6. August 2019

Heute war wahrscheinlich der am schlechtesten geplante Tag der gesamten Tour. Ich hatte mir nicht so wirklich Gedanken gemacht, was man in Edmonton unternehmen kann, vor allen Dingen, weil ich ja eigentlich statt zwei nur einen Tag hätte haben sollen und es klar war, dass ich spotten und einkaufen wollte. Insofern hatte ich nix auf dem Schirm außer, dass ich mal in die Stadt reinfahren wollte.
Dann begab es sich, dass ich kurz vor meiner Abreise über Facebook mitbekam, dass eine ehemalige Schülerin, Temina Girod, die zwar aus Kanada stammt aber an meiner Schule 2013 den Realschulabschluss und anschließend am St. Michael-Gymnasium in Bad Münstereifel Abi gemacht hat, jetzt in Edmonton lebt und studiert. Wir waren also für heute um 14 Uhr zum Kaffee verabredet.
Heute morgen hat‘s hier noch ein bisschen geregnet und ich habe den Tag entsprechend gemütlich angehen lassen und dann gedacht, „Och, befrag doch mal das Internet, was man in Edmonton alles so machen kann, außer sich das Parlamentsgebäude von Alberta anzusehen.“ Was soll ich sagen? Nur 45km östlich von Edmonton befindet sich der
Elk Island Nationalpark. Damit war das Nachmittagsprogramm für mich eigentlich schon klar, allerdings hab ich mich dann etwas beeilt, um noch in die Stadt zu fahren, das Parlament von Alberta zumindest von außen zu besichtigen, und nach nem guten Aussichtspunkt für ein Skyline-Foto von Edmonton Ausschau zu halten. Fotos des Tages hätte es zu diesem Zeitpunkt schon genug geben.
Um zwei haben Temina und ich uns in einem schönen Café in Strathcona getroffen, in dem Teil von Edmonton auf dem Südufer des North Saskatchewan River, der bis 1912 eine eigenständige Stadt war. Wir haben anderthalb Stunden zusammengesessen und sehr schön erzählt, und zwar eigentlich kaum von der Schule, was ich immer ein gutes Zeichen finde, wenn ich Leute treffe, wo die Schule der gemeinsame Ausgangspunkt war. Wenn immer nur von früher erzählt wird und nicht von heute und von Zukunftsplänen, finde ich das ein bisschen doof.
Nach dem Kaffee mit Temina bin ich in Richtung Elk Island Nationalpark aufgebrochen. Vom Zentrum von Edmonton aus ist das ne knappe dreiviertel Stunde Fahrt. Zum Glück habe ich heute morgen noch meine Jahreskarte von Parks Canada gefunden. So musste ich keinen Eintritt bezahlen.
Der Elk Island Nationalpark ist mit 194km² einer der kleinen Nationalparks in Kanada. Noch dazu wird das Gebiet durch den Yellowhead 16-Highway (Ihr erinnert Euch?), der von Edmonton in Richtung Winnipeg führt, in zwei Teile geteilt. Im südlichen Teil leben rund 300 Wald-Bisons, deren Vorfahren 1965 aus dem Wood Buffalo Nationalpark hier hingebracht wurden und die genetisch einwandfreiste Population von Wald-Bisons darstellen. Leider hatte man nämlich in den 1920er-Jahren – in einem dramatischen Beispiel von „‚Gut gemeint‘ und ‚gut gemacht‘ sind zwei GANZ verschiedene Dinge“ - einige tausend Prärie-Bisons im Wood Buffalo Nationalpark angesiedelt, die sich mit den Wald-Bisons vermischten, so dass man bis in die 1950er Jahre glaubte, reinrassige Wald-Bisons wären ausgestorben. Dann hat man aber doch noch welche gefunden und jetzt gibt es wieder rund 7000 Exemplare dieser größten Bison-Unterart, unter anderem im Südteil des Elk Island Nationalparks. Im Nordteil des Parks, der für Besucher auch mit dem Auto zugänglich ist, leben dagegen 450 Prärie-Bisons.
Gegen halb fünf war ich vor Ort, und hatte auf dem Weg schon einen Büffel direkt am Zaun, auf der rechten, also südlichen Seite des Highways stehen sehen, einen Wald-Bison also. „Hmmmm“, hab ich mir gedacht, „kann also nicht so schwer sein mit der Safari hier.“ War es dann aber doch.
