12. Juli 2023

Eines muss man Neuschottland lassen. Wettermäßig macht es seinem namengebenden Landstrich auf den Britischen Inseln alle Ehre. Hier regnet und nebelt es, dass es eine Wonne ist. Um acht Uhr heute morgen ging zwar der Wecker, aber ich habe mich nach nem Blick aus dem Fenster sofort nochmal rumgedreht. Das Wetter sollte Zeit haben, es sich anders zu überlegen. Hat es allerdings nicht, und so bin ich nach dem Frühstück hier in meinem schönen Apartment im Laufe des späten Vormittags dann doch aufgebrochen. Es ging nach Louisbourg.
Louisbourg war eine französische Festungsstadt und ab 1719 die Hauptstadt der französischen Kolonie Île Royale, zu der die Cape-Breton-Insel (auf der sich Sydney und Louisbourg befinden) gehörte, ebenso wie Prince-Edward-Island und die Îles-de-la-Madeleine, eine kleine Inselgruppe im St.Lorenz-Golf. Zu diesem Zeitpunkt hatte Frankreich schon alle seine anderen Besitzungen an der kanadischen Atlantikküste, einschließlich Neufundland, an England verloren. Einzig St. Pierre et Miquelon waren auch noch französisch.
Louisbourg war ein wichtiger Handelsstützpunkt als Zwischenstation des Handels mit den französischen Besitzungen auf dem kanadischen Festland und in der Karibik, aber diente vor allem dem Schutz der französischen Kabeljaufischer im Westatlantik. Man kann sich das heutzutage gar nicht vorstellen, welch wichtige Rolle kanadischer Kabeljau und der daraus hergestellte Stockfisch für Europa hatte. Es sei denn man ist schon mal in Portugal in nem Supermarkt gewesen und hat die riesigen Stapel keineswegs billigen Stockfischs in der dortigen Fischabteilung gesehen.
Den Engländern, vor allem den Neuengländern bevor sie zu Amerikanern wurden, war die französische Präsenz im Osten Nordamerikas ein Dorn im Auge. Einen ersten Versuch unternahmen die Engländer 1745 im Rahmen des Österreichischen Erbfolgekriegs. Louisbourg war zwar zur See hin stark befestigt, da die Franzosen hier die größte Gefahr in Form der englischen Flotte sahen. Von Land aus war das Gelände allerdings für die Verteidiger ungünstig und nach anderthalb-monatiger Belagerung musste sich Louisbourg ergeben. Im Jahr 1748 wurde Louisbourg zwar vertraglich an die Franzosen zurückgegeben aber das währte nur ein paar Jahre. Im Siebenjährigen Krieg ging es dann hier in Louisbourg richtig zur Sache. Am 26. Juli 1758 kapitulierte die Stadt ein zweites Mal. Dieses Mal machten die Engländer keine halben Sachen. Die französische Bevölkerung wurde nach Frankreich geschickt und die Stadt samt Festungsanlagen zerstört.
Ab 1961 wurden ungefähr 25% von Louisbourg auf den ursprünglichen Fundamenten wieder aufgebaut und sind heutzutage ein Freilichtmuseum, das einen tollen Einblick in das Leben einer französischen Kolonie in der damaligen Zeit gibt. Natürlich sind auch hier Mitarbeiter von Parks Canada in historischen Kostümen unterwegs und beantworten Fragen. Und man wird immer erst auf Französisch angesprochen, was ich sehr lustig finde.  Überhaupt ist hier in den atlantischen Provinzen das Französische deutlich weiter verbreitet, als ich es in Erinnerung hatte.
Im Gegensatz zu manch anderen Erlebnissen von meiner ersten Reise hier in der Gegend erinnere ich mich noch sehr gut an den Besuch in Louisbourg zusammen mit meiner Oma. Die Anlage an sich hat sich seitdem auch nicht verändert. Ich war mir nur nicht sicher, ob es damals schon das große Visitor Centre gab, von dem aus man mit dem Shuttle-Bus zum Eingang in die Festung gefahren wurde. Woran ich mich aber genau erinnere, das war das Wetter damals. Es war ein schöner, angenehm warmer sonniger Sommertag. Als ich das im Gespräch mit dem Studenten, der am Eingang den Wachsoldaten mimte, erwähnte, lachte er und sagte, dass der heutige Tag das viel typischere Wetter für Louisbourg sei. Im 25km entfernten Sydney könne es durchaus 30 Grad und sonnig sein und in Louisbourg wären trotzdem Nebel und Regen. Ein bisschen getröstet hat mich das jetzt schon, und so habe ich das heutige Wetter unter dem Aspekt „Realismus“ verbucht. Mit ähnlichen Bedingungen hatten die Franzosen vor 300 Jahren eben auch zu tun. Ich habe also mit Wind und Regen gekämpft, bewaffnet mit Schirm und North Face-Jacke, und letztendlich war’s alles halb so wild. Ein paar Mal hat es so geregnet, dass ich mich in einem der Gebäude untergestellt habe, und ein Becher Tee im Café war auch Teil des Programms. Aber es gab auch immer wieder Phasen ohne Regen und dann füllten sich die Straßen schnell mit Touristen und Menschen in alt-französischen Kostümen. Sieht man schön im ersten Bild des Tages. Ein Blick die Hauptstraße runter in Richtung Meer.
Gute zwei Stunden habe ich Louisbourg erkundet, den Elementen getrotzt und mit den kostümierten Mitarbeitern erzählt. Dann hab ich den nächsten Shuttlebus zurück zum Visitor Centre genommen. Ich habe mir noch die Ausstellung angesehen und bin anschließend noch mal mit dem Corolla die frei zugänglichen Straßen des Geländes abgefahren. Hier entstand auch das zweite Bild des Tages, ein Blick über die Hafenbucht von Louisbourg. Man kann trotz des Dunstes das gelbe Tor zum Hafen erkennen, das im ersten Bild des Tages das Ende der Hauptstraße markiert. An diese Ansicht kann ich mich auch noch von vor 32 Jahren sehr gut erinnern.
Ich bin dann noch ein bisschen über die Insel gefahren. Den Weg könnt Ihr in der Karte sehen. Ein Stopp am Flughafen durfte natürlich nicht fehlen, aber das Wetter war den Rest des Tages echt richtig traurig und so gab es keine Bilder vom Terminal oder von Fliegern.
Was bei der Fahrt auffiel, und auch schon vorher in der Gegend rund um Louisbourg aufgefallen war, das war der stark gerupft wirkende Wald. Eine der Mitarbeiterinnen am Visitor Centre hat es mir erklärt. Letztes Jahr am 24. September traf Hurrikan Fiona hier auf Land. Zum Glück kam niemand ums Leben, aber nach der Unterhaltung wusste ich auch, warum etliche Häuser hier noch mit Plastikplanen gedeckt sind.
Was der Plan für morgen ist, das weiß ich noch nicht. Der Wetterbericht ist nicht vielversprechend für meinen letzten Tag in Nova Scotia. Übermorgen geht es nämlich zurück nach Neufundland.


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