19. Juli 2023
Der Kreis hat sich geschlossen. Ich bin wieder in St. John's, jetzt zum dritten Mal auf dieser Tour. Damit ist meine Kanada-Reise eigentlich zu Ende. Morgen beginnt der Weg nach Hause, den ich aber in Toronto für zwei Nächte unterbrechen werde um noch ein paar Flugzeugfotos zu machen. Sofern das Wetter mitspielt… *lach… das war ja bei meiner bisherigen Tour die große Variable.
In meinem Quartier in Saint-Pierre musste ich leider schon um zehn aus meinem schönen Zimmer ausziehen, aber immerhin konnte ich den Sammy an der Rezeption deponieren. Ein Blick aus dem Fenster hatte mich davon überzeugt, auf den Ausflug zur Île aux Marins zu verzichten. Dafür war die Sicht einfach zu schlecht. Stattdessen wollte ich heute die Inselrundfahrt im Bus machen, die vorgestern noch aus Mangel an Beteiligung ausgefallen war.
Zuerst habe ich mir aber in einer Boulangerie was zum Frühstück besorgt und dann ein letztes Mal auf der Place du Général de Gaulle gesessen und gefrühstückt.
Die Bustour sollte erst um halb zwölf losgehen, so dass ich noch ein bisschen Zeit zu überbrücken hatte. Die habe ich im Inselmuseum verbracht. Hier gibt es, sehr schön aufbereitet, allerdings weitgehend auf Französisch die Geschichte von Saint-Pierre. Besonders spannend - und dankenswerterweise komplett zweisprachig - war der Bereich über Saint-Pierre zur Zeit der Prohibition. Nach dem Ende des Kabeljau-Booms zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der schweren Krise durch den Ersten Weltkrieg hat der Alkoholhandel in den Jahren zwischen 1920 und 1933 dem Archipel enormen Wohlstand beschert. Zu den besten Zeiten wurden monatlich über 300.000 Kisten alkoholische Getränke in Saint-Pierre umgeschlagen. Sogar die Kisten, in denen der Alkohol transportiert wurde, haben einen Teil der Inselkultur geprägt. Aus den Brettern der Whisky-Kisten haben die Leute hier Häuser gebaut. Die Bretter der Champagner-Kisten waren dicker. Daraus wurden Bodendielen gemacht. Mit dem Ende der Prohibition im Dezember 1933 war diese zweite goldene Zeit von Saint-Pierre vorbei und irgendwie wartet der Archipel seitdem auf die dritte. Leider wurde da bisher nichts draus. Mit der Entscheidung eines UN-Schiedsgerichts über die Errichtung von maritimen Nutzungszonen zu Gunsten Kanadas und gegen Frankreich und dem darauf folgenden Moratorium gegen den Kabeljaufang im Westatlantik, endete nach rund 400 Jahren der kommerzielle Fischfang auf Saint-Pierre. Das war 1992. Irgendwie hängt das den Leuten auf dem Archipel immer noch nach. Dabei wäre es mit dem Fischfang sowieso sehr bald vorbei gewesen. Anfang der 1990er Jahre waren die Kabeljau-Bestände im freien Fall. Bis heute hat sich der Kabeljau rund um Neufundland und Saint-Pierre nicht erholt. Es sind also nicht die Kanadier und das von ihnen verhängte Fangverbot, die Schuld am wirtschaftlichen Niedergang von Saint-Pierre et Miquelon haben.
Hmmmmm… den ersten Teil bis hier habe ich im Restaurant während ich auf’s Essen gewartet habe, geschrieben. Der Rest sollte dann gemütlich im Zimmer passieren, während die Blue Jays über die Mattscheibe flimmern. Das war zumindest der Plan, aber ich fürchte, das Logbuch muss warten. Das Spiel ist nämlich echt gut und spannend.