Ich habe am Visitor Centre angehalten, nen kleinen Verzäll mit einer der Rangerinnen gehalten, ne Karte des Parks und eine Vogel-Checkliste bekommen, und dann ging es auf Pirsch. Es gibt ein paar Straßen und auch einen Schotter-Rundweg im Park, wo man Tiere sehen kann. Mit Glück, versteht sich, denn man ist hier immerhin auf Safari und ohne Glück läuft da nix. Neben Bisons gibt es auch Elche, Wapitis, Maultierhirsche, Weißwedelhirsche, Schwarzbären, Kojoten und ab und zu auch Wölfe im Park… plus eine Vielzahl kleinerer Säugetiere und natürlich etliche Vogelarten.
Ich bin also mit dem Golf schön langsam durch den Park gepirscht, und habe vor allem Vögel zu Gesicht bekommen. Unter anderem eine für meine persönliche Liste komplett neue Art, aber auch etliche Arten, die ich zwar schon kannte, aber auf dieser Tour noch nicht gesehen hatte.
Die Landschaft des Parks ist weitgehend flach und besteht aus Wäldern mit kleinen und größeren Lichtungen sowie vielen Seen und Sümpfen. Idealtypisches Kanada außerhalb der Berge, wie ich finde. Man kann an einigen Stellen Wanderungen machen, aber das war für mich heute aus Zeitgründen keine Option. Ausgestiegen bin ich aber trotzdem, um das Vogelleben auf den Seen zu beobachten… Naja, und nicht nur das Vogelleben, wie man im ersten Bild das Tages sieht. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben wilde Biber gesehen. Die waren sogar recht entspannt. Der erste war noch weit weg und ich hatte nur ein kryptisches Beweisfoto. Aber danach habe ich an anderen Stellen noch mehrere Biber webseiten-tauglich vor die Linse bekommen.
Ich bin insgesamt einmal quer durch den Park bis zum nördlichen Tor und habe mich dann wieder auf den Weg zurück gemacht. Bisons hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine gesehen, aber dass es welche geben musste, davon zeugten die zahlreichen
Wälzstellen, die die Straße säumten. Ich hatte die Hoffnung schon fast auf gegeben und mich damit abgefunden, dass ich womöglich vom Highway aus Bilder durch den Zaun machen müsste, aber dann kam ich kurz vor dem südlichen Ausgang des Parks über eine Straßenkuppe und da kam mir in geschätzten dreihundert Metern ein Prärie-Bison-Bulle entgegengeschlendert. Ich habe an meine Erfahrungen mit Elefanten im Krüger-Nationalpark gedacht, und das Auto angehalten. Jetzt ist so ein Bison-Bulle im Gegensatz zu einem Elefanten natürlich keine richtige Gefahr für Menschen in Autos, aber so ein paar kräftige Blötschen hätte das bestimmt gegeben. Der Kamerad war aber nicht wirklich aus der Ruhe gebracht dadurch dass er mich vor sich auf der Straße sah (und hinter sich auch noch ein Auto hatte, das ihm mit Sicherheitsabstand im Bison-Schritttempo folgte). Ich habe also schön die Kamera betätigt während er näher und näher kam und auf meiner Höhe einen höflichen Schlenker nach rechts auf den Seitenstreifen machte, um danach wieder auf die Fahrbahn einzuschwenken… *lach… absolut tolles Erlebnis… und ein Büffelfoto wie aus dem Bilderbuch. Danach konnte ich beruhigt zurück ins Hotel fahren.
Auf dem Rückweg habe ich vom Highway aus dann noch einige weit entfernte Prärie-Bisons auf der nördlichen und zwei weitere Wald-Bisons auf der südlichen Seite gesehen, plus zwei Weißwedelhirsche. Der Ausflug zum Elk Island Nationalpark war also trotz der Kürze ein voller Erfolg.
Heute Abend gab es dann noch mal Prime Rib zur Feier des letzten Abends, während die Blue Jays ein bisschen doof gegen die Tampa Bay Rays in 10 Innings verloren haben. Mein Gepäck ist weitgehend gepackt, ich muss morgen nur noch die letzten Sachen in den Sammy und die Echo Bay-Tasche schieben. Um sieben geht der Wecker, um acht will ich zum Flughafen fahren und um viertel nach zehn startet (planmäßig) die erste von drei Etappen meines Heimflugs. Ich weiß noch nicht genau, wie ich es mit dem Logbuch hinkriege, ob es morgen eines gibt und am Donnerstag das Fazit, oder ob ich das kombiniere. Kommt unter anderem drauf an, ob ich morgen Bildmaterial habe und wieviel Aufenthalt ich in Toronto vor dem Flug über den Atlantik haben werde.

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