18. Oktober 2016

Ich hab unruhig geschlafen in der letzten Nacht, wie das halt bei bevorstehenden großen Ereignissen schon mal so vorkommt. Heute ging es zum Gorilla-Tracking. Ich glaube ich hab's schon mal erwähnt: ich steh' nicht auf Affen... und Uganda ist ein ziemlich affenlastiges Safariland. Ich muss allerdings gestehen, dass ich beginne meine Ansichten über Primaten zu ändern. Meine Abneigung basiert schließlich vor allem auf meinen Erfahrungen mit Pavianen und Grünen Meerkatzen im südlichen Afrika. Das ist hier in Uganda schon ein bisschen was anderes.
Um viertel nach sechs klingelte heute morgen mein Wecker, um sieben gab's Frühstück und um zwanzig vor acht sind wir von der Lodge aufgebrochen. Bis zum Eingang des Bwindi Impenetrable Nationalparks waren es nur ein paar hundert Meter. Dort, im Visitor Center, gab es erst ein kurzes Video über Berggorillas und dann wurden die Touristen auf der Wiese vor dem Visitor Center zum Appell gebeten. Der Chief Ranger, David Agenya, hat uns erst mal was über den Park und die Gorillas und dann über die Verhaltensregeln während des Trackings erzählt. Man muss nämlich schon ein paar Dinge beachten. Dazu gehört, dass man gesund sein muss, denn die Gorillas sind für viele menschliche Krankheiten anfällig. Außerdem soll man einen Abstand von mindestens sieben Metern von den Tieren halten. Und die Faustregel, wenn es zu einem Angriff durch das dominante Männchen kommt, ist „Running is not an option.“ Super! Man soll stattdessen demütig zu Boden kucken, oder Blickkontakt mit dem begleitenden Ranger aufnehmen. Jetzt muss man wissen, dass so ein Berggorilla-Silberrücken schnell 200kg auf die Waage bringt und Oberarme hat, die dicker sind als die Oberschenkel von den meisten Bodybuildern. Und da die dominanten Männchen die Beschützer ihrer Familie sind, sind sie verständlicherweise ein bisschen 'hüh', wie man im Rheinland sagt.
Nach der Einweisung wurden wir den vier habituierten, das heißt an den Besuch von Menschen gewöhnten, Gorilla-Familien in der Buhoma-Region des Bwindi Impenetrable Nationalparks zugeteilt. Unsere Truppe sollte die Habinyanja-Familie besuchen. Zu uns fünfen (Dani ging nicht mit auf die Tour) kam noch Andrew, ein Amerikaner aus San Francisco dazu, der erzählte, dass er für eine Naturschutzorganisation Filme macht.
Im Bwindi Impenetrable Nationalpark gibt es auf einer Fläche von 331km² ca. 400 Berggorillas (nicht zu verwechseln mit den Tieflandgorillas, die man auch im Zoo sieht). Knapp die Hälfte davon lebt in habituierten Familien.
Eine gute dreiviertel Stunde mussten wir noch fahren, bis wir zum Startpunkt unserer Dschungelwanderung kamen. Die Touristengruppe, die gestern die Habinyanja-Familie besucht hatte, war drei Stunden gewandert, bis sie auf die Gorillas trafen. Das fand ich jetzt schon heftig, aber es ließ sich ja nicht ändern. Andererseits hat man auch schon mal Glück und die Gorillas ziehen über Nacht um und sind leichter zu erreichen. Manchmal dauert so ein Tracking nur zwanzig Minuten, in anderen Fällen ist man sechs Stunden unterwegs, bis man die einem zugewiesene Gorilla-Familie erreicht hat.
Am Ausgangspunkt trafen wir auch unsere Träger, denn für 15,00US$ oder 50.000 Ugandische Shilling kann man sich seinen Rucksack (mit der Kameraausrüstung, dem Lunchpaket, dem Fernglas, dem Mückenschutz, den empfohlenen zwei Litern Wasser, und der Regenjacke) von einem Bewohner der umliegenden Dörfer durch den Dschungel tragen lassen. Das post-kolonialistische Innere des normalen Mitteleuropäers sträubt sich zwar bei sowas ein bisschen, aber andererseits unterstützt man so direkt die Bewohner der Dörfer rund um den Nationalpark, was diese wiederum davon überzeugt, dass man mit dem Wald und den Gorillas mehr Geld verdienen kann, als wenn man das Gebiet rodet und Teefelder draus macht.
Wir hatten Glück und wurden vom Chef selbst geführt. Neben David und unseren Trägern wurden wir darüber hinaus von zwei Soldaten mit Kalaschnikows begleitet, hauptsächlich zum Schutz vor Elefanten. Es ging bergauf und bergab durch den Dschungel, weitestgehend auf einem ziemlich guten Trampelpfad. Ich muss sagen, dass mir der Wald ausnehmend gut gefiel und dass ich die Wanderung deutlich angenehmer fand als vorgestern beim Schimpansen-Tracking. Nach einer halben Stunde hatte David Kontakt mit den Trackern aufgenommen, die seit dem morgen auf der Suche nach der Gorilla-Familie waren und uns den aktuellen Aufenthaltsort mitteilen sollten. Er meinte, dass es jetzt noch eine Stunde zu gehen sei, „One hour... English time“. Das muss man in Uganda dazusagen, damit man die Zeitangabe realistisch einschätzen kann... *lach... Darüber hinaus war er auch mit unserer Wanderleistung sehr zufrieden... „We make good pace“.
