19. Juli 2019

Heute morgen strahlte die Sonne über Tofino und so blieb es auch den Rest des Tages. Meine heutige Whale Watching Tour war für 14:30 Uhr angesetzt und so hatte ich heute einen gemütlichen Vormittag. Ich habe ausgeschlafen und bin dann ins Städtchen gefahren und dort ein bisschen spazieren gegangen. Mein Hotel liegt zwar nicht wirklich außerhalb, aber ich war heute morgen echt faul und außerdem nicht sicher, ob ich nicht im örtlichen Co-op noch in paar Einkäufe für die nächsten Tage machen sollte. Ich habe ein bisschen am Hafen gestanden und den Wasserflugzeugen zugekuckt. Dann habe ich mir nen Modekaffee besorgt und bin auf gut Glück zum Flugplatz gefahren, um dort vielleicht nen Flieger vor die Linse zu kriegen. War leider Fehlanzeige und auch das Terminal zu fotografieren funktionierte wegen des Gegenlichts nicht. Wieder in Tofino bin ich bei nem Liquor Store vorbei und habe zwei Flaschen Bier der Tofino Brewing Co. für den Export erstanden. Es gibt hier in British Columbia so viele Kleinbrauereien, dass ich nen ganzen Container Bier mit nach Hause nehmen könnte. Selbst von der Brauerei hier in Tofino gibt es bestimmt sechs verschiedene Sorten Bier. Aus Gewichtsgründen habe ich mich auf zwei Flaschen beschränkt. Immerhin muss das Zeug in meinem Koffer noch über den Polarkreis und dann nach Deutschland.
Zum Whale Watching bin ich zu Fuß. Das Büro von West Coast Aquatic Safaris liegt einfach nur die Straße runter. Natürlich hatte ich mich auch dieses Mal gedopt, und im Laufe der drei Stunden stellte sich das als eine sehr gute Idee heraus, denn obwohl die Sonne aus einem wunderbar blauen Himmel schien, war der Pazifik vor der Küste doch eher bewegt. Lediglich zwischen den kleinen Inselchen rund um Tofino war das Wasser ruhig. Zwar war ich heute nicht mit einem Zodiac sondern einem größeren Boot unterwegs, aber auch das wird für mich mit ein bisschen Dimenhydrinat viel erträglicher.
Es dauerte nicht lange und wir hatten den ersten Wal gefunden… einen Grauwal. Der hat mir noch auf meiner Liste gefehlt, wobei ich vor 16 Jahren am Ende meiner Whale Watching Tour von Tofino aus auch einen jungen Grauwal in einiger Entfernung zu sehen bekommen hatte. Aber das war in der vordigitalen Zeit. Heute waren wir ziemlich nah dran und ich habe auf jeden Fall webseitentaugliche Fotos bekommen. Sieht man ja im ersten Bild des Tages.
Grauwale sind im Gegensatz zu Buckelwalen deutlich weniger vorteilhaft zu fotografieren, weil sie keine echte Rückenflosse sondern nur so ein paar Hubbel auf dem Rücken haben. Man erkennt im Foto aber gut die graue Farbe, während Buckelwale auf der Oberseite schwarz sind. Ein weiterer Nachteil beim Fotografieren von Grauwalen ist, dass man nur eher selten die Schwanzflosse zu sehen bekommt. Grauwale bevorzugen nämlich flaches Wasser, wo sie den Schlick vom Meeresgrund durch die Barten filtern. Dafür müssen sie nicht so tief runter tauchen. Buckelwale sind da normalerweise berechenbarer. Nach drei- bis viermal flach auftauchen geht‘s abwärts und dabei heben Buckelwale die Schwanzflosse fotogen über die Wasseroberfläche.
Der Grauwal war aber nicht der einzige Meeressäuger, der mir heute mit Webseitenpotenzial begegnet ist. Nachdem wir den Grauwal beobachtet hatten, hat unsere Skipperin uns zielsicher zu einer Stelle gesteuert, wo man Seeotter beobachten kann. Diese knuffigen Tiere waren um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert fast völlig ausgerottet, aber nach einem kompletten Jagdverbot ab 1911 in Kombination mit Wiedereinbürgerungsprogrammen haben sich die Bestände erholt. Seeotter gehören zu den wenigen Tieren die regelmäßig Werkzeuge benutzen, indem sie nämlich Steine auf ihren Bauch legen um darauf Muscheln und andere Krustentiere zu knacken. Man mag‘s glauben oder nicht, aber die Otter haben Lieblingssteine, die sie in einer Hautfalte unter den Vorderbeinen verstauen. Taschenmesser in der Hosentasche haben also durchaus ein Vorbild in der Natur. Im zweiten Bild des Tages könnt Ihr einige der Seeotter sehen, die wir heute getroffen haben. Nachdem es gestern also gar kein Safari-Foto gab, habe ich heute zwei für Euch.
Außer den beiden Stars der Tour – Grauwal und Seeotter – gab es heute auch noch mal Steller-Seelöwen, viele Vögel und nen Buckelwal. Beim Sichten der Fotos fiel mir allerdings auf, dass ich heute nur ganze drei Fotos von dem Buckelwal gemacht habe. Ich glaube ich bin noch etwas verwöhnt von meiner ersten Ausfahrt von Victoria aus.
Morgen habe ich nen langen Fahrtag vor mir. Ich muss bis nach Port Hardy im Norden von Vancouver Island, wo übermorgen die Fähre startet. Über 500km muss ich morgen schaffen… und unterwegs noch das Luftfahrtmuseum in Comox besichtigen. Da war ich auch auf meiner Tour 2003, aber – Ihr ahnt es schon – natürlich ohne Digitalkamera, und Frantis World braucht ja, wie Ihr wisst, regelmäßig neue Fotos von historischen Fliegern. Der Plan ist also, morgen früh um acht hier aufzubrechen. Sollte zu schaffen sein. Nicht zuletzt, weil es gerade im Moment erst viertel vor neun abends und das Logbuch fast fertig ist. Ich sitze in der Bar des Hotels und trinke kanadischen Whiskey, der auf Vancouver Island hergestellt wurde. Hat mir der Barkeeper empfohlen und schmeckt ganz gut. Letztendlich bin ich aber doch eher für Scotch zu haben… *lach… Heute war jedenfalls ein guter Tag, und auch wenn Tofino nicht mehr das ist, was es mal war, so bin ich – nach dem ersten Schock gestern – ein bisschen versöhnt. Die schönen Ecken sind immer noch da und es gibt auch immer nach weder Mäckes noch Burger King noch Starbucks in diesem Ort. Und noch dazu kreisen oben drüber Weißkopfseeadler wie bei uns Rote Milane kreisen.

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