17. Juli 2019

Der heutige Vormittag gab nicht so wirklich Anlass zur Freude. Nicht nur, dass es heute in Victoria geregnet hat (was eigentlich das Standard-Wetter für die hier Gegend ist). Außerdem habe ich mich heute von meinem Ford Fusion getrennt. So schön die Kiste auch zu fahren war, im Kofferraum stank es. Keine Ahnung woher, aber es war irgendwas zwischen sehr reifem Käse und Verwesung und der Geruch war gestern schon bis in meinen Koffer gezogen als ich hier im Hotel das Gepäck aufgemacht habe. Ich bin also kurz entschlossen zu AVIS hier in der Innenstadt gefahren. Dem Mitarbeiter war die Problematik auch sofort einleuchtend und ich habe ein neues Auto bekommen. Leider allerdings zwei Kategorien kleiner, denn der Fusion war ein kostenloses Upgrade von AVIS gewesen. So bin ich also jetzt in einem nicht mehr ganz flammneuen, ebenfalls weißen Toyota Yaris unterwegs. Ist aber eigentlich auch okay. Es ist jetzt jedenfalls wesentlich einfacher, nen passenden Parkplatz zu finden. Und Bluetooth hat er auch.
Was der Yaris allerdings nicht hat, das ist GPS. Ich habe dementsprechend heute nachmittag erst einmal eine Straßenkarte von British Columbia erstanden. Die Navigation ist also jetzt ganz Old School. Und zur Not habe ich ja auch noch ein GPS-fähiges Handy.
Nach dem Autotausch habe ich mir in der Kaffeebud um die Ecke (nein, nicht meine Hausmarke aus Seattle… hier in Kanada gibt es sehr viele unabhängige Mode-Cafés) einen Kaffee und etwas Gebäck besorgt und in meinem Zimmer gebruncht. Heute stand nämlich eine weitere Whale Watching-Tour an und mit nüchternem Magen auf‘s Boot ist ziemlicher Mist. Aber natürlich habe ich auch ein bisschen Dimenhydrinat eingeworfen.
Die heutige Tour hatte ich bei einem anderen Anbieter als gestern gebucht, nicht zuletzt, weil Eagle Wing Tours keine Zodiacs besitzt. Ich wollte nämlich heute ein bisschen näher an der Wasseroberfläche sitzen, nachdem ich gestern mit einem großen, bequemen Tour-Boot unterwegs gewesen war.
Ein weiterer Vorteil von Springtide Whale Watching war, dass deren Büro quasi direkt um die Ecke von meinem Hotel liegt und ich nicht erst noch durch die halbe Stadt laufen musste. Um viertel nach 12 sollte ich da sein, hatte man mir gesagt, und das war ich dann auch. Im Regen…
Der Nachteil von einer Whale Watching Tour im Zodiac ist, dass man nass werden kann. Und zwar heute nicht nur von Spritz- sondern auch von Regenwasser. Ich habe also meine Ausrüstung auf ein Minimum beschränkt, die Ersatzakkus und -speicherkarten in Plastikbeutel gewickelt… und mich selber in mehrere Lagen von Klamotten. Was für ein Kontrast zu letztem Jahr, als ich in meinem Sommerurlaub fast vier Wochen in kurzer Hose unterwegs war. Heute habe ich zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben, glaube ich, während meiner Sommerferien ne lange Unterhose angezogen, und ich sage Euch, ich habe es nicht bereut. Auf dem Meer ist es hier kalt, und der Fahrtwind tut sein übriges. Ein Merino-Unterhemd ist da sowieso Pflicht. Man ist ja nicht mehr 35.
Insgesamt waren mit mir nur fünf Passagiere auf dem Boot, das eigentlich Platz für zwölf hat. Dadurch war‘s ein bisschen entspannter und ich hatte eine ganze Bank für mich, was die Beobachtung und das Fotografieren sowohl nach back- als auch nach steuerbord leichter machte. Unser Skipper Alex wusste gut Bescheid und hatte auch das Zodiac gut im Griff. Nachdem er uns in die Rettungsanzüge gesteckt hatte, ging‘s los. Weil in der Juan de Fuca Strait heute mittag Nebel herrschte sind wir zu den San Juan Islands gefahren, die zum US-Bundesstaat Washington gehören. Die Grenze zwischen den USA und Kanada könnt Ihr in der Karte übrigens als durchgezogene graue Linie erkennen. Walen sind internationale Grenzen natürlich ziemlich egal. Die reisen ja immer visumfrei… *lach…
Nachdem wir gemütlich aus dem Hafen rausgezuckelt waren – hier gibt‘s natürlich ne Geschwindigkeitsbeschränkung – hat Alex den Riemen auf die Kiste geworfen und es ging zügig in Richtung USA. Die Tourboot-Skipper halten natürlich per Funk Kontakt und so brauchten wir nicht schwer zu suchen, sondern hatten schon bald ein Rudel Schwertwale gefunden, die an der Küste der San Juan Islands entlang schwammen. Und das ziemlich dicht. Den besten Blick auf die Orcas hatten heute die Leute an Land. Die Tourboote müssen natürlich nen gewissen Abstand halten und wenn die Tiere nicht von selber näherkommen, dann sind Nahaufnahmen schwierig. Noch dazu, wenn das Meer ziemlich unruhig ist, wie in dem Seegebiet rund um die San Juan Islands, wo nicht nur der Wind sondern auch die Strömungen und Gezeiten für einigen Seegang sorgen. Richtige Nahaufnahmen von Schwertwalen, wie ich sie 2003 als Dias machen konnte, habe ich daher heute leider nicht bekommen. Dafür konnten wir den Walen aber heute richtig bei  der Arbeit zusehen. Die sind nicht einfach nur vorbei geschwommen, sondern wir konnten das Verhalten beobachten. Das Rudel zog an der Küste vorbei und hat richtig zwischen den Felsspalten nach Nahrung gesucht. Ein paar recht brauchbare Fotos sind zum Glück aber trotzdem dabei rumgekommen. Ebenfalls zum Glück hatte es inzwischen aufgehört zu regnen und die Sonne kam immer wieder mal kurz raus.
Ne gute Stunde haben wir die Orcas beobachtet, dann ging es zurück, mit einem kleinen Abstecher nach Discovery Island, wo wir noch ein paar Seehunde und Weißkopfseeadler gesehen haben… und Truthahngeier, nen Kanadareiher, Nashornalken und einen Gürtel-Kingfisher…
Um viertel nach vier, nach gut drei Stunden Zodiac-Safari waren wir wieder im Hafen von Victoria, den man im zweiten Bild des Tages sieht. Ich bin noch ein bisschen durch die Stadt spaziert und in einem Buchladen ein hängen geblieben. Neben der Straßenkarte sind so zwei runtergesetzte Bücher, eines über den Hadrianswall und eines über die Raben im Tower of London, in meinen Besitz gelangt.
Morgen geht es weiter nach Tofino an der Pazifik-Küste. Da kann der Yaris mal zeigen, was er kann. Das sind immerhin über 300km.

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