12. Juli 2022
Das erste, was ich heute morgen gemacht habe nachdem mich mein Handy um 5:00 Uhr aus dem Schlaf riss, war aus dem Fenster zu kucken. Strahlend blauer Himmel über Honningsvåg und dem Rest von Magerøya. Es konnte geflogen werden. Um halb sechs kam das Taxi um uns zum Flugplatz zu fahren. Uns, das waren mein gestern Abend ebenfalls gestrandeter Mitreisender und mich. Im Gegensatz zu gestern Abend war echt viel los am Flugplatz. Insgesamt 15 Leute wollten mit nach Hammerfest. Verständlich, denn der Flieger ging von Hammerfest aus ohne weiteren Zwischenstopp nach Tromsø, was - auch wenn es die Leute aus Hammerfest vielleicht nicht gerne hören – wenn man ehrlich ist die wirklich letzte Stadt (!) vor dem Nordpol ist.
Tja, ich hatte ja gestern Abend geschrieben, dass mich die Widerøe auf den Bummelflieger umgebucht hat. Nen Bummelzug kennt ja jeder, aber die Sache mit dem Bummelflieger muss ich vielleicht kurz erklären. Die vielen kleinen Dörfer hier oben, die fast alle einen Flugplatz haben, mit Direktverbindungen anzufliegen lohnt sich natürlich nicht. Und so bummelt der Flieger halt über Land und landet an jeder Milchkanne.
Nach der Landung in Hammerfest konnten wir fast sofort mit dem nächsten Flieger weiter. Widerøe Flug WF970 kam aus Tromsø, und sollte von Hammerfest weiterfliegen nach Berlevåg, Båtsfjord, Vardø, Vadsø und schließlich nach Kirkenes. Ich habe Euch mal ne Karte mit den einzelnen Stationen des heutigen Tages angehängt. Da könnt Ihr die Reihenfolge ein bisschen nachvollziehen. Unsere Maschine für den Bummelflug war die Bombardier Dash 8-100 mit der Registrierung LN-WIB, und nachdem ich auf dieser Reise schon Schiffe und Züge im Reiselogbuch hatte, hat sie sich heute das Bild des Tages redlich verdient.
Der erste Flug lief nicht nach Plan. Der geplante Stopp in Berlevåg fiel aus, wegen – Ihr könnt es erraten – Nebel am Zielort. Wir sind also, sogar ohne Landeversuch, direkt weiter nach Båtsfjord geflogen, wo wir in strahlendem Sonnenschein gelandet sind. Das Wetter hier in Nordnorwegen ist eben unberechenbar. Doof halt für den einen Passagier, der eigentlich in Berlevåg aussteigen wollte. Der ging halt jetzt auch in Båtsfjord von Bord. Ich gehe mal davon aus, dass die Widerøe sich ausreichend um ihn gekümmert hat. Die haben ja Erfahrung mit sowas.
Ich bin übrigens heute nicht ins Cockpit eingeladen worden. Das war aber auch okay. So konnte ich während der Flüge die grandiose nordnorwegische Landschaft von oben bewundern und fotografieren. In Båtsfjord hatten wir einen längeren Aufenthalt, denn dadurch, dass der vorherige Stopp ausgefallen war, waren wir viel zu früh da. Während der Pause kam der Erste Offizier zu mir in die Kabine und wir haben ein bisschen geklaaft. Auf Deutsch. Er stammt nämlich aus Schwäbisch Gemünd und ist bis vor rund zehn Jahren für die Lufthansa geflogen, bevor es ihn der Liebe wegen nach Norwegen verschlug.
Die folgenden Flüge waren alle nur rund 15 Minuten lang. Der letzte Flug, von Vadsø nach Kirkenes hat sogar nur 12 Minuten gedauert. Schon krass wenn man bedenkt, dass man mit dem Auto mindestens zweieinhalb Stunden braucht. Damit hat mein Flugabenteuer Nordnorwegen auch seinen Abschluss gefunden. Nach insgesamt 12 Flügen (11 auf dieser Tour und einer aus dem letzten Jahr) ist Widerøe damit aktuell auf Platz 8 meiner am meisten genutzten Fluggesellschaften.
In Kirkenes habe ich dann mal wieder gemerkt, wie sich doch auch aus Problemen was Praktisches ergeben kann. Dadurch, dass ich jetzt erst um kurz vor 10 hier ankam, brauchte ich weder einen Taxi-Transfer in die Stadt (der mich letzte Nacht sonst locker 50 Euro gekostet hätte), und ich musste auch keine besondere Übergabe für den Mietwagen vereinbaren. Ich habe einfach am Schalter von Hertz die Schlüssel für meinen Suzuki Swift bekommen.
Kirkenes (gesprochen: Tchirkenes) ist die letzte Stadt vor dem Nirgendwo. Schon auf dem Parkplatz vom Flughafen laufen die Rentiere rum. Auch Kirkenes ist wie die anderen norwegischen Städte hier im Norden nicht schön. Aber ich könnte jetzt auch nicht sagen, dass es mir schlecht gefällt.
Um den Suzuki kennenzulernen habe ich direkt vom Flughafen aus einen Ausflug gemacht, zum 96-hoyden-Aussichtsturm. Im Kalten Krieg wurde von hier aus die Sowjetunion beobachtet, und was soll man sagen? 32 Jahre später sind wir nicht viel weiter. Wobei der Turm heute nicht mehr militärisch genutzt wird, sondern als Aussichtsturm für Touristen dient. Die Grenze zu Russland verläuft über weite Strecken durch Seen und Flüsse. Insgesamt war es also weniger spektakulär als ich erwartet hatte. Dafür habe ich mich noch sehr nett mit einem jungen Paar aus Troisdorf unterhalten, die mit ihrem Bully mit SU-Kennzeichen auf den Parkplatz am Aussichtsturm fuhren. Ich muss allerdings sagen, dass es hier echt deutlich weniger Touristen gibt. Ich vermute mal, dass viele bis zum Nordkap fahren und dann den Heimweg antreten.
Anschließend bin ich ins Hotel gefahren, wo ich eine späte Mittagspause gemacht und Videos von den Speicherkarten der Action-Kamera auf meine externe Festplatte gezogen habe. Das ist ein bisschen langwierig, weil mein Laptop für solche Datenmengen ein bisschen schwach auf der Brust ist. Was soll ich sagen? Ich bin darüber doch glatt eingepennt. Durchaus verzeihlich, wenn man bedenkt, dass ich erst um halb zwölf gestern abend im Hotel war und die Nacht um fünf schon wieder zu Ende.
Am späten Nachmittag habe ich noch einen kurzen Ausflug zur norwegisch-russischen Grenzstation an der E105 gemacht. Die Straße führt von Kirkenes nach Murmansk. Nix los vor Ort. Keine norwegischen Grenzer zu sehen und erst recht keine russischen, denn deren Station ist ein paar hundert Meter weiter. Man konnte nicht mal hinfahren bis zur norwegischen Grenzstation, denn die Straße ist mit einem Tor versperrt, und ein großes Schild weist in mehreren Sprachen darauf hin, dass man jetzt den Schengen-Raum verlässt.
Zum Abschluss des Tages gab es ein sehr gutes Abendessen in einem der echt wenigen Restaurants hier in Kirkenes. Pasta mit Rentierfleischsauce. Sehr lecker. Und außerdem war es das erste Lokal auf dieser Tour, wo der halbe Liter Mack-Bier weniger als 100 Kronen gekostet hat.
Morgen geht es schon wieder weiter, aber gemütlich und ohne Stress. Ich habe den Wecker auf viertel vor neun gestellt.
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