Reiselogbuch - 2019 Libanon
13. Oktober 2019
Ich bin in Beirut… vierzehn Jahre ist mein letzter Besuch im Libanon jetzt her und ich kann meine Gründe für diese Reise ganz einfach beschreiben: Ich hatte Sehnsucht. Zum Jahreswechsel 2003/2004 war ich hier und dann noch einmal in den Osterferien 2005. Beide Reisen waren mit Familienbesuch bei Georg und Madelene verbunden, die damals hier in Beirut ihre erste Auslandsstation hatten. Ich hatte schon lange damit geliebäugelt, dieses kleine Land am Rand des Nahen Ostens, das es mir bei meinen ersten Besuchen sehr angetan hat, noch einmal zu besuchen. Der Einfachheit halber mache ich das jetzt im Rahmen einer Gruppenreise... von Ikarus Tours, mit denen ich ja schon in Indien, Brasilien und Ägypten war.
Meine Erwartungen an diese Reise sind allerdings realistisch. Es ist klar, dass es ein großer Unterschied ist, ob man ein Land mit Familienanschluss besucht, oder ob man mit einer Reisegruppe unterwegs ist. Außerdem bin ich im Herbst hier, während meine beiden ersten Besuche im Winter und im Frühjahr stattfanden. Heute war‘s 30 Grad, diesig und schwül. Das hab ich bei meinen ersten Besuchen nicht erlebt. Und natürlich sind die letzten 14 Jahre auch nicht spurlos an diesem Land vorbeigegangen, insbesondere der syrische Bürgerkrieg und die wieder aufgeflammten Konflikte mit Israel. Es wird also auf jeden Fall eine spannungsreiche Tour sein und ich bin schon sehr neugierig, was ich hier wiederentdecke oder an Neuem kennenlerne.
Heute war zuerst einmal Anreise angesagt. Ich war schon gestern abend mit der Bahn nach Frankfurt gefahren und hatte eine geruhsame Nacht in nem Hotel am Flughafen. Der Flieger der Lufthansa ging heute vormittag um kurz vor elf, da wollte ich mir den Stress der Zugfahrt am frühen Sonntagmorgen nicht antun. Der Flug war mit Lufthansa und es wurde die gewohnt solide, locker-freundliche Arbeit abgeliefert, die ich in den letzten Jahren von der Lufthansa kennengelernt habe. Das Essen war topp, der Service ebenso und die drei Stunden und achtundvierzig Minuten Flugzeit gingen flott rum.
Ähnlich wie bei meiner Ägypten-Tour wurden wir am Flughafen nur von einem Vertreter der Agentur und einem Fahrer empfangen, der uns dann ins Hotel gebracht hat. Die Gruppe besteht inklusive mir aus insgesamt acht Leuten, sechs Deutsche und zwei Schweizer. Der Transfer zum Hotel war ne ziemlich schweigsame Angelegenheit und auch beim gemeinsamen Abendessen kam das Gespräch eher langsam in Schwung. Mal sehen, wie sich das in den nächsten Tagen entwickelt. Ist ja insgesamt nur ne Woche. Da wächst man wahrscheinlich nicht so zusammen, wie wenn man länger unterwegs ist. Wobei es natürlich auch auf die Leute ankommt. Schaun mer mal.
Vor dem Abendessen bin ich aber erst einmal zur Corniche, der Beiruter Uferpromenade am Mittelmeer gegangen. Das ist vom Hotel aus nur die Straße runter und einmal rechts abbiegen. Rund fünf Minuten zu Fuß. Hier tobte am frühen Sonntagabend das gesellige Leben von Beirut, so wie ich es in Erinnerung hatte. Leute gingen mit ihren Kindern spazieren, Jogger bahnten sich den Weg durch die Menschen, junge Libanesen saßen rauchend und handyflitschend auf dem Geländer, das die Corniche zum Meer begrenzt, oder sie spielten Fußball. Angler säumten die Uferpromenade und auf der Straße schob sich der Beiruter Verkehr die Corniche entlang. Und das alles im schönsten Abendlicht. Klar, dass das auch das Bild des Tages ist. Die Stadt hat sich allerdings schon verändert. Wer einen vergleichbaren Blick aus dem Jahr 2005 sehen möchte, der kann ja mal hier klicken. Was außerdem anders ist: der Müll hat zugenommen, es gibt viel mehr kopftuchtragende Frauen, und es war recht wenig Verkehr (wobei das auch am Sonntagabend gelegen haben kann).