Drei Innings sind gespielt und es scheint sich zu einem Pitcher-Duell zu entwickeln… Ich habe da gerade echt Spaß dran, die Blue Jays nochmal live spielen zu sehen, auch wenn es nur im Fernsehen ist…
Wir sind mittlerweile in der oberen Hälfte von Inning 8… San Diego führt 2-0… Mist…
Die Jays haben verloren… 2-0… aber war ein echt interessantes Spiel. Ich sollte wieder mehr Baseball kucken.
Um kurz nach halb zwölf startete die Inselrundfahrt. Anderthalb Stunden sind wir im Nebel über Saint-Pierre geschüggelt. Naja, besser als irgendwo im Nebel rum zu sitzen. Und ich habe ein paar Ecken von Saint-Pierre zu sehen bekommen, die ich bisher zu Fuß nicht erreichen konnte (oder wollte). So sind wir unter anderem am großen Supermarkt außerhalb von Saint-Pierre vorbei gekommen. Ich hatte mir schon gedacht, dass 5.000 Menschen nicht mit den paar kleinen Lebensmittelläden, die man im Stadtzentrum findet, versorgt werden können.
Auch wenn das Wetter nicht mitgespielt hat, war die Bustour nicht für die Katz. Ich habe einiges über Saint-Pierre und die Bewohner gelernt. Und ein bisschen Aussicht gab es auch. Zum Beispiel am Cap a Brossard, dem westlichsten Punkt von Saint-Pierre, wo das erste Bild des Tages entstand. An klaren Tagen kann man von hieraus Langlade sehen.
Pünktlich um zwei hat mich ein Taxi zum Flughafen gebracht und um kurz vor vier ging’s an Bord der ATR-42 von Air Saint-Pierre. Das ist heute das zweite Bild des Tages. Viele Bilder gab es nämlich insgesamt nicht.
Der Flug nach St. John’s hat ne knappe dreiviertel Stunde gedauert, und ich habe sogar nen Einreisestempel von St. John’s in den Pass bekommen. Angesichts der Tatsache, dass zur Zeit nur der Flug von Saint-Pierre als internationaler Flug hier landet, ist das schon was ziemlich Seltenes.
Nach der Ankunft, auf der Suche nach nem Münztelefon, bin ich von einem Mitarbeiter des Tourismusbüros hier angesprochen worden, und die haben dann für mich bei meinem Hotel angerufen und das Shuttle bestellt. Okay, nicht wirklich ein Shuttle. Aus welchen Gründen auch immer wurde mir ein Taxi geschickt, das aber das Hotel bezahlt hat. Der Taxifahrer, war ein junger Mann mit offensichtlichen Wurzeln auf dem indischen Subkontinent. Und wie das hier in Neufundland so ist, die Leute erzählen gerne. So bin ich während der viertelstündigen Fahrt zum Hampton Inn gewahr geworden, dass er aus der Nähe von Delhi stammt, seit drei Jahren in Kanada ist, vorher in Toronto gewohnt hat aber wegen seiner Freundin nach St. John’s gezogen ist. Er will aber noch dieses Jahr hier weg. Einen zweiten Winter in St. John’s will er nicht mitmachen, das wäre ihm einfach zu kalt und windig hier. Sein Ziel ist es, nach Nanaimo auf Vancouver Island zu ziehen. Da war ich ja auch schon mehr als einmal. Tja, man kommt hier echt schnell mit den Leuten ins Gespräch. Im Hotel ging es nämlich direkt weiter. Ich habe nach dem Einchecken noch ne ganze Zeit mit den beiden Jungs hinter dem Tresen geklaaft und Lebensgeschichten erfahren. Ich versuche schon die ganze Zeit mich zu erinnern, ob das bei meiner letzten Kanada-Reise 2019 im Westen auch so wahr, dass die Menschen so das Herz auf der Zunge trugen. Für diese Tour wird mir das allerdings deutlich in Erinnerung bleiben. In Newfoundland wird gerne erzählt.
Morgen früh bringt mich das Hotel um zehn zum Flughafen und dann geht es nach Toronto, als Abschluss des diesjährigen Sommerabenteuers. Bin gespannt, wie da das Wetter ist und welche Flieger ich vor die Linse kriege…
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