18. Juli 2023

Ich sitze im Café des Maison de la Nature et de l'Environment in Miquelon, es ist halb sechs, ich bin müde und habe noch anderthalb Stunden bis das Boot zurück nach Saint-Pierre fährt. Der Tag heute ging halt einfach viel zu früh los... *ächz...
Um viertel vor sechs war Wecken, denn ich sollte spätestens um halb sieben am Fähranleger sein. Was soll ich sagen? Als ich dort um zwanzig nach sechs aufschlug, war ich quasi alleine. Die anderen Passagiere hatten die Checkin-Deadline wohl mehr als Empfehlung gesehen. Als ich mich im Wartesaal so umgesehen habe, war ich ziemlich sicher, dass ich der einzige richtige Tourist an Bord war, also nicht als Einheimischer nen Ausflug gemacht habe.
Um viertel vor sieben durften wir an Bord der Nordet und pünktlich um sieben hieß es "Leinen los". Ich habe mir als erstes nen Kaffee im Bordkiosk gekauft und dann auf dem Außendeck die Fahrt genossen. Von gutem Wetter konnte zwar keine Rede sein, es nebelte mal mehr, mal weniger dicht, aber schön war es trotzdem. Außerdem hatte der Kaffee mich zu diesem Zeitpunkt schon milder gestimmt.
Die Fahrt von Saint-Pierre nach Miquelon dauert anderthalb Stunden, und wieder einmal war der Atlantik gnädig. Auf der ersten Hälfte der Strecke gab es viele Seevögel zu sehen. Auf einer der Inseln des Archipels gibt es nämlich eine große Lummen- und Papageitaucher-Kolonie. Auch etliche Kappensturmtaucher habe ich gesehen, aber angesichts der Sichtverhältnisse auf Fotografierversuche verzichtet. Ich hoffe, dass es vielleicht auf der Rückfahrt besser aussieht.
Pünktlich mit der Ankunft in Miquelon fing es an zu regnen. Super. Zum Glück war ich auf alle Eventualitäten vorbereitet und hatte den Schirm parat.
Eigentlich sollte es heute zwei Programmpunkte hier in Miquelon geben. Über das örtliche Tourismusbüro hatte ich einen geführten Ortsrundgang sowie eine Inselrundfahrt gebucht. Leider bekam ich Anfang Juni eine Email, dass der Ortsrundgang abgesagt werden müsste. Ich bin also vom Hafen erstmal zum Maison de la Nature et de l'Environment marschiert, wo sich auch das Tourismusbüro befindet. Die freundlichen Mitarbeiterinnen haben mich mit Informationen und nem Ortsplan versorgt, und ich habe mir anschließend zuerst einmal das Museum angekuckt. Sehr schön gemacht, mit einem Rundumschlag zu Geschichte, Natur und Geologie der Inseln, multimedial und interaktiv. Hier konnte man schon etwas Zeit verbringen.  Als ich mit der Ausstellung fertig war, bin ich ein bisschen durch den Ort spaziert. Beinahe hätte ich Dorf gesagt, aber obwohl Miquelon nur gut 600 Einwohner hat, trifft der Begriff "Dorf" nicht richtig. Dafür gibt es hier zu viel, was ich nicht mit "Dorf" assoziiere, inklusive Rathaus, Flugplatz, ziemlich große Schule, Kulturzentrum etc.. Die Häuser sind typisch für die Architektur des Archipels, Holz, bunt gestrichen und vor allem die charakteristischen doppelten Eingänge, die im Winter helfen, die Kälte aus dem Haus zu halten.
Ausnahmsweise für diese Reise hatte ich das Mittagessen zur heutigen Hauptmahlzeit bestimmt, denn ich werde voraussichtlich erst um neun heute Abend wieder in Saint-Pierre sein. Das wäre mir zu spät, um nochmal loszuziehen. Da allerdings die Inselrundfahrt um halb zwei schon starten sollte, saß ich um Punkt 12 in einem der zwei Restaurants von Miquelon. Wie gesagt: groß ist das hier alles nicht und von Tourismus im großen Stil kann auch keine Rede sein.
Um 13:30 Uhr startete meine Inselrundfahrt. Mein Fahrer und Guide war François, und außer mir war niemand anderes mit dabei. Was natürlich große Vorteile hatte, denn so konnten wir anhalten wo und so lange ich wollte. Wir sind zu erst zum Cap Blanc, dem nördlichsten Teil der Doppelinsel Miquelon-Langlade, gefahren. Hier war es noch sehr neblig, so dass man vom dortigen Leuchtturm aus das Meer nur am Geräusch erkennen konnte. (Ich hab Euch ne Karte angehängt, damit Ihr seht, wo ich unterwegs war.)
Als wir wieder in den Ort reinfuhren, hatte sich der Nebel plötzlich gelichtet und Miquelon lag unter tiefhängenden Wolken. Ein kurzer Stopp am Flughafen durfte natürlich nicht fehlen, damit ich wenigstens ein paar Fotos machen konnte. Geflogen wurde übrigens auch heute nicht, auf Grund des Wetters.
Dann ging die Fahrt nach Süden in Richtung Langlade. Bis zum 18. Jahrhundert waren Miquelon und Langlade zwei unabhängige Inseln, bis das Meer eine Landverbindung inklusive eindrucksvoller Dünenlandschaft schuf. Über diesen Isthmus führt heute die Straße von Miquelon nach Langlade. Allerdings hat Hurrikan Fiona letzten September hier einiges angerichtet. Die Straße wurde beschädigt und ein paar Meter Dünen ins Meer gespült. Sonst hat es zum Glück keine Schäden gegeben, aber François bemerkte nicht zu Unrecht, dass die aktuelle Landverbindung von Miquelon nach Langlade nichts für die Ewigkeit ist.
François spricht ein schönes, leicht knubbeliges Englisch mit nettem französischen Akzent. Er wusste sehr viel zu erzählen und kannte sich auch ornithologisch ziemlich aus. Auf die Frage nach dem seltenen Flötenregenpfeifer (der schon ein sehr cooler Neuzugang meiner Lebensliste gewesen wäre) meinte er, dass es vor zwei Jahren noch zwei Brutpaare hier gab, aber dass in den letzten beiden Jahren keine dieser Vögel mehr auf Miquelon-Langlade gesehen wurden. Sehr schade, in mehrfacher Hinsicht.
Als wir an den Dünen des Isthmus ankamen, war der Himmel blau geworden. Das sei im frühen Sommer hier oft so, erklärte François. Miquelon liegt unter Nebel während es in Langlade schön ist. Den Blick auf die Dünen mit dem vernebelten Miquelon im Hintergrund seht Ihr im ersten Bild des Tages.
Langlade selber hat gar keine permanenten Einwohner. Die Häuser hier sind alle Ferienhäuser, die Leuten aus Saint-Pierre gehören. Einer der ersten, der sich hier ein Ferienhaus hinsetzen ließ, war ein französischer Geschäftsmann aus Saint-Pierre. Der hatte sich während der Zeit der amerikanischen und kanadischen Prohibition eine goldene Nase damit verdient, nach französischem Gesetz legal Alkohol an Leute wie Al Capone zu verkaufen.
Auf der Rückfahrt nach Miquelon hatte uns der Nebel schon fast wieder eingeholt. An der Stelle wo ich auf der Hinfahrt von einem der Dünenhügel aus das Foto gemacht hatte war es schon wieder nebelig. François ist dann noch mit mir nach Mirande gefahren, einer weiteren Schönwetterecke von Miquelon, und dann ging’s zurück in den Ort.

