänge waren Gerfalke und Eismöwe. Außerdem gab es einige Neuzugänge zu meiner Nordamerika-Liste. Große Tiere haben wir aber keine gesehen. Kylik hat uns auf der Hinfahrt erzählt, dass das eigentlich ne Wüste ist und dass im Prinzip alles von den Karibu-Herden abhängt. Wenn die Rentiere da sind, dann ist überall Leben, denn in deren Gefolge sind auch Wölfe und Bären unterwegs. Wenn es gerade keine Rentiere in der Gegend gibt, dann sind außer ein paar Lemmingen und vielleicht nem Schneefuchs hier keine Tiere.
Um viertel nach zehn heute abend waren wir wieder in Inuvik. Im Hotel waren Küche und Bar schon zu, und so bin ich die Straße runter in einem kleinen Restaurant essen gewesen.
Tja, und dann habe ich was getan, was ich bisher sehr, sehr selten getan habe, nämlich spontan meine Reisepläne geändert. Nachdem ich die Tour zum Arktischen Ozean heute gemacht habe, ist in Inuvik außer spazieren gehen nicht mehr wirklich viel zu tun, und nen Stadtrundgang hatte ich ja gestern schon. Ich habe mich also mit Canadian North in Verbindung gesetzt um zu kucken, ob ich nicht morgen schon nach Edmonton fliegen kann. Und voilà, es ging. Ich werde mich also morgen am frühen Nachmittag schon von Inuvik verabschieden und habe dann statt zwei Nächte und einen Tag in Edmonton, drei Nächte und zwei Tage in der Hauptstadt von Alberta. So habe ich auch ein bisschen mehr Ruhe zwischen Spotten und den letzten Einkäufen mir was anzusehen.

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