Abendessen gab es im Hotelrestaurant. So richtig der Bringer war das jetzt nicht. Kulinarisch ist auf jeden Fall noch deutlich Luft nach oben. Zwei Almaza, so heißt das libanesische Bier, haben die Sache dann aber recht gängig gemacht, und dann ging es für die Reisegesellschaft früh auf‘s Zimmer. Zugegeben, die Leute mit Anschlussflügen, wie zum Beispiel die Schweizer, mussten heute morgen auch echt früh los.
Morgen beginnt das Programm. Wir lernen unseren Reiseleiter kennen und fahren in den Süden. Es wird also bestimmt reichlich zu erzählen geben.
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14. Oktober 2019
Der erste komplette Tag im Land und es war direkt einer meiner persönlichen Höhepunkte. Außerdem muss ich sagen, dass ich den Libanon wiedererkenne. Die Skyline von Beirut mag sich verändert haben, die politische Situation mag hier (mal wieder) im Fluss sein und das Wetter ist heiß, aber der Verkehr ist immer noch chaotisch, die Leute sind freundlich, das libanesische Essen und das libanesische Bier schmecken, die Straßen sind voller dicker Autos und die libanesische Normalität, die uns im fernen Europa immer so unwirklich und unbegreiflich scheint, ist hier halt normal.
Das Frühstück im Hotel heute war deutlich besser als das Abendessen gestern und so sind wir alle gut gestärkt zur ersten Tagestour aufgebrochen. Unser Reiseleiter heißt Abbas. Mit Vornamen… nicht wie der Palästinenserpräsident mit Nachnamen. Er stellte sich uns als „der beste Reiseleiter“ vor. Okayyyy… kann man machen, aber damit hängt man sich selbst natürlich die Latte hoch.
Heute führte die Fahrt von Beirut aus nach Süden. Den ersten Stopp haben wir am Tempel von Echmoun gemacht, einer Ausgrabungsstätte, wo es schon aus frühphönizischer Zeit ein Heiligtum gab, und wo dann auch die Hethiter, Assyrer, Griechen und Römer einen Heilgott verehrt haben. Viele alte Steine, aber das wichtigste sind nach Abbas‘ Aussage wohl die Funde von Echmoun, die im libanesischen Nationalmuseum ausgestellt sind und die wir morgen zu sehen kriegen.
Dann ging es weiter südlich, zuerst über die Autobahn und dann die letzten paar Kilometer auf der Landstraße nach Tyrus. Am Ende der Autobahn haben wir auch den einzigen Checkpoint der libanesischen Armee passiert, der uns heute begegnet ist. Das hat sich auch geändert. Bei meinen letzten Besuchen gab es alle paar Kilometer Checkpoints. Libanesische Armee, syrische Armee, libanesische Polizei… Heute? Alles easy.
Tyrus ist für mich ein bisschen ein Sehnsuchtsort. Nach Tyrus wollte ich schon immer mal. Vielleicht, weil es mir die Phönizier so angetan haben. Bei meinem ersten Besuch im Libanon zum Jahreswechsel 2003/2004 haben wir in Tyrus Silvester gefeiert. An die Party kann ich mich nur noch dunkel erinnern und gar nicht mehr daran, wie und wo die Eichhorns und ich damals übernachtet haben. Aber dass ich am Silvester-Nachmittag mit Madelene die Nekropole, das Aquädukt und das Hippodrom von Tyrus besucht habe, das weiß ich noch genau. Bei über 20 Grad haben wir damals in den Ruinen der römischen Pferderennbahn in der Sonne auf der Tribüne gesessen, erzählt und die Aussicht und Umgebung genossen.
Zum „Auf-der-Tribüne-sitzen“ war heute leider wenig Zeit und die Hitze machte es auch nicht so sonderlich angenehm. Da hat sich der Nachteil der Gruppenreise sehr deutlich gezeigt. Man muss halt weiter, wenn es mit der Gruppe weitergeht. Viel Zeit hat Abbas uns jedenfalls nirgendwo gelassen. Das hätte durchaus gemütlicher sein können. Trotzdem war es super, wieder in Tyrus zu sein und entsprechend ist auch der Triumphbogen, der den Eingang zur römischen Stadt markierte, heute das Bild des Tages.
