3. Oktober 2022

Weites Land. Weites, leeres Land... Ich habe heute über 500km hinter mich gebracht und ich glaube ich kann die Ortschaften, die ich passiert habe, noch an den Fingern einer Hand abzählen.
Nach einer echt schlechten Nacht - ich weiß nicht, was schlimmer war, die Mücken oder der Schnarcher im Nachbarzimmer - fuhr ich das erste Mal um 5:45h aus dem Schlaf. Ich dachte, mein Handywecker, den ich auf 7 Uhr gestellt hatte, gäbe Alarm. Wie sich heraus stellte, war es nicht mein Handy. Der Schnarcher von nebenan hatte den gleichen Samsung Weck-Ton wie ich. Als um 7 dann endlich mein Wecker loslegte, war ich ziemlich gerädert. Aber dann begann der Tag langsam aber stetig besser zu werden.
Nach dem Auschecken habe ich mich auf den Rückweg gemacht. Die Zufahrtswege zum Intu Afrika Reserve sind eigentlich nicht wirklich für normale Fahrzeuge ohne Allrad gedacht. Ich habe also dafür gesorgt, dass der Vitara immer in Schwung blieb. Andernfalls hatte ich die Befürchtung, dass ich ihn in dem tiefen roten Kalahari-Sand nicht mehr in Bewegung setzen könnte. Leider blieben dadurch die Herde Elenantilopen und die drei Riesentrappen am Wegrand unfotografiert.
Die Fahrt führte heute erst über die Schotterstraße weiter nach Süden bis kurz vor Mariental und dann weiter auf der B1 in Richtung südafrikanische Grenze. Die Landschaft auf dieser Strecke ist weitgehend flach, mit nur leichten Wellen im Gelände und ab und zu sieht man ein paar Felsen, Tafelberge und ausgetrocknete Flussläufe. Trotzdem war die Fahrt überhaupt nicht langweilig. Parallel zur Straße verläuft die Eisenbahn, und die Haltestellenschilder tragen Namen wie "Ebeneerde" und die ausgetrockneten Bäche, die Bahn und Straße überqueren, hören auf Namen wie "Bismarck" oder "Kaiserkrone". Ziemlich surrealistisch.
Nach dreieinhalb Stunden Fahrt bin ich in Keetmanshoop angekommen, mit rund 20.000 Einwohnern die einzige nennenswerte Stadt im Süden Namibias. Hier habe ich getankt und dann ging es weiter, aber nicht mehr auf der B1 sondern auf der B4, die zum Atlantik führt. Nach 40km zweigt links die Schotterpiste ab, die zum Fish River Canyon führt. Auf dem Wegweiser stand 137km als Entfernungsangabe. "Na toll", hab ich gedacht, "dann wird das jetzt ne langwierige Gurkerei." Aber von wegen. Die Straße war super in Schuss und der Vitara schnurrte nur so über den Schotter.
Mein Quartier hier ist das Canyon Roadhouse, das rund 15km vor dem Eingang zum Ai Ais-Richtersveld-Transfrontier-Nationalpark liegt. Auf dem Gebiet dieses grenzüberschreitenden Nationalparks liegt auch der Fish River Canyon.
Da ich schon mal am Quartier war, habe ich direkt eingecheckt und bin dann zum Canyon gefahren. Der Fish River ist der längste Fluss Namibias und er hat im Laufe der Jahrmillionen hier einen Canyon gegraben, der nach dem Grand Canyon in Arizona der zweitgrößte der Welt ist. Ich war sehr gespannt, ob der Fish River Canyon wirklich an den Grand Canyon heran kommt, und was soll ich sagen? Ja, er kommt heran. Ich war komplett beeindruckt. Man steht  oben am Canyon-Rand, schaut in die Tiefe und irgendwo unten glitzert Wasser. Kein Bild kann dem gerecht werden, aber natürlich bekommt der Fish River Canyon trotzdem ein Bild des Tages. Die untersten Gesteinsschichten des Canyons sind fast 2 Milliarden Jahre alt. Da hat der Fluss echt ganze Arbeit geleistet. Wobei… im Moment ist es kein Fluss. Um diese Jahreszeit, dem frühen Frühjahr nach namibischer Rechnung, besteht der Fish River nur aus Tümpeln.
In einer Hinsicht übertrifft der Fish River Canyon den Grand Canyon sogar. Von Touristenmassen keine Spur. Als ich am Hauptaussichtspunkt ankam, war ich der einzige (!) Besucher. Ich habe in aller Ruhe verschiedene Aussichtspunkte besucht und das Panorama auf mich wirken lassen.
Die Landschaft, in die der Fluss die Schlucht gebuddelt hat, hat etwas Außerirdisches. Wären da nicht die spärlichen Pflanzen und ab und zu etwas Getier, dann könnte die Szenerie auch auf dem Mars sein. Aber so karg die Landschaft auch ist, es gibt eben doch Leben. Ich habe heute Springböcke, Oryxantilopen, Klipspringer und auch mehrere Strauße gesehen. Schön finde ich Strauße ja eigentlich nicht, aber so langsam entwickeln sie sich zum Mottovogel dieser Tour. Ich habe bis jetzt jeden Tag Strauße gesehen und insgesamt jetzt schon mehr als auf allen meinen anderen Afrika-Reisen zusammen. Ich habe deshalb beschlossen, einem Strauß das zweite Bild des Tages zu geben.
Morgen geht’s schon wieder weiter. Mein nächstes Etappenziel ist Lüderitz am Atlantik. Zum Glück war ich heute so zeitig hier, dass ich den Besuch des Fish River Canyons heute schon machen konnte. Morgen wäre zwar theoretisch auch Zeit dafür, aber so kann ich morgen schon früher in Lüderitz sein und mir den Ort ansehen. Und ich kann morgen auch ne halbe Stunde länger schlafen… *freu…
Im Moment sitze ich hier im Canyon Roadhouse an der Bar und trinke schottischen Schnaps, um genauer zu sein Bowmore 12. Ich hatte vor der Tour überlegt, ob ich nicht ne Flasche Whisky ins Gepäck packen oder duty-free erwerben soll, zur Abendgestaltung. Habe mich dann aber dagegen entschieden, denn ich wollte den namibischen Einzelhandel unterstützen. Wie Ihr aber ja schon wisst, ist der Erwerb alkoholischer Getränke hier ungleich schwieriger als bei uns zu Hause. Andererseits sind die Preise hier schon fast peinlich niedrig, was auch die Spirituosen an der Bar einschließt… Ich werde also Alkoholika weiterhin ad hoc bestellen und statt in meinem Zimmer in der Öffentlichkeit trinken… *lach… 


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