25. Juli 2018

Hatte ich diese Reise gestern als "Sommerabenteuer" bezeichnet? Oh, wie wenig wusste ich zu diesem Zeitpunkt, dass das nicht nur eine Redewendung sein würde... Mein Reiseveranstalter nennt die Tour ein "Soft Adventure", aber das "soft" kann man getrost streichen... Darauf werde ich im Laufe dieses Logbucheintrages noch mehr als einmal zurückkommen.
Es begann heute morgen mit dem Klingeln des Telefons in meinem Hotelzimmer und der elektronischen Ansage, dass es jetzt vieruhrfünfzehn wäre und dies mein Weckruf sei. Sehr unchristlich für Ferien und der Jetlag machte es in diesem Fall nicht einfacher, da ich ja in Richtung Osten geflogen war. Mein Quartier ist ein richtiges Flughafenhotel -  Frühstücksbuffet gibt es schon ab vier Uhr morgens. Praktisch in meinem Fall... außer mir nutzte nur eine einzige weitere Person das Angebot. Als ich vom Frühstück kommend an der Rezeption vorbeiging, wartete dort schon Tommy auf mich, mein Betreuer von Exo Travel. Man erinnert sich vielleicht: mit dieser Firma war ich auch schon in Laos unterwegs gewesen. 'Betreuer' schreibe ich deswegen, weil sich im Laufe des Vormittags herausstellte, dass Tommy nur für den Transfer zuständig sein würde und ich in Carita an der Westküste Javas meinen Guide treffen würde.
Die Fahrt raus durch die nächtlichen aber schon durchaus lebendigen Vororte im Westen von Jakarta fand schon nach wenigen Minuten eine jähe Unterbrechung, als unser Fahrer in den Hof einer Moschee einbog und Tommy mich fragte, ob es okay wäre, dass die beiden kurz zum Beten gingen. *lach... Mir war's egal und ich wollte eigentlich im Auto in der Zwischenzeit ein Nickerchen machen, aber dazu bin ich nicht gekommen, denn nach gut fünf Minuten hatten die beiden ihre Pflicht an der zweiten Säule des Islam erfüllt und die Fahrt ging weiter...
Nachdem wir uns ein ganzes Stück durch die Vororte gekämpft hatten, ging's über die Autobahn weiter. Erster Eindruck: Indonesien ist voll von Menschen. Kein Wunder – sind ja fast 300 Millionen... Der Verkehr war asiatisch sportlich. Vor dem Fenster ging die Sonne glutrot durch die Dunstglocke auf und beschien Reisfelder, Dörfer, riesige Industriegebiete und viele, viele Indonesier, die mit Auto und Moped auf dem Weg zur Arbeit waren.
Nach gut drei Stunden Fahrt hatten wir Carita erreicht, wo es erstmal für mich in einem lokalen Restaurant Frühstück (das zweite) gab und wo ich meinen Guide Black kennenlernte. Black spricht – wie auch Tommy – ein ziemlich knubbeliges Englisch, aber nachdem wir jetzt einen Tag zusammen verbracht haben, versteh ich ihn ganz gut... An der Anlegestelle von Carita hat Tommy sich verabschiedet, denn ab jetzt würde ich mit dem Boot unterwegs sein. Was soll ich sagen? Es kommt mir ein bisschen wie personeller Overkill vor. Außer Black gibt es da noch den Captain und zwei Spannmänner, und alle sind nur für mich verantwortlich. Da fühlt man sich schon ein bisschen gepampert.
Schon vor der Abfahrt erklärte mir Black, dass wir witterungsbedingt das Programm umstellen müssten und dass die eigentlich angesetzte Fahrt zum Krakatau erst am Freitag morgen stattfinden würde. Wir sind also stattdessen direkt zum Ujung Kulon Nationalpark gefahren.
Der Ujung Kulon Nationalpark, an der Südwestspitze der Insel Java, ist neben Komodo der zweite Hauptgrund für meine Indonesien-Reise. Hier ist eines der letzten verbliebenen Stücke javanischer Wildnis unter Schutz gestellt, und hier leben ungefähr 70 der letzten Java-Nashörner. Das Java-Nashorn ist optisch eine kleinere, schlankere Variante der indischen Panzernashorns, und kommt neben der Insel Java auch noch sporadisch in anderen Ländern Südostasiens vor. Leider ist die Vegetation im Ujung Kulon Nationalpark dschungelartig und deshalb sind die Chancen, ein Nashorn zu Gesicht zu kriegen eher gering. Aber wir haben es heute zumindest versucht und morgen ist ja auch noch ein Tag.
Unser erster Programmpunkt nach zweineinhalb Stunden Bootstransfer war eine Kanufahrt in einem der Flüsse, die den Nationalpark durchziehen. Das ging schon sportlich los, mit einer nassen Anlandung durch die Brandung und ich hab mir schon ein bisschen Sorgen um's Equipment gemacht... aber so wie ich zunehmend wacher wurde und mich auf das Abenteuer einstellen konnte, so wurde ich auch routinierter mit dem Am-Strand-aus- und einsteigen.