Nach dem Hippodrom sind wir auf die Halbinsel, auf der die Altstadt von Tyrus liegt gefahren und haben uns die dortigen Ausgrabungen angesehen. Kolonnadenstraßen, Zisternen, Grundmauern öffentlicher Gebäude und vieles mehr kann man da sehen und das ganze direkt am Mittelmeer, mit schönem Blick auf die Neustadt von Tyrus und hinüber zu den Bergen hinter denen Israel liegt.
In Tyrus haben wir ne kleine Mittagspause mit Imbiss gemacht. Für mich gab es Beef Shawarma und frischgepressten Granatapfelsaft. Das war dann mal richtige libanesische (Schnell-)Küche. Das Essen im Hotel war dagegen heute abend wieder nix halbes und nix ganzes. Morgen ziehen wir um, aber wenn wir am Donnerstag wieder nach Beirut zurückkommen, dann muss ich mir essenstechnisch was einfallen lassen.
Nach der Mittagspause ging‘s zurück in Richtung Norden, nach Sidon. Diesen Ort hatte ich bei meinen bisherigen Libanon-Reisen ausgelassen, so dass hier alles neu für mich war. Wir haben die Seefestung, ein Kreuzfahrerkastell direkt am Hafen, besichtigt, sowie die alte Karawanserei, die sehr schön renoviert ist. Dann sind wir noch ein bisschen durch den überdachten Souk von Sidon spaziert, aber entspannt und gemütlich war‘s nicht, dafür hatte Abbas zu viel Eile. Kein Ahnung warum. Wahrscheinlich war er beleidigt, weil einige von uns (ich eingeschlossen) nicht noch zusätzlich in Sidon ins Seifenmuseum wollten… für 3 Dollar… mit nem schönen Souvenir-Shop… Jaja… Weiß man, wo das hinführt und warum ein Reiseleiter da gerne hin will… So richtig gerecht wurde Abbas seinem eigenen Anspruch heute auf jeden Fall noch nicht.
Um kurz vor fünf waren wir wieder am Hotel in Beirut, und ich muss sagen, das war dann auch reichlich Programm für heute. Eigentlich hätten Tyrus und Sidon jeweils einen kompletten Tag verdient gehabt.
Ich bin dann noch ein bisschen durch die Stadt gebummelt und habe Geld besorgt und um sieben stand das Abendessen auf dem Tisch. Siehe oben. Immerhin war die Unterhaltung in der Gruppe angeregter, aber im Vergleich zu meinen anderen Gruppenreisen immer noch sehr zurückhaltend.
Morgen ist wieder um 8:30 Uhr Abfahrt. Wir wechseln für zwei Tage das Quartier und ziehen nach Byblos um, denn in den nächsten Tagen steht der nördliche Teil des Libanon im Vordergrund.
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16. Oktober 2019
Heute war ein gemütlicher Tag. Abfahrt war erst um 9:00 Uhr, so dass es echt keinerlei Stress mit dem Aufstehen und dem Frühstück gab. Noch dazu mussten wir heute auch nicht umziehen. Nach den Gewittern von gestern abend hatte ich schon ein bisschen Befürchtungen, was das Wetter anging, aber heute morgen lachte über Byblos und dem Libanon-Gebirge schon wieder die Sonne, und es war sogar ein bisschen abgekühlt und nicht mehr so brutal heiß wie die letzten Tage.
Die Fahrt führte uns heute zuerst auf der Autobahn in Richtung Norden bevor wir kurz vor Tripoli nach rechts in die Berge abgebogen sind. Abbas hat uns ein bisschen was über den Libanon erzählt, aber er hat ein echtes Problem damit, nicht vom Hölzchen auf‘s Stöckchen zu kommen und wirklich die Fragen zu beantworten, die ihm gestellt worden sind. Er macht zwar viel Verzäll, aber er wiederholt manche Sachen ständig und Zwischenfragen sind problematisch. Ich war heute noch nett, aber morgen ist Bergfest und die Schonfrist für den Reiseleiter ist dann vorbei.
