9. Juli 2022... tags...

Ich hatte mir den Wecker auf halb elf gestellt, denn ich wollte ja nicht den ganzen Tag verpennen. Außerdem musste ich noch etwas klären mit Nordkapp Bilservice. Das ist die Autovermietung, bei der ich für die kommenden drei Tage einen fahrbaren Untersatz gebucht hatte, und die natürlich gestern abend vergeblich am Flughafen in Honningsvåg gestanden hatten. Heute morgen hatte ich kurz vor dem Einschlafen noch die E-Mail des Autovermieters von gestern abend gelesen, und zurückgeschrieben, dass ich, wenn möglich, zwischen elf und zwölf heute den Wagen übernehmen wollte.
Als ich um 10:30h von meinem Handy aus dem Schlaf gerissen wurde, hätte ich mich am liebsten nochmal umgedreht. Aber ich hab mich dann doch aus dem Bett und unter die Dusche gequält. Die Antwort von Nordkapp Bilservice gab mir nen Termin für 12:00 Uhr und praktischerweise liegt deren Büro auch direkt hier neben meinem Hotel. Geplant war das nicht, aber es hat heute natürlich sehr geholfen.
Als ich nach dem Wecken aus dem Fenster meines Zimmer sah, – ich habe übrigens nen sehr schönen Blick auf die Hafeneinfahrt von Honningsvåg – konnte ich es kaum glauben. Weiß-blauer Himmel, Sonnenschein, ein leichter Wind. Keine Spur von den tiefen Wolken von gestern Abend oder dem grau-in-grau bei unserer Schiffsankunft heute morgen. Damit stand auch das Programm für heute fest. Nordkap.
Ich habe die Tour so geplant, dass ich an den neuralgischen Punkten auch mal einen Tag schlechtes Wetter aussitzen und das Programm trotzdem durchziehen kann. Das betraf den Aufenthalt zum Whalewatching in Andenes und den Stopp hier in Honningsvåg für den Besuch am Nordkap. In Andenes war es, wie Ihr wisst, echt hilfreich, den extra Tag zu haben. Hier auf Magerøya hat das Wetter direkt am ersten Tag mitgespielt. Magerøya ist der Name der Insel auf der sowohl Honningsvåg als auch das Nordkap liegen.
Nordkapp Bilservice hat mir einen silbernen Jeep Patriot vermietet. Ziemlicher automobilistischer Overkill, aber es gibt nur diese eine Autovermietung hier und man muss nehmen was man kriegen kann. Schließlich kommen die meisten Leute schon per Auto hierher, und die Leute, die fliegen oder mit dem Schiff ankommen, werden von Verwandten und Freunden am Postschiffkai oder Flugplatz abgeholt.
Der Jeep ist ne lahme Gurke, und auch schon etwas älter, aber es ist halt nicht Hertz oder Avis, mit denen ich hier zu tun habe. Immerhin, das Auto war sauber, gut gepflegt, und ein paar Roststellen sind mir eh egal. Drei Tage muss er halten und so schrecklich viele Kilometer werden wir nicht zusammen machen. Wobei ich schon heute das ein oder andere Mal an meinen spritzigen Mazda der vergangenen Woche gedacht habe.
Das Nordkap. Ich hatte schon sehr viele Geschichten gehört und war heute mit einigen Vorbehalten unterwegs. Sehr touristisch. Überlaufen. Abzocke. Total der Rummel. Überbewertet. Invasion der Kreuzfahrttouristen. Alles das hatte ich im Kopf, als ich mich auf den Weg gemacht habe. Von Honningsvåg aus sind es 35km, mit nem kleinen Stopp am Flughafen, einfach um mal zu wissen, wie es da aussieht. Die Jungs gestern abend haben nicht übertrieben. Das Gelände versteht hier echt keinen Spaß.
Das erste, was mir an der Landschaft von Magerøya aufgefallen ist, ist dass es hier keine Bäume mehr gibt. Nur noch Felsen und Tundra. Das tut der Schönheit der Landschaft aber keinen Abbruch. Die Straße windet sich in weiten Kurven bergauf, bergab, an kleinen Seen vorbei bis zum Hochplateau auf dem das Besucherzentrum des Nordkaps liegt. Am Eingangstor wurde ich gefragt, ob ich das volle Programm machen oder nur Parken möchte. Nur Parken sei nämlich kostenlos. Das war die erste Überraschung. Ich wollte es natürlich genau wissen und habe das volle Programm genommen, für umgerechnet 30 €. Dafür kriegt man aber auch den Panorama-Film, das Museum mit der Nordkap-Kapelle (auch ein moderner Kirchenbau, der mir gefällt) und die Ausstellung zum Seegefecht vor dem Nordkap, in dem die britische Marine, allen voran das Schlachtschiff HMS Duke of York, am Zweiten Weihnachtstag 1943 das deutsche Schlachtschiff Scharnhorst versenkte. Außerdem braucht man auch den Eintrittssticker um im Restaurant was zu bestellen oder im Souvenirshop was zu kaufen. Ich hatte also nicht unbedingt das Gefühl, abgezockt worden zu sein.
Die zweite Überraschung war der Besucherandrang oder vielmehr der Mangel desselben. Gerade mal zwei Busse standen auf dem Parkplatz, und auf dem weitläufigen Gelände verteilten sich die Besucher ziemlich gut. Letztendlich ging die Zahl der Menschen, die mit mir das Felsplateau mit dem berühmten Metall-Globus teilten, in die Dutzende, keineswegs in die hunderte oder tausende. Es mag geholfen haben, dass kein Kreuzfahrtschiff hier in Honningsvåg liegt. Und oben drauf kam noch das tolle Wetter. Zwar frisch, aber kaum Wind und Wolken und viel Sonnenschein. Nur einmal versuchten ein paar Nebelfetzen, das Plateau zu erobern, aber die wurden von der Sonne zurückgeschlagen.
Alles in allem hat mich das Nordkap also sehr positiv überrascht und entsprechend viel Zeit habe ich hier verbracht. Viereinhalb Stunden habe ich mich auf dem Gelände getummelt, war Kaffee trinken, habe Selfies am Globus gemacht, und ich habe etwas abseits des Globus gestanden und die Aussicht genossen. Hier entstand auch das Foto des Tages. Über dreihundert Meter ragen die Klippen aus dem Meer. Oben auf der Höhe erkennt man ganz klein den Globus und daneben noch viel kleiner die Menschen. Ich konnte mich echt gar nicht losreißen.
Interessantes Detail am Rande: der Parkplatz steht voll mit Wohnmobilen, deren Insassen aber nicht unbedingt das Gelände bevölkern, sondern grillend, Kaffee oder Aperol Spritz trinkend vor ihren Gefährten sitzen und das Allemannsretten (Jedermannsrecht) nutzen um hier zu campen. Weiteres interessantes Detail: das Nordkap ist gar nicht der nördlichste Punkt Europas. Das ist eigentlich der Knivskjellodden, der ein paar hundert Meter weiter nach Norden ragt, aber wesentlich weniger spektakulär ist als das Nordkap.
Auf der Rückfahrt nach Honningsvåg habe ich auch die ersten Rentiere der Tour gesehen und entsprechend heute Abend direkt mal Rentiergulasch bestellt. Und ein bisschen Einkaufen war ich auch.
Da ich den Pflichtpunkt Nordkap heute schon bei bestem Wetter erledigen konnte, habe ich jetzt noch zwei entspannte Tage auf Magerøya vor mir, wo ich ein bisschen die Insel erkunden werde. Das Wetter der nächsten Tage kann ich ja jetzt recht entspannt auf mich zukommen lassen.


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