Kurze Pause.

So, bin mittlerweile wieder wohlbehalten an Land und in meinem Quartier angekommen.

Etwas über drei Stunden sind François und ich unterwegs gewesen. War ne super Tour. Die verbleibende Zeit bis zur Abfahrt der Fähre habe ich gemütlich im Café des Maison de la Nature et de l'Environment in Miquelon gesessen und Logbuch geschrieben.  
Auf der Rückfahrt riss für ein paar Momente die Wolkendecke auf und dann ist es hier echt wunderschön. Einen kleinen Eindruck kriegt Ihr im zweiten Bild des Tages. Die Farben sind der Knaller. Vögel gab es auf der Rückfahrt übrigens auch noch mal. Die Sturmtaucher waren wenn auch nicht in Schwärmen so doch in größeren Trupps unterwegs. Leider die meiste Zeit mit Dunst und schlechter Sicht. Insofern muss ich mal kucken welche Bilder brauchbar sind. Aber zum Beobachten mit dem Fernglas war es eine wahre Wonne. Alle drei hier regelmäßig vorkommenden Sturmtaucherarten waren vertreten und sicher zu bestimmen.
Heute ist meine letzte Nacht auf Saint-Pierre. Morgen geht es um 16:00 Uhr zurück nach St. John’s. Vorher will ich aber her noch zur Île-aux-Marins. Ich hoffe, man kann was sehen.


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