Von der Küste geht es direkt steil hoch ins Libanongebirge. Die Landschaft ist typisch mediterran und könnte vom Grundgedanken her auch auf Kreta oder an anderen Stellen im Mittelmeerraum sein. Allerdings ist das Libanon-Gebirge an einigen Stellen schon ziemlich schroff, mit dramatischen Schluchten. Viele kleine maronitische Dörfer und Städtchen säumen den Weg und zuerst gibt es noch Oliven und Steineichen, aber wenn man höher hinauf kommt, dann überwiegt der Obstanbau. Äpfel und Kirschen auf terrassierten Feldern und an den Straßen entlang Walnussbäume.
Erster Stopp des Tages war die Stadt Bcharré. Schreibweisen dieses Namens gibt es ein halbes Dutzend. Ich nehme einfach die, die man auch auf den Straßenschildern hier sieht. Bcharré ist eines der wichtigsten Zentren der Maroniten, es gibt eine große maronitische Kathedrale und Bcharré ist außerdem der Geburtsort des libanesisch-amerikanischen Dichters und Malers Khalil Gibran. Diesen Namen hatte ich zwar schon mal gehört, aber noch nichts von ihm gelesen. Khalil Gibran lebte um die Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts und war schon als Kind mit seiner Mutter und Geschwistern in die USA ausgewandert. Er lebte, studierte und arbeitete vornehmlich in den USA und Europa, aber auf seinen Wunsch hin wurde er in seinem Heimatdorf bestattet und hat der Gemeinde Bcharré sämtliche noch anfallenden Einkünfte aus seinem Werk vermacht. In Bcharré gibt es ein Museum, wo seine Bilder (die mir nicht wirklich gefallen haben) ausgestellt sind. Außerdem findet man persönliche Gegenstände aus seinem Leben und die Gruft. Spannender als das Museum fand ich zwar die Landschaft und die Lage der Stadt, aber ich habe mir schon vorgenommen, mal eines seiner Bücher zu lesen.
Von Bcharré sind wir noch ein bisschen weiter bergauf gefahren, zu den „Zedern“. Die Libanonzeder war schon im Altertum eines der wichtigsten Handelsgüter dieser Gegend und der Baum kommt sogar in der Bibel vor. Die Berge hier müssen einst mit Zedern bedeckt gewesen sein, wobei der Baum hier im Libanon erst ab einer gewissen Höhe wächst, denn zu warm darf es für Libanon-Zedern nicht sein. Leider war schon in der Antike der Bestand der Libanon-Zeder durch Abholzung so stark bedroht, dass der römische Kaiser Hadrian per Erlass die Zedern im Libanon unter Schutz stellte. Gebracht hat es wenig. Den letzten großen Zedernbestand des Libanon findet man oberhalb von Bcharré. Die Zedern, die hier stehen sind zum Teil schon über 2000 Jahre alt und werden heutzutage gehegt und gepflegt. Immerhin ist die Zeder das Nationalsymbol des Staates Libanon und ziert dessen Flagge. An den Zedern von Bcharré muss man Eintritt bezahlen, um durch den Hain (von Wald kann man nicht wirklich sprechen, dafür ist er zu klein) spazieren zu gehen, es gibt Andenkenbüdchen und ein Restaurant und die Zedern werden professionell betreut. Es gibt sogar Blitzableiter in dem Wäldchen, damit nicht ein Blitz die kostbaren Bäume abfackelt. Natürlich sind also Zedern, samt Gipfelzug des Libanon-Gebirges, das heutige Bild des Tages.
Wir sind durch‘s Wäldchen spaziert und haben dann in dem Restaurant nebenan Mittagspause gemacht. Danach ging es zurück nach Byblos, wo wir gegen viertel vor vier ankamen und den Rest des Nachmittags frei hatten. Ich bin noch mal in die Ausgrabungen gegangen, mit Ruhe und Muße, und habe es sogar geschafft, ein bisschen in dem kleinen römischen Theater zu sitzen und zu lesen. Anschließend bin ich zum Hafen spaziert und habe dort auf der Mauer sitzend den Sonnenuntergang verfolgt.
Zum Abendessen wurde heute für uns gegrillt, nachdem man uns vorher wieder Berge libanesischer Vorspeisen aufgetischt hatte. Alles super lecker.
