14. April 2023

Ein Frohes Neues Jahr wünsche ich Euch. Ja, Ihr habt richtig gelesen. Heute ist Nepal ins Jahr 2080 gestartet. Nepal verwendet nämlich das hinduistische Kalendersystem Vikram Sambat. Ist ein bisschen kompliziert. Aber heute ist halt Neujahrstag. Für die Gestaltung meines Tages hatte das einige unerwartete Folgen.
Laut geplantem Programm sollte heute morgen eine vogelkundliche Exkursion nach Pulchoki stattfinden, dem höchsten Hügel hier im Kathmandu-Tal (2700 irgendwas Meter). Zur Vogelbeobachtung eigentlich eine Top-Location, die sogar in meinem Birds of Nepal erwähnt ist. Vogelbeobachtung ist ja eigentlich was für frühmorgens, aber nach den gestrigen Signalen wollte ich es die letzten beiden Tage hier ruhiger angehen lassen. Immerhin muss ich am Montag wieder in die Schule und am Sonntag in ner Woche auch schon wieder auf Dienstreise. Also habe ich den Start heute auf 10 Uhr angesetzt.
Pünktlich um 10 erschien mein neuer Guide Giri an der Rezeption um mich abzuholen. Vor dem Tor wartete Suraj, frisch rasiert, die Haare wie immer gut gestylt, einen dicken roten Tika auf der Stirn und ein paar rote Blütenblätter im Haar. "My mother blessed me this morning", erklärte er mit leicht verlegenem Grinsen, als ich ihm ein frohes neues Jahr wünschte.
Schon an normalen Tagen ist der Verkehr in Kathmandu ne Herausforderung, aber heute tobte hier das Chaos. Vor dem Pashupatinath - Ihr erinnert Euch vielleicht an den Hindu-Tempel, den ich am ersten Tag beschrieben habe - war wilder Stau. Alle wollten sich zum neuen Jahr segnen lassen.
Entsprechend lange haben wir gebraucht, bis wir aus der Stadt raus waren. So hatte ich also dann im Auto Zeit, Giri kennen zu lernen. Giri ist nicht nur Tourguide sondern auch lizenzierter Bergführer und spricht schönes Deutsch mit Knubbeln so dass wir uns problemlos nicht nur verständigen sondern auch richtig diskutieren konnten. Er ist 40 Jahre alt, hat Deutsch unter anderem an der Uni gelernt und war auch schon in Deutschland. Auch Köln hatte er schon besucht, wusste Bescheid über den Dom und den Brauch, den Bierdeckel auf’s Kölschglas zu legen, wenn man vom Köbes kein neues mehr hingestellt haben möchte. Er hat auch über seine Arbeit hier berichtet und als in dem Zusammenhang der Ausdruck „Das Wetter war geil“ fiel, habe ich sofort nachgehakt und gemeint, dass er das ja wohl nicht an der Uni oder im Goethe-Institut gelernt hätte. Er lachte und sagte „Nein. Das habe ich von Euch gelernt“ und meinte damit seine touristischen Gäste. Er hatte auch noch einige andere typisch deutsche Redewendungen drauf, zum Beispiel das kostet soundsoviel „pro Nase“ und ähnliche Ausdrücke. Sehr lustig.
Der zähfließende Verkehr zog sich über die ganze Strecke hin und so haben wir einiges an Zeit gebraucht, bis wir unser Ziel erreichten und auch hier waren wir nicht alleine. Am Pulchoki Hill sind wir ein Stück weit auf der Schotterstraße bergauf gefahren. Es war ziemlich viel los und ich dachte schon „Das kann ja heiter werden“… Wurde es dann auch, wenn auch keineswegs so, wie ich mir vorgestellt habe. Von einer vogelkundlichen  Exkursion konnte keine Rede sein, und da spielte die Tageszeit noch nicht mal ne große Rolle. Der Wald war voll mit Spaziergängern und Wanderern und Nepalesen, die ihr Neujahrsfamilienpicknick veranstalteten, natürlich mit Musik, wie das hier üblich ist. Nepalesische Popmusik aus Boxen… *lach… Meinem Spaß hat das aber keinen Abbruch getan. Okay, es gab zwar keine Vögel, aber dafür habe ich einen schönen Einblick in das nepalesische Feiertagsleben bekommen, und hatte darüber hinaus in Giri auch einen super Gesprächspartner, der mir viel über Land und Leute und auch aus seinen Erfahrungen als Reiseführer erzählt hat. Langweilig war es also nicht, und so sind wir letztendlich den ganzen Hügel wieder komplett runter spaziert/gewandert.
Die Szenerie am Fuße des Pulchoki hatte echten Volksfestcharakter. Himmel und Menschen in einem Gewühl aus Fußgängern und Mopeds. Fressbuden gab es auch und die Massen schoben sich quasi über die Straßen auf dem Weg zu nem guten Picknickplatz und zum National Botanical Garden. Da wollte Giri mit mir auch hin, und so haben wir uns - nach einer kurzen Einkehr, wo es für Giri einen Mittagssnack und für mich, nach meinem reichhaltigen Frühstück, nen Mountain Dew als Pick-me-up gab - einfach von der Menschenmasse in diese Richtung treiben lassen.
Im Botanischen Garten steppte ebenfalls der Bär. Sich die Ausstellung anzukucken war zwischen den picknickenden Familien, ballspielenden Kindern und TikTok-Videos aufnehmenden Jugendlichen schlicht unmöglich, aber das menschliche Treiben zu beobachten war sowieso viel spannender. Außerdem habe ich mich natürlich mit Giri schön weiter unterhalten, zu allen möglichen Themen, wie Nepalesen im Ausland, Indien und China, usw. usw. …
Gegen 16 Uhr waren wir wieder am vereinbarten Treffpunkt und Suraj hatte uns in Minuten in dem Trubel gefunden. Auf dem Rückweg zum Hotel habe ich die beiden noch dran gestivvelt, an nem Supermarkt anzuhalten, damit ich Bier für den Export kaufen konnte. Die Wahl ist mir nicht leicht gefallen, denn es gibt dutzende Biersorten und Brauereien in Nepal, aber ich habe mich dann doch für drei Sorten entschieden, von denen ich zwei auch schon hier getrunken habe.
Mein letztes Quartier auf dieser Reise ist ein Hotel direkt am Flughafen, weil ich den Plan habe, morgen hier noch ein bisschen zu Spotten, bevor es auf die Heimreise geht. Mal kucken was daraus wird. Beim Checkin hat mich Giri noch unterstützt und außerdem mit dem Hotel ausgehandelt, dass ich für 20 Dollar extra das Zimmer bis morgen Abend um 23 Uhr nutzen kann. Das ist nämlich die vereinbarte Zeit, wo Suraj mich abholen kommt und mich samt Gepäck zum Flughafen bringt. In der Nacht zum Sonntag beginnt nämlich die Heimreise.
Als Bilder des Tages bekommt Ihr zwei Eindrücke vom Neujahrstreiben am Fuße des Pulchoki-Hügels. Das Bild mit dem Ribbel-Parkplatz gefällt mir besonders gut, aber auch die Szene mit den Menschenmassen im Botanischen Garten finde ich schön. Das war schon krass. Ich habe den ganzen Tag über keinen einzigen Europäer dort gesehen.

 

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