22. Juli 2017

Belfast... ich war sehr neugierig auf diese Stadt und hatte irgendwie Bilder von Industrie, heruntergekommenen Stadtteilen und die Adjektive „schäbbig-schmuddelig“ im Kopf... weit gefehlt. Belfast ist echt schön... und sauber... und spannend...
Ich habe heute etwas getan, was ich eigentlich vorhatte, nie zu tun. Wir sind mit einem City Sightseeing Hop on-Hop off-Bus gefahren. Was soll ich sagen? Es war besser als erwartet. Als Ersatz oder Alternative zum öffentlichen Nahverkehr ist sowas zwar untauglich, aber als Stadtrundfahrt mit Erklärungen war's echt ziemlich gut. Zumindest hier in Belfast und mit den Guides, die wir hatten. Aber ich erzähl jetzt mal von vorne.
Gestern abend hatten wir uns, gegen meine ausdrücklichen Bedenken, für die Hop on-Hopp off-Tour entschieden, schon alleine aus dem Grund, weil wir so einen Eindruck von allem Sehenswerten in Belfast bekommen könnten, ohne selbst fahren zu müssen. Die Tickets konnte man hier in unserem (echt sehr schönen) Guesthouse kaufen, und die haben uns sogar noch den City Sightseeing Shuttle organisiert, der uns am Quartier abholte und uns pünktlich zum Startpunkt der Rundfahrt brachte. Um 10 Uhr ging's los. Wir sind durch die guten und weniger guten Gegenden von Belfast gefahren worden, und der Guide hat uns sehr viel über die Geschichte der Stadt, die Probleme zwischen den Loyalists (denjenigen Nordiren, die zu Großbritannien gehören wollen und die weitestgehend protestantisch sind) und den Nationalists (denjenigen Nordiren, die lieber zur Republik Irland gehören wollen und die weitestgehend katholisch sind) erzählt. Wenn man durch Belfast fährt, dann kann man die jeweiligen Wohngegenden gut erkennen. Vor allem in den Wohnvierteln der Loyalists hängen mehr britische Fahnen, als in London zum Geburtstag der Queen. Die Nationalists sind etwas zurückhaltender, aber auch hier sieht man die grün-weiß-orangen Farben der Republik Irland an Häusern und Straßenlaternen.
Interessanterweise beschränken sich diese Zurschaustellungen der jeweiligen Anhängerschaft auf die Arbeiterviertel. In den guten Gegenden von Belfast wohnen die besser gestellten Bürger der nordirischen Hauptstadt einträchtig nebeneinander, ohne Fahnen, ohne Zäune, ohne Mauern und ohne Zoff.
Die Geschichte des Nordirlandkonflikts ist hier in Belfast immer noch allgegenwärtig. Wandgemälde glorifizieren die eigenen Leute und dämonisieren die Gegner. Riesige, kilometerlange und mit Grafitti verzierte Mauern trennen in West Belfast die Wohngebiete der Loyalists rund um die Shankill Road von den Wohngebieten der Nationalists rund um die Falls Road. Aber auch in anderen Gegenden sieht man deutlich, wer dort wohnt und kann an Hand der Flaggen und Wandgemälde sehen, zu wem die Einwohnerschaft hält. So wie auf dem Foto des Tages. Hier sieht man das Logo der Ulster Freedom Fighters, einer Gruppierung loyalistischer Paramilitärs/Terroristen (je nachdem auf welcher Seite man steht), die schon 1973 von der britischen Regierung verboten wurde und auf deren Konto über 400 Tote gehen, in der großen Mehrzahl katholische Zivilisten.
Was man bei all dem kaum glauben kann ist, wie freundlich und fröhlich und absolut normal die Leute hier wirken. Oder wie unser Hop on-Hop off-Bus-Tourguide es ausdrückte: „They are all very friendly people. They just don't like each other.“ Womit wir wieder bei unserer Stadtrundfahrt wären. Es war sehr kurzweilig. Außer den Wandgemälden und Mauern und Zäunen und Wohnvierteln von Loyalisten und Nationalisten gab's noch viel mehr zu sehen. Wir sind durch's ehemalige Werftviertel (dazu gleich mehr) gefahren und haben das nordirische Parlament und den Stadtflughafen (wo man bestimmt gut spotten kann... bei meinem nächsten Besuch) gesehen und sind durch die guten Gegenden und das Zentrum der nordirischen Hauptstadt gefahren worden. Der Guide war echt gut. Hier zwei Highlights: „There are only two seasons in Belfast: Winter and June“. Wobei wir heute mit dem Wetter mal wieder Glück hatten und es nur ein paar kleine kurze Schauern gab. In diesem Zusammenhang: „This is the way a Belfast weather forecast works: If you can see the mountains, it's going to rain. If you can't see the mountains, it's already raining.“
Nach der Stadtrundfahrt sind wir ein bisschen im Zentrum von Belfast spazieren gegangen, haben einen Blick ins alte Rathaus geworfen und den St. George's Market, einen Wochenendmarkt für alles von frischem Fisch bis zu Kunstgewerbe, erkundet. Danach gab's für die Mittagspause nen Modekaffee bei Caffe Nero.
Anschließend sind wir durch die Fußgängerzone zurück zum Startpunkt von City Sightseeing gegangen und wieder in den Bus gestiegen. Ich wollte nämlich noch zur touristischen Hauptattraktion von Belfast und meine Eltern wollten noch ein bisschen sightseen. Die touristische Hauptattraktion von Belfast ist „Titanic Belfast“, ein interaktives Museum zur Titanic, denn das berühmte Schiff wurde hier vor Ort von der Firma Harland&Wolf gebaut. Belfast war nämlich mal eines der wichtigsten Zentren des Schiffbaus weltweit, so wie der dazugehörigen Industrien wie Woll- und Leinenverarbeitung.
Was mit der Titanic passiert ist, weiß jeder. Unsere Hop on-Hop off-Führerin wollte allerdings eine Sache klarstellen, als wir auf unserer zweiten Tour wieder an dem Museum vorbeikamen: „That ship was alright when it left here.“ So viel dazu.
Ich hatte viel Spaß in den nächsten anderthalb Stunden, denn das Museum hat viel zu bieten, inklusive Originalartefakten, Computeranimationen, Multimediapräsentationen, und und und... es war allerdings auch ziemlich voll, und so haben mir die anderthalb Stunden auch gereicht.
Als ich wieder draußen war, war es schon zu spät, um wieder mit dem Hop on-Hop off-Bus weiter zu fahren (was sehr praktisch gewesen wäre, denn der hat eine Haltestelle nur wenige Schritte von unserem Quartier entfernt). Ich bin also zurück ins Stadtzentrum spaziert und mit dem Linienbus gefahren. Der öffentliche Nahverkehr ist hier in Belfast sehr gut organisiert... und die Busse, inklusive der unvermeidlichen britischen Doppeldecker, sind lustigerweise pink. Ein schönes Abendessen in einem echt guten Restaurant in der Nähe unseres Quartier rundete den Tag in Belfast ab.
Fazit: Belfast ist echt eine coole Stadt und hat mir sehr gut gefallen. Hier will ich auf jeden Fall noch mal für ein langes Wochenende hin.

P.S. Was man übrigens in Belfast nicht (MEHR) sieht, das sind schwerbewaffnete Polizei oder gar Militär. Seit dem Karfreitagsabkommen vom 10. April 1998 ist es hier in Nordirland ruhig geworden.

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