Um kurz nach elf hatten wir die Tracker erreicht. Es gab eine letzte Einweisung, noch mal einen Schluck Wasser und dann ging's unter Davids Führung ran an die Gorillas. Ihr habt die Bilder des Tages wahrscheinlich schon gesehen. Man kommt diesen beeindruckenden Tieren richtig nahe. Leider war das Licht suboptimal, aber mit ein bisschen drehen an den Einstellungen der Kameras sind mir doch ziemlich gute Aufnahmen gelungen.
Da standen wir also... und direkt vor uns im Tal auf einer Lichtung spielten zwei Jung-Gorillas und ein Weibchen hielt sein Kind in den Armen. David meinte, dass der Silberrücken – der Chef der Habinyanja-Gruppe heißt Makara – nicht weit weg sein könnte, denn die Gorilla-Männchen sind in aller Regel liebevolle Väter und die Jungen, die nicht mehr direkt von ihren Müttern betreut werden, weil diese schon wieder neuen Nachwuchs haben, halten sich normalerweise in der Nähe ihres Vaters auf. Wir hatten noch keine drei Minuten dort gestanden, als es aus dem Dickicht heraus fauchte und schrie und Makara uns mit seinem ersten Scheinangriff sehr deutlich zu verstehen gab, wer hier der BOSS war und das Sagen hatte. David und der Tracker lachten, denn wir hatten alle instinktiv reagiert... weggerannt war aber niemand.
Ich kann Euch sagen, wenn da vier Zentner Silberrücken aus dem Unterholz rausschießen, da kriegt man einen ziemlichen Adrenalinschub. Schon erstaunlich, wie dann die Reflexe arbeiten... und das aber trotzdem ohne dass man die Nerven verliert. Wegdrehen und demütig zu Boden kucken und vielleicht einen Schritt oder zwei nach hinten gehen, das funktioniert 1 A. Weglaufen ist wirklich keine Option. Spätestens nach drei Schritten wäre man in der dichten Vegetation sowieso gestrauchelt.
Nachdem jetzt also auch dem letzten in der Gruppe klar war, dass Makara der Herr im Ring war, haben wir in aller Ruhe die Gorillas beobachtet... beim Spielen und Fressen und mit den Babies kuscheln. Es gab einen kleinen Ringkampf zwischen zwei Heranwachsenden und wir konnten sogar einen Blick auf das noch nicht mal einen Monat alte, jüngste Mitglied der Familie werfen.
Dann gab irgendjemand aus der Family das Signal zum Aufbruch und die Gorillas zogen los... und wir hinterher, mit David und einem der Tracker an der Spitze. Es ging durch's Unterholz und ein Bambusdickicht, und ich muss sagen, dass diese Tiere, die noch kurz zuvor behäbig und tolpatschig gewirkt hatten, sehr zügig und zielstrebig unterwegs waren. Da kommt man als Mensch kaum mit. Im Bambusdickicht gab es eine kurze Pause. Andrew hat mit seinem Stativ und seiner fetten Videokamera und seinem amateurhaften Umgang mit seiner teuren Ausrüstung etwas genervt. Genervt war offensichtlich auch Makara, der hier seinen zweiten Scheinangriff auf uns startete.
DIe Gorillas zogen dann den gegenüberliegenden Hang hinauf und wir wieder hinterher, aber mit dem Versuch, die Gorillas links zu überholen. David erklärte uns, dass man in so einer Situation tunlichst vermeidet, dass sich der Silberrücken am Hang über einem befindet. Makara hatte aber andere Pläne für uns und teilte uns dies mit einem weiteren „mock attack“ mit, in dessen Verlauf auch ein kleines Bäumchen dran glauben musste, dessen Wipfel meinen Reisegefährten Nikolaus traf. Personenschäden waren allerdings zum Glück nicht zu verzeichnen. Wir sind also dann rechts rüber und dann fing's an zu regnen. Tropischer Regenwald, halt. Die Gorillas haben daraufhin die Wanderung eingestellt und sich erst mal unter die Blätter gehockt und mit verschränkten Armen da gesessen, uns beobachtet und auf das Ende des Regens gewartet. Unsere Träger kamen nach und so hatten dann auch wir Regenschutz. So langsam näherte sich auch unsere Stunde – das ist die maximale Aufenthaltsdauer bei einer habituierten Gorilla-Familie – dem Ende. Bevor wir aber aufgebrochen sind wollte Makara noch einen Träger und einen der Tracker ein bisschen bang machen... Scheinangriff Nummer vier.
Nach einer guten Stunde Beobachtungszeit gab David für uns das Signal zum Rückzug. Es ging zuerst wieder querwaldein und dann auf den Trampelpfaden zurück zum Ausgangspunkt. Unterwegs haben wir noch ein Picknick im Dschungel gemacht und gegen 14:00Uhr waren wir wieder am Parkplatz, wo Dani und der Landcruiser auf uns warteten.
Die Fahrt zum Lake Bunyonyi, wo wir für die nächsten beiden Nächte unser Quartier haben, war landschaftlich sehr reizvoll, aber irgendwie hing uns allen noch das Gorilla-Erlebnis nach. Wir haben in einer Stunde sehr viele Verhaltensweisen dieser Tiere gesehen: spielen, fressen, Babies betreuen, sich verteidigen, wandern, sich vor Regen schützen. Das Gorilla-Tracking hat meine Erwartungen mehr als erfüllt und war ein weiterer fantatsischer Höhepunkt meiner Uganda Tour... was man vielleicht auch daran erkennt, dass dies hier der längste Logbucheintrag ist, den ich je geschrieben habe :-) Ich hoffe Ihr habt trotzdem bis zum Schluss gelesen.

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