Als Abschluss des Tages haben Eva, Karl (Herr Meier aus Zürich) und ich auf der Terrasse des Hotels noch einen Absacker genommen, wobei ich zu meiner eigenen Überraschung feststellen musste, dass ich beginne, am Arrak, dem libanesischen Anisschnaps, Gefallen zu finden. Eine weitere Überraschung heute war, dass unsere Schweizer Mitreisende Frau Fattinger Jahrgang 1925 ist. Rechnet selbst. Sie ist zwar mit Walking-Stöcken unterwegs, aber hält sich sehr wacker. Ich denke da, mit ziemlich gemischten Gefühlen an meine Mitreisende Waltraud in Ägypten, die zwar deutlich jünger war aber für die Gruppe viel betreuungsintensiver.
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15. Oktober 2019
Rappelvoll war der Tag heute, im positiven Sinne. Nach dem Frühstück war erst mal Auschecken aus unserem Hotel in Beirut angesagt, denn für die nächsten zwei Nächte wohnen wir in Jbeil, dem antiken Byblos, rund 40km nördlich der libanesischen Hauptstadt. Donnerstag werden wir wieder zurück in Beirut sein, und Abbas hat dem Hotel schon gesagt, sie sollen nicht mehr versuchen, für uns europäisch zu kochen, sondern auf libanesische Küche umsteigen. Bin gespannt zu was das führt…
Heute morgen gab es zuerst einen Besuch im libanesischen Nationalmuseum. Das ist echt schön gemacht und zeigt eindrucksvolle Funde aus den vielen Ausgrabungen in diesem kleinen Land. Ebenso eindrucksvoll war der kurze Film, den man uns gezeigt und in dem man sieht, wie die Mitarbeiter versucht haben, das Museum und seine Schätze während des Bürgerkriegs zu schützen. Die zugespachtelten Einschusslöcher in der Fassade erkennt man immer noch, wie an so vielen Gebäuden in Beirut.
Abbas hat uns einen Teil der Ausstellung gezeigt und versucht zu erklären, und ich musste mich an einigen Stellen zurückhalten um nicht dazwischen zu grätschen, denn mit seinem Fachwissen ist es nicht so wirklich weit her. Ich wollte aber nicht heute schon als der besserwissende Geschi-Lehrer da stehen. Auch Abbas‘ Meinung über die Politiker im Libanon („Verbrecher“) und über die Saudis („Kamele“) ist mittlerweile jedem in der Gruppe deutlich. Immerhin darf man im Libanon sowas frei und vor Publikum äußern ohne Steinigungen oder Zungenamputation zu riskieren. Trotzdem habe ich an einigen Stellen heute gedacht, „ein bisschen mehr Information und deutlich weniger Meinung würde helfen“. Eine dreiviertel Stunde hatten wir nach der Führung noch, um uns das Museum alleine anzusehen und ich habe gemütlich Fotos gemacht und die letzten zehn Minuten der Zeit draußen auf der großen Freitreppe gesessen und dem Beiruter Verkehr zugesehen.
Als nächstes ging‘s ins Stadtzentrum von Beirut, wo wir nen kleinen Stadtrundgang gemacht haben, zum Place de l‘Etoile vor dem Parlament, zur griechisch-orthodoxen St. Georgs-Kathedrale, zur maronitischen St. Georgs-Kathedrale, zum Rathaus, zum Märtyrerplatz und zur Mohammed-al-Amin-Moschee, deren Bau von dem verstorbenen Premierminister Rafik Hariri initiert wurde und die die neue Freitagsmoschee für Beirut ist. Hariri fiel im Februar 2005 einem Bombenanschlag zum Opfer (wenige Wochen vor meinem zweiten Besuch in Beirut, und man konnte damals den Krater immer noch sehen). Hariri und seine mit ihm ums Leben gekommenen Begleiter wurden auf dem Platz vor der Moschee beigesetzt.
