7. August 2025

Ich bin in Paderborn, der letzten Station auf meiner Reise. Gegen drei Uhr heute nachmittag bin ich hier aufgeschlagen und nach einer kleinen Siesta habe ich schon meinen ersten Stadtspaziergang und meine erste Besichtigung gemacht. Eines kann ich auf jeden Fall jetzt schon sagen: Paderborn gefällt mir richtig gut. Erstes Highlight… wobei, nee, das erste, wenn auch kleine Highlight war eine der Paderquellen… Zweites Highlight hier in Paderborn war ein Besuch der Ausstellung „775 – Westfalen“ im LWL-Museum in der Kaiserpfalz. Die Ausstellung dokumentiert aus gegebenem Anlass 1250 Jahre westfälische Geschichte, beginnend mit der ersten Erwähnung des Wortes ‚Westfalen‘ in einem Dokument Karls des Großen aus dem Jahr 775. Wirklich sehr schön gemacht, mit tollen Stücken und super präsentiert. Ich bin ja bei historischen Museen und Ausstellungen immer ziemlich kritisch, aber hier gab es heute (fast) nix zu meckern. LWL steht übrigens für Landschaftsverband Westfalen-Lippe und ist das Gegenstück zu unserem LVR.
Die karolingische Kaiserpfalz von Paderborn wurde in den 1960er Jahren nördlich des Paderborner Doms wiederentdeckt. Hier traf Karl der Große im Jahr 799 Papst Leo III., der aus Rom abhauen musste. Ein Jahr später wurde Karl in Rom zum Kaiser gekrönt. Das haben die beiden bestimmt hier in Paderborn ausgekungelt. Das heutige Gebäude mit dem Museum ist keine Rekonstruktion der karolingischen Pfalz. Es steht auf den Grundmauern der salischen Pfalz aus dem 11. Jahrhundert, die etwas weiter nördlich lag. Schlicht und schön gemacht und passt gut zum etwas höher gelegenen Dom. Im Gegensatz zu Münster und Osnabrück ist Paderborn nämlich etwas hügelig.
Nach der Ausstellung im Museum bin ich noch ein bisschen über den Domplatz geschlendert und an einem der Pader-Quellarme entlang spaziert. Zur Pader erzähle ich dann morgen mehr. Abendessen gab es in einem sehr schönen Steakhaus.
Hmmmm… soviel zum einwandfrei erfolgreichen und erfreulichen Teil meines Besichtigungstages. Den ersten Teil des Tages fand ich schwieriger. Ich glaube, ein bisschen ist schon im Video, das ich in die sozialen Medien gepostet habe, angeklungen. Nach dem Auschecken in Osnabrück bin ich zum Hermannsdenkmal gefahren.
Das Hermannsdenkmal reiht sich ein in eine Vielzahl patriotischer Denkmäler, die nach dem Sieg über Napoleon in den deutschsprachigen Ländern und ab 1871 im Deutschen Reich entstanden. Die Kolossalstatue auf steinernem Sockel mit begehbarer Außengalerie, die über den Teutoburger Wald ragt, soll Hermann, den Cherusker, darstellen, der die Römer in der Varusschlacht besiegt hat. Okay, der Sieger über Varus hieß Arminius, und das hat mit Hermann nichts zu tun. Es war auch nicht so, als wäre die Varusschlacht ein vereintes Aufbegehren aller Germanen gegen römische Unterdrückung gewesen. Der historische Cheruskerhäuptling Arminius hatte in Rom gelebt, besaß sogar das römische Bürgerrecht und hatte Kontingente römischer Hilfstruppen in Pannonien, dem heutigen Ungarn, befehligt. Nach dem Sieg über Varus gelang es Arminius – wenn er es denn je vorhatte – nicht, die Vereinigung der germanischen Stämme zu festigen und er wurde im Jahr 21 von seinen eigenen Verwandten ermordet. Wenn man es genau nimmt, dann verzögerte die Varusschlacht die Ankunft zivilisatorischer Segnungen wie gepflasterte Straßen, Kanalisation und öffentlich Badeanstalten im Gebiet rechts des Rheins um mehrere Jahrhunderte. Abgesehen von Arminius’ militärischem Erfolg über Varus ist das jetzt nicht gerade Material für ein strahlendes Heldenepos und Arminius taugt nicht wirklich als deutsche Integrationsfigur (auch wenn die Af* ihn hier auf ihre Plakate druckt mit dem Hinweis „Ich würde Af* wählen“). 
Nichtsdestotrotz war man im 19. Jahrhundert auf Identitätssuche und so hat man sich eben „Hermann, den Cheruskerfürsten“ gebastelt. Ja, ich habe oben und vorgestern mit Bedacht von „-häuptling“ gesprochen, denn viel mehr war die soziale Organisation der Germanen nicht. Man muss den Menschen helfen, so ein Denkmal zu verstehen, und den Versuch dazu unternimmt das ‚Hermanneum’ das Besucherzentrum unterhalb des Hermannsdenkmals. Ich finde es sehr schön gemacht, vor allem den Erklärfilm auf breiter Leinwand, in dem eine Computeranimation der Hermann-Figur erzählt und grübelt, was es denn mit dem Denkmal auf sich hat. Den Computer-Hermann fand ich echt niedlich, denn er kuckt manchmal ziemlich bedröppelt wie er da auf einem Stein sitzt, den Kopf auf die Hände gestützt, und erzählt über seine Vereinnahmung während im Hintergrund patriotische Postkarten aus dem Ersten Weltkrieg und Originalaufnahmen mit Kaisern und Hakenkreuzflaggen aufflackern. Er wurde nicht so wirklich schlau aus all dem. Mir ging es ehrlich gesagt auch so, als ich vor dem leibhaftigen Hermannsdenkmal stand. Die Bildsprache sprach nicht zu mir. Okay, es ist groß, es ist eindrucksvoll, es lässt sich gut fotografieren und instagramisieren, und man hat von der Galerie unterhalb der Statue nen tollen Blick auf die umgebende Landschaft Ostwestfalens, aber nach dem ersten Viertel des 21. Jahrhunderts muss ich beim Blick auf das Hermannsdenkmal auch schon sagen: „Wat soll dat?“
Und so steht er jetzt da, auf seinem Sockel, der Mythoshermann, und erscheint mir seltsam stumm. Das Bild des Tages bekommt der trotzdem.

P.S. Hat jemand meinen Musikvorschlag angehört und weiß, was er mit dem heutigen Bild des Tages zu tun hat?


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