Die Kanufahrt war leider nicht von besonderem Erfolg gekrönt... es tummelten sich zwar Fische im Wasser und der ein oder andere Vogel flog unbestimmbar über uns hinweg, aber die Nashörner machten sich rar. Ich war auch wirklich noch nicht ganz au der Höhe zu diesem Zeitpunkt. Black, der keine Ornithologie-Koryphäe ist, sah die Kingfisher immer vor mir und auch die Affen, die ich am Blätterrauschen und Ästekrachen im Dschungel erkannte, blieben mir leider ebenfalls verborgen... Aber immerhin waren Landschaft und Vegetation sehr eindrucksvoll, wie man auf dem ersten Bild des Tages sehen kann.
Nach der Bootssafari sind wir dann zur Lodge auf Peucang Island gefahren. Was soll ich sagen? Rustikal wäre jedenfalls eine deutliche Untertreibung, bei der Beschreibung meines Quartiers... Es ist alt und heruntergekommen und von einer Dusche ist keine Spur zu sehen. Als ich Black nach der "Shower" fragte, deutete er im Badezimmer auf den großen gemauerten Wasserbehälter und das Plastik-Schöpfgefäß, meinte nur "shower traditional style" und lachte... ein Waschbecken gibt es übrigens auch nicht und das Schöpfgefäß dient außerdem als Klospülung... Immerhin konnte man Klopapier für den verwöhnten Europäer auftreiben... hihihi... das ist ja in Asien "traditionally" auch nicht üblich. Im Rahmen eines der vielen kleinen Kommunikationsprobleme mit Black war ich auch davon ausgegangen, dass Wasser und Strom abends abgestellt würden, was mich dann echt ein bisschen grumpy stimmte. Beim Abendessen stellte sich das aber als ein Missverständnis heraus... Wasser und Strom laufen die ganze Nacht... immerhin...
Nach der Mittagspause und einem Mittagsimbiss mit nem Stück Hähnchen, gebratenem Reis und nem Spiegelei sind wir zu einer Dschungelwanderung einmal quer über Peucang Island aufgebrochen, Black und ich und einer der Ranger... Es ist ein schöner Dschungel hier und ich habe mich an meinen Besuch im Taman Negara Nationalpark in Malaysia vor acht Jahren erinnert gefühlt.
Der Dschungelspaziergang war zuerst etwas unspektakulär, aber dann wurde es zunehmend besser... Wie meist im Dschungel sind Vögel ein ernstes Problem (man hört sie, sieht sie jedoch nicht), aber im nicht allzu dichten Unterholz hatten wir bald den ersten Sambar-Hirsch erspäht. Im Laufe der nächsten zwei Stunden kamen noch etliche dazu und ich denke, dass wir am Ende über 25 Hirsche gesehen haben. Bei unserer Rückkehr tummelten sich auf der zentralen Wiese in der Lodge nochmal ein paar Hirsche, Wildschweine und Langschwanzmakaken.
Dann habe ich Black bequatscht, dass wir die 700m bis zum Festland übergesetzt sind. Dort gibt es im Dschungel des Ujung Kulon Nationalparks eine große Lichtung, wo man Bantengs, südostasiatische Wildrinder (und mit Riesenglück auch Nashörner) beobachten kann. Es hat sich gelohnt, wie man am zweiten Bild des Tages erkennt. Dafür war ich hier her gekommen. Asiatsche Wildrinder in freier Natur. Und? Wieviele Bantengs seht Ihr? Wenn Ihr nicht auf "sechs" kommt, dann müsst Ihr weiter suchen... *lach... Das sind übrigens alles Weibchen. Die Bullen sind schwarzbraun mit weiß-cremefarbenen Socken. Ein weiteres Schauspiel auf der Lichtung boten die Ährenträger-Pfaue, von denen einer auch wirklich das Pfauenrad aufgeschlagen hat...
Bevor wir wieder zum Quartier zurück gefahren sind, gab es noch den Sonnenuntergang über der Sunda-Straße... und eine unheimliche Begegnung der dritten Art... Ich dachte zuerst es wäre ein großer Greifvogel, aber Black grinste und sagte nur "Bat"... Ich hab heute zum ersten Mal in meinem Leben Riesenflughunde gesehen und ich kann Euch sagen, dass das ein gewöhnungsbedürftiger Anblick ist... bei uns sind Fledertiere halt klein, maximal 15cm, aber so ein Riesenflughund bringt es auf deutlich über einen Meter Flügelspannweite.
Das Abendessen auf der Terrasse vor meinem Quartier hatte Black selbst gekocht, mit Hilfe eines der Crewmitglieder. Der Red Snapper, den es unter anderem gab, hat heute nachmittag noch nichts Böses ahnend hier im lauwarmen Meerwaser der Sunda-Straße gelebt. Während ds Abendessens haben Black und ich den morgigen Tag geplant, noch ein bisschen erzählt und er hat mir auf seinem Handy Nashorn-Videos gezeigt... Ich bin etwas neidisch... *lach...
Hmmmmm... jetzt habe ich hier nen Roman geschrieben, aber ich wusste nicht mehr, wo ich noch hätte kürzen können. Meine Ahnung, dass man hier im Ujung Kulon Nationalpark von der Zivilisation abgeschnitten ist, hat sich bewahrheitet... Diesen Logbucheintrag gibt es also erst nach meiner Rückkehr nach Jakarta. Ich hoffe Ihr lest trotzdem bis zum Ende ;-)

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