Gegen halb eins haben wir uns auf den Weg nach Norden gemacht. Bis Jounieh ging es über die Schnellstraße und dann in Serpentinen das Küstengebirge rauf nach Harissa, wo sich die Marienstatue Notre Dame de Liban über der Bucht von Jounieh erhebt. Einen schönen Blick auf die Küste hat man von hier oben. Heute wäre er noch besser gewesen, wenn es nicht so diesig gewesen wäre. Außerdem gibt es dort oben noch eine große Kirche in modernem Baustil, deren Besichtigung wir uns aber geschenkt haben. 1997 war der Papst sogar hier, Johannes Paul II., der natürlich auch ne Statue da oben hat. Die Maroniten sind eine mit Rom verbundene Kirche, die den Papst anerkennen und dem lateinischen Messritus folgen. Darüber hinaus sind die Maroniten die größte christliche Gruppierung im Libanon.
Von dem 600m hohen Berg sind wir mit der Seilbahn wieder nach Jounieh hinuntergefahren und dann hat unser Fahrer Mohammed uns zum Quartier in Byblos chauffiert. Ich bleibe bei dem Namen Byblos, obwohl das, wenn man pingelig ist, gar nicht richtig ist. Wir wohnen hier echt schön. Etwas einfacher als in Beirut zwar, aber dafür mit spektakulärem Blick auf das Mittelmeer. Wir haben die Koffer auf die Zimmer gebracht, und sind dann ins Städtchen gefahren. Eine kurze, späte Mittagspause im Souk von Byblos und dann haben wir die Ausgrabungen erkundet. Abbas hat ne kleine Einführung gegeben, ich habe mich wieder vornehm zurückgehalten (zumindest weitgehend), und dann hatten wir noch etwas Zeit, um uns alleine die Ausgrabungen anzusehen. Die ersten Siedlungsreste hier stammen aus dem 9. Jahrtausend vor Christus und seit ca. 7000 v. Chr. ist Byblos permanent besiedelt. Damit ist die Stadt der älteste ständig bewohnte Ort auf dem Planeten (Auf Platz zwei und drei folgen Damaskus und Jericho). Byblos ist nach Tyrus mein zweitliebster Ort im Libanon, noch vor Baalbek. Ich habe deshalb beschlossen, dass ich morgen nachmittag – da haben wir nämlich Freizeit – noch mal in die Ausgrabungen gehen werde. Im Gegensatz zu Beirut ist hier alles klein und gemütlich und von der Ausgrabung zum Hotel sind es keine zehn Minuten zu Fuß. Für heute ist aber erstmal eine Ansicht der antiken Stätten das Bild des Tages. Man sieht die Kreuzfahrerburg und schräg links davor die knapp 5000 Jahre alte phönizische Stadtmauer von Byblos.
Das Abendessen heute war ein brutaler Kontrast zu den letzten beiden Tagen. Es gab reichlich libanesische Vorspeisen, anschließend frischen Fisch aus dem Mittelmeer und zum Schluss ne dicke Obstplatte. Echt super.
Die Gruppe ist heute auch weiter aufgetaut und die Unterhaltung während des Essens war schon sehr angeregt. Nach dem Abendessen haben Eva (sie stammt aus Köln, wohnt im Schwarzwald und wir sind jetzt auch per du) und Herr Meier aus Zürich noch nen Absacker an der Hotelbar genommen. Man entspannt sich also so langsam.
Morgen fahren wir in den Libanon… *lach… ich weiß, da bin ich schon, aber in diesem Fall meine ich das Libanon-Gebirge.
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17. Oktober 2019
Heute morgen hieß es Abschied von Byblos nehmen. Ich muss gestehen – da hätte ich noch ein paar Tage bleiben können. Ich bin zwar ein bisschen vorsichtig, mit dem, was unser Reiseleiter so erzählt, aber sein Hinweis „Byblos ist eine ganz liebe Stadt“, das hat sich als richtig herausgestellt.
