2. Juli 2022
Der Mazda musste heute hart arbeiten und ich muss sagen, er schlägt sich richtig wacker. Ich bin bisher super zufrieden mit dem Auto. Warum er so hart arbeiten musste, seht Ihr auf der Karte, und einer der Gründe war die Faulheit des Fahrers. Aber der Reihe nach.
Um sieben ging heute morgen der Wecker, was nach den zwei Gammeltagen nem kleinen Schock gleichkam… Ich hab mir noch nen Kaffee gekocht, den Mazda beladen und bin dann die paar hundert Meter bis zum Fähranleger gefahren. Gut, dass ich ne Stunde vor der Abfahrt da war, denn es gab schon ne Schlange und ich hatte keine Ahnung, wie viele andere Leute noch auf die 8:45h-Fähre über den Andfjord hinüber nach Gryllefjord wollten. (Am Ende ist aber jeder mitgekommen.)
Um mir die Zeit zu vertreiben, wollte ich am Anleger noch ein bisschen rumspazieren und unter anderem von der anderen Seite des Hafenbeckens Fotos von Andenes machen. Ich hatte zwar die herumfliegenden Seeschwalben über dem Brachgelände zwischen dem Fähranleger und dem Hafen gesehen, aber was mir nicht aufgefallen war, dass die dort auch nisteten. Ein Schritt zuviel und ich wurde Ziel einer wütenden (und ich muss zugeben berechtigten) Attacke. Seit dem Skua-Angriff im Sommer 2015 auf den Shetland-Inseln hat mich kein Tier mehr so entschlossen angegriffen, wie die Küstenseeschwalbe, deren Nest ich heute zu nahe gekommen bin. Ich habe schleunigst den Rückzug angetreten bevor ich noch wirkliche Schnabelhieb auf den Kopf bekommen hätte. Und das von einem Vogel, der ungefähr soviel wiegt wie ne Tafel Schokolade. Ihr zu Ehren habe ich mich dann auch für ein Bild einer Küstenseeschwalbe als Foto des Tages entschieden.
Die Überfahrt von Andenes nach Gryllefjord dauert ungefähr anderthalb Stunden. Heute hatte sie Kreuzfahrtcharakter. Das Meer war fast wie ein Spiegel, die Sonne schien aus einem strahlend blauen Himmel, die Papageitaucher tummelten sich auf dem Wasser und die Berge längs der Fjorde wirkten heute nicht bedrohlich sondern wie friedlich schlummernde, grau-grüne Drachen. Sogar ein paar Schweinswale habe ich gesehen.
In Gryllefjord angekommen waren der Mazda und ich schnell von der Fähre runter und passierten die ewig lange Schlange von Autos und Wohnmobilen, die in der Gegenrichtung auf die Fähre wollten. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die das heute noch alle geschafft haben.
Wohnmobile sind übrigens ein gutes Stichwort. Die nerven. Total. Sie sind langsam, sie fahren mitten auf der Straße und bremsen wegen jedem Schlagloch. Eigentlich sind hier in der tiefsten norwegischen Provinz Wohnmobile das vollkommen falsche Reisemittel. Denn obwohl Norwegen ja ein reiches Land ist, sind die Straßen hier, sobald man in den dreistelligen Nummern-Bereich kommt (vergleichbar mit Kreisstraßen bei uns), oft echt schlecht. Knubbel, Schlaglöcher, fiese Spurrillen, immer wieder meterweise Schotterabschnitte. Ich hatte meinen Spaß, und der Mazda hat sehr gut mitgespielt. Nur die Wohnmobile… die nerven.
Mein erstes Etappenziel von Gryllefjord aus war Botnhamn. Auf der Karte ist das der unbeschriftete weiße Punkt am Ende der blauen Linie. Von dort wollt ich mit der nächsten Fähre nach Brensholmen übersetzen. Der kürzeste Weg nach Botnhamn hätte über Senjahopen geführt, aber dort war leider die Straße wegen Tunnelarbeiten gesperrt. Das hatte Google Maps mir schon gestern mitgeteilt. Was meine Aufgabe gestern gewesen wäre, das wäre den Fahrplan der Fähre zwischen Botnhamn und Brensholmen zu überprüfen. Aber wie bereits erwähnt, die Faulheit des Fahrers gestern hat ihn heute fast zwei Stunden Lebenszeit und den Mazda zusätzliche 100km auf dem Tacho gekostet. Denn als ich gegen kurz nach 12 am Fähranleger in Botnhamn war, musste ich leider feststellen, dass die nächste Fähre erst um 16 Uhr ablegen würde. Ein kurzer Check bei Google Maps und dann habe ich den Rückzug angetreten, denn mit dem Warten auf die Fähre hätte sich mein Tag noch deutlich in die Länge gezogen.
Also zurück nach Finnsnes, wo ich mich – na klar, ich brauche ja kein Navi und keinen Autoatlas zum navigieren – prompt verfahren habe und die lange Strecke über Bardufoss nach Moen erwischt habe, anstatt die deutlich kürzere, die man auf der Karte als weiße Linie sieht. Danach lief dann aber alles wie geplant. (Mestervik musste ich auf der Karte einzeichnen, damit Google die Wegstrecke so legt wie ich sie heute tatsächlich gefahren bin.)
Um halb fünf war ich am einzigen Programmpunkt heute, dem Tirpitz-Monument. Am 12. November 1944 wurde nur wenige Kilometer westlich von Tromsø das deutsche Schlachtschiff Tirpitz von den Briten versenkt. Die Tirpitz war und ist bis heute das schwerste je in Europa gebaute Kriegsschiff. Besonders aufregend war ihre Geschichte aber nicht. Im Gegensatz zu ihrem Schwesterschiff Bismarck, die im Atlantik versenkt wurde, hat die Tirpitz nie an einer Seeschlacht teilgenommen. Sie war in Norwegen stationiert um die alliierten Geleitzüge nach Russland zu bedrohen. Ihre Anwesenheit alleine reichte schon für die Änderung der Konvoi-Routen. Churchill wollte sie unbedingt versenken lassen, und so wurden zahllose Bombenangriffe auf das Schiff geflogen, die einiges an Schaden anrichteten. Zum Schluss war die Tirpitz nicht mehr seetauglich und lag vor der Insel Håkøya als schwimmende Geschützbatterie vor Anker. Hier erwischte sie die Royal Air Force mit panzerbrechenden Bomben. Das Schiff kenterte im flachen Wasser, aber trotz der Nähe zum Ufer starben 1204 deutsche Seeleute. Heute erinnert an der Stelle wo das Schiff lag ein Denkmal aus einer der Panzerplatten der Tirpitz an das Ende des letzten deutschen Schlachtschiffs. Man kann auch noch einen Bombentrichter am Ufer erkennen. Vom Schiff sieht man allerdings über Wasser nichts mehr.
Vom Tirpitz-Monument sind es nur noch 18km bis ins Zentrum von Tromsø. Ich wohne hier sehr zentral, so dass ich morgen früh dem Mazda mal ne Pause gönne und mir Tromsø zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln ansehen werde. Der erste Eindruck hat allerdings schon gemischte Gefühle hinterlassen. Mal kucken, was ich morgen abend sagen werde..
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