9. August 2011
Wahrscheinlich seid Ihr grade etwas überrascht von dem Bild, das zu diesem Logbucheintrag gehört. Da bin ich schon mal in Washington und es gibt nicht das Weiße Haus oder das Kapitol oder das Lincoln Memorial oder das Washington Monument zu sehen, sondern die Bronzestatue eines älteren Herrn mit Hut im Rollstuhl. Aber in meinem Reiselogbuch geht es ja nicht um Mainstream-Tourismus, sondern um das was mich an einem Tag am meisten beeindruckt hat. Ich werde Euch also gleich erzählen, warum heute genau dieses Bild das Bild des Tages ist.
Um kurz vor 10 war ich heute morgen an der Metro-Station hier in Largo. Das ist die Endhaltestelle der blauen Linie. Ich habe einem der Automaten eine Pendler-Fahrkarte abgerungen und dann ging's ab in die Stadt. Man ist das ja nicht so wirklich gewohnt, in Amerika öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen aber es funktioniert überraschend gut. Ich bin an der Station Federal Triangle ausgestiegen und stand mitten im Herzen von DC, nur 5 Minuten Fußweg vom Weißen Haus entfernt.
Washington hat schon was von London, die Gebäude – selbst Neubauten sind in diesem typischen klassizistischen Stil des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gehalten – erinnern sehr an die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs. Wolkenkratzer sucht man hier allerdings vergeblich und die einzigen Hochhäuser, die man vom Lincoln Memorial aus sehen kann, liegen auf der anderen Seite des Potomac im Stadtteil Rosslyn. Da befindet man sich aber schon im Bundesstaat Virginia. Der Fluss ist die Grenze.
Wie es sich gehört bin ich dann erst mal bei Obamas vorbei und hab ein paar Fotos vom Weißen Haus gemacht. Das sieht echt aus wie man es aus dem Fernsehen oder Filmen kennt - relativ klein. Überhaupt sehen hier die meisten Baumwerke und Monumente so aus, wie man sie sich vorstellt oder wie man sie zu kennen glaubt. Das ist jetzt mein zweiter Besuch in Washington, und meine Erinnerung funktioniert „1A“, obwohl mein erster Besuch schon 17 Jahre zurückliegt. Man merkt aber auch, dass man hier im Zentrum der Macht ist und dass diese Macht sich bedroht fühlt. Polizei allüberall und alle paar Minuten fliegt ein Hubschrauber im Tiefflug vorbei. Und oben über dem Fluss donnern die Flieger im Landeanflug auf Washington National Airport.
Vom Weißen Haus ging's dann weiter zum Washington Monument, zum World War 2 Memorial und zum Vietnam War Memorial bevor ich am Lincoln Memorial mal ne Pause eingelegt habe. Man merkt schon deutlich, dass Pierre L'Enfant, der 1791 von George Washington den Auftrag erhielt, die neue Hauptstadt des jungen Staates zu planen, nicht kleckern sondern klotzen wollte. Alles ist sehr großzügig angelegt, ohne Rücksicht auf Verluste bei den Füßen der Touris. Ich habe heute gefühlte 10km Fußmarsch hinter mir. Allein die Strecke zwischen Kapitol und Lincoln Memorial sind 3,2km. Und zu allem Überfluss kam im Laufe des Vormittags auch noch die Sonne raus und ich bin dann doch an einigen Stellen, die bisher noch keinen Teint hatten, etwas verbrutzelt. Zum Beispiel an den Waden, was wohl daran liegt, dass ich heute Nachmittag schön von West nach Ost die Mall entlang zum Kapitol spaziert bin. Immer die Sonne im Rücken. Jedenfalls weiß ich was ich heute im Namen meines Bildungsurlaubs geleistet habe.
Vom Lincoln Memorial ging's dann wieder in die entgegengesetzte Richtung, mit nem kurzen Stopp am Korean War Memorial vorbei und dann kam mein persönliches Highlight des Tages, das es eben auch zum Bild des Tages geschafft hat. Das Franklin D. Roosevelt Memorial. Am Eingang erwartet einen der Mann im Rollstuhl. Im ursprünglichen Entwurf des Denkmals war diese Skulptur nicht vorgesehen. Sie wurde später – mit dem Hinweis „Prologue“ - dazugefügt. Das Memorial, 1997 von Bill Clinton eingeweiht, besteht dann nur aus diesen Bruchsteinmauern, so wie man sie auch auf dem Bild hinter der ersten Statue sieht. Der Weg windet sich zwischen den Mauern, auf denen Zitate von FDR stehen, und immer wieder Wasserfällen und bronzenen Skulpturen, die Szenen aus seiner Amtszeit darstellen, durch und endet an einer überlebensgroßen, sitzenden Statue des Präsidenten, der während seiner drei Amtszeiten die große Depression überwand und Amerika zum Sieg im Zweiten Weltkrieg führte, letzteres fast durchgehend im Rollstuhl. Unter den Zitaten, die in die Wände gemeißelt sind findet man unter anderem natürlich auch „The only thing we have to fear is fear itself.“
Ich war schon immer ein kleiner Fan von Franklin D. Roosevelt, aber heute war ich von seinem Denkmal echt von den Socken. Bei nächster Gelegenheit werde ich mal in ein, zwei Bücher investieren, und hätte das auch schon heute im dem dem Memorial angeschlossenen Buchladen getan, wenn es nicht so erbarmungslos heiß gewesen wäre und ich Lust gehabt hätte, die erworbene Literatur danach mit mir rum zu schleppen.
Vom FDR Memorial ging's zum Jefferson Memorial, dann noch mal kurz zum Weißen Haus um auch bei Sonnenschein ein paar Bilder zu machen und zum guten Schluss zum Kapitol, das herrlich in der Nachmittagssonne auf seinem Hügel lag.
Tja, Ihr merkt – es gibt soviel zu berichten, dass ich über einen kurzen Abriss des heutigen Tages nicht hinauskomme. Schon alleine was es am Lincoln Memorial alles zu sehen und beobachten gab, hätte die Seite hier vollgemacht. Deshalb leider nur ein kurzer Bericht mit dem Schwerpunkt auf FDR.
Übermorgen geht’s aber noch mal in die Stadt. Ich will mein Glück mit Karten für das Washington Monument versuchen und mir auch noch ne Führung durch's Kapitol geben lassen. Da kommt man nämlich, anders als in den meisten Bundesstaaten, nicht einfach so alleine rein.
Morgen aber steht der Tag im Zeichen der Luftfahrt und ich bin sicher, dass ich auch für die nicht ganz so Luftfahrtinteressierten unter Euch was Spannendes zu erzählen haben werde.
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