Auch heute morgen sind wir erst um neun gestartet, so dass alles ziemlich gemütlich vor sich ging. Der erste Besichtigungsstopp war die Jeita-Grotte, eine Tropfsteinhöhle im libanesischen Küstengebirge. Ich hab mittlerweile so einige Tropfsteinhöhlen gesehen und bin jetzt nicht so der super Fan von Höhlen. Trotzdem sehe ich mir sowas schon ganz gerne an und hatte natürlich schon vor dem Besuch in Jeita die eine oder andere Vergleichsmöglichkeit im Hinterkopf, allen voran die Carlsbad Caverns in New Mexico. Was soll ich sagen? Die Jeita-Grotte ist ein echtes Wow-Erlebnis. Riesige Hallen voller Tropfsteinen, und das ganze auch noch auf zwei Ebenen. Durch die untere Höhle fließt der Nahr al-Khalb, zu Deutsch Hundefluss, so dass man diesen Teil der Höhle von einem Boot aus besichtigen muss. Die Unterwasserscheinwerfer sorgen zusammen mit den Wellen für tolle Lichteffekte auf den Höhlenwänden und den Tropfsteinen. Auch meine Mitreisenden waren echt beeindruckt, und die hatten auch vorher schon einiges an Tropfsteinhöhlen gesehen. Die Jeita-Grotte ist auf jeden Fall einen Besuch wert, wenn man im Libanon ist. Einziger Wermutstropfen: Fotografieren war verboten… habt Ihr Euch wahrscheinlich schon gedacht, denn wenn ich Bilder hätte, dann wäre eines davon auf jeden Fall das heutige Bild des Tages.
Nach dem Ausflug in die Tiefen des Libanon ging es weit nach oben. Wir sind hoch ins Gebirge gefahren, wo sich in der Nähe von Faqra ein römisches Heiligtum aus dem ersten Jahrhundert nach Christus befindet. Auch hier war ich bei meinen früheren Libanon-Besuchen noch nicht gewesen, und auch hier gab es ein Wow-Erlebnis. Die Anlage liegt in 1500m Höhe auf einem Bergrücken inmitten abstrakt anmutender Felsformationen, die man sogar in die Konstruktion des Heiligtums mit einbezogen hat. Große Säulenreihen im Haupttempel zeigen eine ziemlich klassische römische Anlage. Der Haupt-Tempel war dem Jupiter Beelgalasos geweiht. Wie fast überall, setzten die Römer ihre eigenen Göttervorstellungen auf die lokalen Gottheiten. Daneben gibt es noch einen kleineren Tempel, der später mal eine byzantinische Kirche war. Insgesamt sehr schön alles und erstaunlich groß, gut erhalten und gut rekonstruiert. Die Tempelanlage von Faqra war ein kleiner Vorgeschmack auf den morgigen Tourhöhepunkt, und natürlich das heutige Bild des Tages wert, das den Innenbereich des Jupitertempels zeigt.
Nach den Besichtigungen gab es eine kurze Mittagspause mit Tee und libanesischen Teigfladen, die mit einer Thymian-Sesam-Mischung oder Käse belegt und gebacken waren. Quasi die lokale Variante einer einfachen Pizza. Und dann ging es wieder nach Beirut zurück. Allerdings nicht auf gradem Weg sondern durch die Landschaft. Leider hat es angefangen zu nebeln und zu regnen, und ich muss gestehen, dass die Schüggelei mit dem Bus eine deutlich einschläfernde Wirkung auf mich hatte und ich mich ungewollt zu einem Siesta-Schläfchen verabschiedet habe.
In Beirut wohnen wir wieder im Hotel Parisian. Mein Zimmer ist allerdings ne Etage höher als zu Beginn der Woche. Nach dem Einchecken bin ich noch ein kleines Ründchen durch die Stadt spaziert und habe dann die Zeit bis zum Abendessen mit Bilder bearbeiten verbracht… und damit, mit meinem lokalen Spotter-Kontakt die Details für den Tag am Flughafenzaun am Sonntag zu planen.
Das Abendessen war das dritte Wow-Erlebnis heute, denn nachdem wir Abbas von unseren bisherigen kulinarischen Erfahrungen im Hotel Parisian berichtet hatten, hat er beim Einchecken nachdrücklich darauf hingewiesen, dass wir gerne libanesische Küche und kein westliches Essen haben wollten. Und siehe da? Das Abendessen war lecker und reichhaltig. Wir haben die Berge von Nahrungsmitteln kaum geschafft. Es war vielleicht nicht ganz so gut wie in Byblos, aber auf jeden Fall um viele Klassen besser, als das was wir bei unserem ersten Aufenthalt hier bekommen haben.
Morgen wird ein langer Tag. Wir fahren nach Baalbek und Anjar und Abfahrt ist schon um 8 Uhr. Wird also dringend Zeit, dass ich jetzt ins Bett komme.
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