17. Oktober 2025

Heute morgen war mein Blutdruck schon vor dem ersten Kaffee hoch. Die Szenen in meinem Badezimmer entbehrten nicht einer gewissen Dramatik. Die Geschichte begann schon gestern Abend, als ich vor dem Schlafen ein letztes Mal ins Badezimmer bin, und dabei oben in der Ecke der Dusche einer großen Spinne ansichtig wurde. Nicht von der Sorte, die hier die riesigen Netze bauen, sondern vom Typ Wolfsspinne. Allerdings in groß. Ich würde schätzen, dass sie bestimmt so 6-7cm Spannweite hatte. Da oben in der Ecke in der Dusche war sie mir aber egal und ich wollte ihr ne Chance geben, sich wieder dahin zu verdrücken wo sie hergekommen war. Die Chance hat sie leider nicht genutzt, und saß heute morgen direkt überm Klo an der Wand. Ich bin also zum Angriff über gegangen und habe versucht sie zu vertreiben, was mir auch in sofern gelungen ist, als dass ich die Porzellanschüssel nutzen konnte ohne Angst haben zu müssen, dass mir etwas in den Nacken springt. Damit war die Sache aber nicht erledigt, denn das Tier war inzwischen durch die Duschkabine gehuscht und saß jetzt da im Rahmen der Abtrennung. Sehr suboptimal, vor allem weil die Fliesen ein graubraunes Muster haben und ich ohne Brille nicht mehr ausmachen konnte, wo der Gegner sich aufhielt. Ich habe mich also zum Einsatz chemischer Waffen entschlossen und ne Ladung Antibrumm drauf gesprüht. Der Wirkstoff in Antibrumm ist Deet und damit hatte ich in anderen Gegenden des Planeten und in vergleichbaren Situationen schon gute Erfolge erzielt. Scheinbar hatte sich die Wirkung von Deet aber noch nicht bis Rodrigues rumgesprochen, denn die Spinne war unbeeindruckt. Immerhin hatte sie sich nach mehreren Sprühstößen in die gegenüberliegende Ecke des Badezimmers bewegt, so dass ich ohne die Gefahr einer Konfrontation in hilflosem Zustand duschen und mich parat machen konnte. Sicherheitshalber habe ich aber sowohl den Koffer als auch den Kulturbeutel fest zu gemacht. Wann weiß ja nicht, auf welche Ideen so ein Tier kommt, das gerne dunkle Ecken und Winkel aufsucht, und nen blinden Passagier wollte ich wirklich nicht. 
Damit wir uns dem Bericht über meinen auch ansonsten noch sehr ereignisreichen Tag in Ruhe widmen können, nehme ich das Ende der Geschichte mal vorweg. Ich war sehr gespannt, was ich heute Abend in meinem Badezimmer finden würde. Was soll ich sagen? Zwischen Toilette und Mülleimer lag der zusammengerollte, leblose Körper meiner morgendlichen Nemesis. Allem Anschein nach hat das Antibrumm dann doch noch gewirkt. Mein Badezimmer scheint bis auf weiteres spinnenfrei und ich hoffe, ich träume diese Nacht nicht von Riesenspinnen.
So, und jetzt zum Rest des Tages. Wir haben es nämlich gerade mal bis 7:50h in der Berichterstattung geschafft.
Ich hatte über 2000tours eine Tour zur Ile aux Cocos gebucht. Diese mit Bäumen bewachsene, schmale Sandbank vor der Westküste von Rodrigues ist genau wie ihr nördlicher Nachbar, die Ile au Sable, ein Naturschutzgebiet. Vor allem brütende Seevögel haben hier weitgehend ihre Ruhe. Wie viele andere Hochseeinseln, zum Beispiel die Kleinen Antillen und der Hawaii-Archipel, haben auch die Maskarenen keine Möwen zu bieten. Was es allerdings gibt, das sind Seeschwalben. Auf der Ile aux Cocos brüten vier tropische Seeschwalbenarten: Rußseeschwalbe, Australseeschwalbe, Braunnoddi und Schlankschnabelnoddi. Das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Pünktlich um viertel vor neun war ich in Pointe du Diable (Ihr könnt den heutigen Tag auf der Karte mitverfolgen), und war da… alleine. Ein paar Minuten später traf Madame Maisy, mein Kontakt von 2000tours ein, und zu diesen Zeitpunkt füllte sich auch schon der Strand mit anderen Touristen und einer größeren Gruppe Schulkinder. Die Boote, mit denen man zur Ile aux Cocos gefahren wird, sind nicht groß und fassen so 15 bis 20 Personen. Hochseetüchtig müssen sie auch nicht sein, denn die Ile aux Cocos befindet sich in der Lagune, die sich rings um Rodrigues zieht. Die hohe See und damit auch der Seegang beginnt erst außerhalb des Riffs und da wollten wir ja nicht hin. Eineinviertel Stunden dauert die gemütlich Bootsfahrt und das Wasser ist so flach, dass man den größten Teil der Strecke den Boden der Lagune direkt unter dem Boot sehen kann. Stege gibt’s hier nicht, wir hatten also nen nassen Ein- und Ausstieg. Ich habe dabei immer Panik, dass ich mal mitsamt Equipment ins Wasser falle. Wäre doof, so mit Kamera und Handy… Aber hat wieder alles gut gegangen. Der Indische Ozean war übrigens erstaunlich frisch.
