9. Oktober 2023

Heute war ein Tag der Kontraste. Irgendwie bin ich noch ein bisschen reizüberflutet. Überhaupt muss ich sagen, habe ich mir ein sehr dichtes Programm gestrickt. Vielleicht wird es ab Donnerstag ein bisschen besser, wenn wir zum „gemütlichen“ Teil der Reise übergehen.
Heute habe ich eine Tagestour nach Himeji gemacht. Das liegt rund 100km westlich von Osaka, aber mit der Bahn und dem Shinkansen ist man in ner knappen dreiviertel Stunde da. In Himeji befindet sich die am besten erhaltene spätmittelalterliche Burg Japans. Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Festung gebaut. An der gleichen Stelle hatten sich allerdings schon mehrere Vorgängerbauten befunden. Das Besondere an der Burg von Himeji ist, dass sie im Gegensatz zu den meisten anderen Burgen Japans weder abgebrannt ist noch erobert wurde. Man findet also hier quasi noch die originale Substanz aus dem späten 16. und frühen 17. Jahrhundert. Natürlich nagt der Zahn der Zeit trotzdem an so einem Gebäude und so war die Burg Ende der 2000er Jahre für fünf Jahre geschlossen, für eine grundlegende Renovierung und Restaurierung.
Wenn man in Himeji aus dem Bahnhof kommt, dann sieht man die Burg schon am Ende der Straße liegen. Sind so zehn bis fünfzehn Minuten zu Fuß. Allein war ich natürlich nicht, denn auch die Burg von Himeji gehört zu den Touristenattraktionen ersten Ranges hier in Japan. Aber auf dem großen Gelände verteilte sich das Publikum ziemlich gut. Ich habe mir in aller Ruhe die Burg angesehen und zwar auf dem längeren der beiden Rundwege, die auf dem Flyer den man am Eingang bekommt, eingezeichnet waren. Schon interessant, wie man hier in Japan, 10.000km von Mitteleuropa entfernt, auf ähnliche Lösungen für ähnliche Probleme gekommen ist, in diesem Fall um Belagerungen abzuwehren.
Im Hauptturm war es ziemlich voller Leute, und ich habe dort nicht viel Zeit verbracht. Einmal bis nach oben – natürlich auf Socken, damit der antike Holzboden keinen Schaden nimmt – und dann wieder raus. Dafür habe ich mir draußen ein bisschen mehr Zeit genommen und auch einfach auf der Bank gesessen und den Blick auf die Burg genossen.
Einen Ganztagesausflug wollte ich aber nicht machen, denn für heute Abend war noch ein Event vorgesehen. Ich hab mir nämlich vor ein paar Tagen ne Karte für ein Baseballspiel heute abend gekauft. Das sollte schon um 18:00 Uhr losgehen und deshalb wollte ich nicht zu spät wieder in Osaka sein.
Um 14:11 Uhr fuhr mein Hikari-Shinkansen wieder zurück nach Shin-Osaka. Vorher hatte ich allerdings auf dem Rückmarsch zum Bahnhof die Gelegenheit für das Bild des Tages. Auswahl gab es auch schon vorher genug, aber mir gefällt das Bild der Burg im Sonnenlicht mit den dramatisch dunklen Wolken im Hintergrund besonders gut.
Von Shin-Osaka aus ging es wieder eine Station mit dem normalen Zug zum Hauptbahnhof von Osaka. Dort habe ich bei 7-Eleven die Eintrittskarte für das Spiel abgeholt. Die Webseite, die mir das Ticket verkauft hatte, hat nämlich nen Vertrag mit dieser Supermarktkette und gegen Vorlage der Reservierungsnummer kriegt man in jeder Filiale die Karte ausgedruckt.
Vor dem Spiel hatte ich noch ein bisschen Zeit für ne späte Siesta und um 17:00 Uhr bin ich zum Kyocera Dome aufgebrochen, der Heimat der ORIX Buffaloes. In Japan tragen die Baseball-Teams neben ihrem Teamnamen auch den Namen des Sponsors oder der Eigner-Firma. Für das Team aus Osaka ist das die Investmentgesellschaft Orix.
Moment mal, denkt sich vielleicht gerade die eine oder der andere. Baseball in Japan? Genau, Baseball in Japan. Baseball ist in Japan ne große Sache und Japan ist nach Nord- und Mittelamerika der Markt, wo diese Sportart am stärksten vertreten ist. Der Kyocera Dome hat zum Beispiel ne Kapazität von gut 36.000 Zuschauern und heute, an nem normalen Montag, war die Hütte fast voll.
Baseball wurde in Japan 1872 von dem Amerikaner Horace Wilson zuerst als Schulsportart eingeführt. Schon wenige Jahre später gab es das erste organisierte Erwachsenenteam und heutzutage hat Japan eine schlagkräftige Profiliga, aus der immer wieder mal auch Spieler zum Major League Baseball wechseln. Der erste, dem das erfolgreich gelang, war übrigens Ichiro Suzuki, der als erster Japaner Stammfeldspieler bei einem MLB-Team wurde und den ich im Sommer 2003 in Seattle selbst habe spielen sehen. Ratet mal, von welchem Team er 2001 aus Japan zu den Seattle Mariners kam? Genau, von der ORIX Buffaloes (die damals allerdings noch BlueWave und ncht Buffaloes hießen).
Die Stimmung im Kyocera Dome war ein echter Hammer. Japanische Baseballfans gleichen in mancher Hinsicht eher deutschen Fußballfans, mit Fangesängen und geschwenkten Fahnen und für die Hardcore-Fans im Outfield sogar mit Choreo und ner eigenen Blechblastruppe. Heute hatten die Buffaloes übrigens die SoftBank Hawks aus Fukuoka zu Gast und die waren mit etlichen, ebenfalls lautstarken Fans angereist. Es war ein echt gutes, spannendes Spiel mit vielen klassischen Baseballmomenten und -situationen. Am Ende haben die Buffaloes verdient mit 4 zu 1 gewonnen. Hat richtig Spaß gemacht, vor allem, wo ich schon lange kein Baseballspiel mehr im großen Stadion gesehen habe, und im Sommer die Blue Jays ja um einen Tag in Toronto verpasste hatte. Hier in Osaka hatte ich aber dreieinhalb sehr schöne, spannende und unterhaltsame Stunden im Stadion und habe ganz nebenher die sonst doch sehr ruhigen, reservierten Japaner als wilde Sportfans erlebt.

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