28. Juli 2011
Mein erster voller Tag im Land und er hatte es schon richtig in sich. Vier Bundesstaaten innerhalb von nur wenigen Stunden, das ist schon nicht ganz so einfach. Okay – vier ist eigentlich geschummelt. In Virginia war ich nur deshalb, weil die Straße für ein paar hundert Meter über das Gebiet dieses Staates lief. Aber Maryland, West Virginia und Pennsylvania standen heute ausführlich auf dem Programm. Heute morgen ging es schon ziemlich früh los, um kurz nach neun. Zwar hatte die späte Ankunft in Baltimore mir geholfen, gut zu schlafen, aber um kurz nach sieben ging dann nix mehr mit Augen zu, und so bin ich nach nem schnellen Frühstück im Hotel direkt aufgebrochen. Da ich aber heute ein sehr ehrgeiziges Besichtigungsprogramm hatte war das auch nicht weiter schlimm. Schwerpunkt des heutigen Tages war Geschichte. Dabei bin ich auch auf meinen eigenen Spuren gewandelt und habe heute eigentlich nur Orte besucht, wo ich bei meinem ersten Besuch in dieser Gegend hier schon mal war. Damals allerdings, in den Herbstferien 2000, war wirklich der Bürgerkrieg das Thema der Tour. Heute bot es sich dagegen einfach nur an, wo ich sowieso schon mal hier bin.
Den Auftakt machte ein Besuch in Harpers Ferry. Diese kleine Stadt liegt in West Virginia direkt am Zusammenfluss des Shenandoah und des Potomac River in den Blue Ridge Mountains. Die Gegend ist wild romantisch und für den Rest des Tages ging dann auch John Denver in meinem Kopf herum. Entstanden an der Stelle, wo vor ungefähr 250 Jahren der englische Kolonist Robert Harper eine Fähre über den Potomac einrichtete, war die Stadt im 19. Jahrhundert recht groß und industrialisiert. Zwei Eisenbahnlinien treffen hier zusammen und um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert wurde hier eine Waffenfabrik der amerikanischen Regierung gebaut. Diese Fabrik sorgte im Jahre 1859 dafür, dass das Städtchen in die amerikanische Geschichte einging, als John Brown, ein militanter Abolitionist, also ein Befürworter der Sklavenbefreiung, mit einigen Kumpanen die Fabrik und das dazugehörige Arsenal überfiel und mit den erbeuteten Waffen einen Sklavenaufstand anführen wollte. Der Überfall schlug aber fehl, Brown wurde verhaftet und wenige Monate später wegen Mordes und Hochverrats hingerichtet. Der Überfall führte aber zu einer weiteren Verschärfung der ohnehin schon angespannten Stimmung zwischen Nord- und Südstaaten und trug so nicht unerheblich zum Ausbruch des Bürgerkrieges bei. Heute ist der Ort ein Freilichtmuseum, denn nach mehreren Überschwemmungen Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Industrie vor Ort aufgegeben.
Als ich 2000 zum ersten Mal in Harpers Ferry war, war das Wetter schlecht und alles wirkte sehr düster zwischen den bewaldeten Schluchten der Blue Ridge Mountains. Heute im Sonnenschein und bei Kurze-Hosen-Wetter hat es mir dagegen deutlich besser gefallen, aber eine gewisse düstere Aura hat der Ort für mich immer noch.
Die nächste Station war das Antietam National Battlefield. Hier fand am 17. September 1862 eine der schwerste Schlachten des Bürgerkriegs statt. Auch hier war ich 2000 schon mal gewesen und war ehrlich gesagt heute überrascht und fast erschrocken, wie wenig ich davon noch in Erinnerung hatte. Es gibt eine schöne selbstgeführte Autotour über das Gelände, aber ich konnte mich einzig und allein an den Beobachtungsturm erinnern, der einen Rundblick über das Schlachtfeld und die eigentlich liebliche Landschaft im Vier-Staaten-Gebiet von Maryland, Virginia, West Virginia und Pennsylvania bietet.
Dafür hatte mein Gedächtnis dann aber zum Glück beim dritten Besichtigungsschwerpunkt des heutigen Tages weniger Lücken. Als Höhepunkt stand nämlich noch Gettysburg auf dem Programm, wo zwischen dem 1. und dem 3. Juli 1863 die Schlacht geschlagen wurde, die das Blatt im amerikanischen Bürgerkrieg zugunsten des Nordens wendete. Elf Jahre nach meinem ersten Besuch dort war ich immer noch genauso beeindruckt wie damals und eigentlich sogar noch mehr. Es gibt nämlich inzwischen ein hochmodernes, superschickes Besucherzentrum, wo man die Ereignisse des Juli 1863 genau erklärt bekommt. Dass die Amerikaner ein etwas seltsames Volk sind ist ja keine große Neuigkeit, aber ich finde die Art, wie sie mit ihrer Geschichte im Hinblick auf den Bürgerkrieg umgehen einerseits beeindruckend aber andererseits auch ein bisschen beängstigend. Okay – das jetzt auszuführen würde hier zu lange dauern. Ihr könnt mich gerne mal von Angesicht zu Angesicht darauf ansprechen.
Nach dem Besuch im Visitor Center habe ich mich dann auch in Gettysburg auf die selbstgeführte Autotour gemacht, was angesichts der 16km² Größe des Terrains auch dringend angeraten ist. Leider musste ich den Besuch allerdings etwas abkürzen, denn der Tag war schon fortgeschritten und ich musste von Gettysburg auch noch eine dreiviertel Stunde bis zum Hotel in Mechanicsburg fahren wo ich endlich um halb acht heute Abend ankam. Der Besuch in Gettysburg war den langen Tag aber auf jeden Fall wert. Irgendwie ist es schon fast unwirklich, durch die sanften Hügel, kleinen Wäldchen, durch die Mais- und Getreidefelder zu fahren und dabei überall von Monumenten und Kanonen an das Geschehen vor fast 150 Jahren erinnert zu werden. Ja, ich weiß - Militärgeschichte ist nicht jedermanns Sache und nicht jeder kann nachvollziehen, was mich an solchen Orten fasziniert und beeindruckt. Auch dazu bin ich aber gerne bereit, Aug' in Auge und am liebsten mit nem Bier oder schottischen Schnaps Rede und und Antwort zu stehen.
Auf Grund der Kontroversität des Themas wollte ich auch eigentlich kein Foto aus Gettysburg hier präsentieren, aber ich hab mich dann doch dafür entschieden. Auf dem Bild sieht man den Blick vom sogenannten „Little Round Top“, einem kleinen aber taktisch wichtigen Hügel auf dem Schlachtfeld, mit der lebensgroßen Statue des Brigadegenerals Gouverneur Kemble Warren, der hier geistesgegenwärtig den Kampf der Nordstaatler gegen einen Flankenangriff des Südens organisiert hat. Und außerdem gibt es auch noch ein bisschen von der schönen Landschaft hier zu sehen.
Okay, heute war's ein langes Logbuch. Morgen geht’s erst nach Harrisburg, das Kapitol von Pennsylvania besuchen und danach nach Pittsburgh zu Michi und Steffi.
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