Auf der Ile aux Cocos leben tausende von Seeschwalben und so begrüßte uns bei der Landung ein entsprechender, aber echt nur leichter Guano-Geruch. Scheu sind die Vögel überhaupt nicht, so dass das Fotografieren eine wahre Wonne war. Als Bild des Tages gibt es deshalb auch ein Portrait eines Braunnoddis.
Eine Mitarbeiterin des Naturschutzgebietes hat für die gesamte Truppe inklusive Schulkinder eine kurze Führung gemacht, und ich dachte schon, „na das wird ja was werden“, aber die Vögel waren unbeeindruckt von den rund 60 Menschen, die da zwischen ihren Nistbäumen herliefen. Ich habe mich am Ende der Gruppe gehalten und in Ruhe fotografiert. Ich denke das gibt ein paar schöne Neuzugänge bei Frantis World.
Um zwölf hatte unser Skipper das Mittagsbuffet auf zwei Picknicktischen aufgebaut. Außer mir waren die zehn anderen Touris an Bord alle Franzosen. Ich weiß nicht wo die ganzen Deutschen sind, die hier täglich mit dicken Airbussen von Discover und Condor reinsegeln. Wahrscheinlich hocken die auf Mauritius in ihren Hotelanlagen und Ferienclubs. Im Land begegnet man jedenfalls kaum Deutschen, und hier auf Rodrigues sind Touris sowieso ziemlich rar. Ohne die Schulgruppe wären heute maximal 20 Personen zur Ile aux Cocos gefahren, und dabei ist die Insel hier die Hauptattraktion. Nach der Mittagspause – es gab sogar Eapelschloot, wie sich das für ein Picknick gehört – bin ich noch ein bisschen am Strand entlang spaziert und habe Vögel fotografiert. Um halb zwei war die Rückfahrt angesetzt, wegen der Gezeiten, wie unser Skipper sagte. Viel von Ebbe und Flut merkt man hier mitten im Indischen Ozean zwar nicht, aber wenn der Kiel des Bootes sowieso nur ein paar Zentimeter über dem Grund der Lagune hängt, dann können die Gezeiten trotzdem was ausmachen.
Auf der Rückfahrt sind wir nah an der Küste gefahren um dem starken Gegenwind aus dem Weg zu gehen. Seegang gab es zwar nicht, aber der Wind blies ziemlich Spritzwasser in unsere Gesichter. Um kurz vor drei waren wir wieder am Pointe du Diable und mussten ein zweites Mal ins Wasser aussteigen.
Für den Rest des Tages habe ich Inselrundfahrt gemacht. Im Prinzip von Pointe du Diable die Strecke auf der Karte entgegen dem Uhrzeigersinn. Schon lustig, dass es auf Rodrigues auch die „Vier Winde“ gibt. Habt ihr’s gefunden? Den kurzen Stopp am Flugplatz habe ich genutzt, um mit Hilfe des dort sehr gut funktionierenden Mobilfunknetzes bei Air Mauritius den Online-Checkin für morgen zu tätigen. Verkehr war leider keiner.
Rodrigues hat zwar nur rund 40.000 Einwohner, aber es hat nen eigenen römisch-katholischen Bischof und der hat natürlich auch ne Kathedrale. Der habe ich natürlich auch einen Besuch abgestattet Anschließend wollte ich, um wirklich alle Hauptstraßen von Rodrigues befahren zu haben, noch einen kurzen Abstecher nach Grande Montagne machen. Dabei bin ich am Besucherzentrum des Grande Montagne Nature Reserve vorbei gekommen und habe – eigentlich nur aus Neugier – angehalten. Es folgte ein sehr nettes Gespräch mit der Mitarbeiterin, die übrigens der erste Mensch hier auf Rodrigues war, der mehr als nur ein paar Brocken Englisch sprach. Jetzt habe ich für morgen, halb zehn noch ne zweistündige geführte vogelkundliche Wanderung gebucht. Das passt hervorragend in meinen Plan, denn der Flieger geht erst um viertel vor drei und so habe ich morgen noch reichlich Zeit hier auf der Insel. Vielleicht kriege ich ja dann doch noch den Rodriguesrohrsänger zu sehen oder gar vor die Linse. Was ich heute schon, Dank der ausführlichen Wegbeschreibung der Mitarbeiterin im Visitor Center, vor die Linse gekriegt habe, das sind Rodriguesflughunde. Auch ne endemische Art und das größte einheimische Säugetier auf der Insel. War sehr lustig, irgendwie. Ich stand da mit der Kamera am Straßenrand und die Fahrer der Autos, die ab und zu vorbeikamen, haben mir freundlich zugewunken und die Fußgänger haben nett gegrüßt… und sich wahrscheinlich alle gedacht: „Verrückter Tourist.“
Morgen geht’s wieder zurück nach Mauritius, denn am Sonntag fliege ich schon weiter nach La Réunion. Damit beginnt dann das dritte und letzte Kapitel meines Herbstabenteuers.


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