1. Oktober 2008
Als ich heute morgen am Fenster rausgekuckt hab war es bedeckt. Damit war dann der Ausflug auf den Vesuv gestorben. Ich bin also zu den Phlegräischen Feldern gefahren. Diese Gegend westlich von Neapel, mit dem Hauptort Pozzuoli im Zentrum, ist bekannt für ihre vulkanische Aktivität im kleineren Stil. Hier gab’s (bisher) keine katastrophalen Eruptionen wie am Vesuv, aber das ganze Gebiet ist vulkanisch höchst aktiv. Andererseits war es schon zur Römerzeit ein beliebter Siedlungsort. Der große Kriegshafen Misenum befand sich hier, Augustus hatte hier ein Landhaus und auch sonst war hier damals einiges los.
Den Anfang meines Programms machte heute das Flavische Amphitheater, immerhin das drittgrößte des Römischen Reiches, das mitten in Pozzuoli liegt. Den Namen trägt es zu Ehren von Vespasian, der das von Nero begonnenen Bauprojekt beendete, aus der Familie der Flavier stammte, die gleichnamige Dynastie gründete und unter anderem durch den klugen Spruch „Pecunia non olet“ (Geld stinkt nicht) in die Geschichte einging, als der Senat ihm sagen wollte, dass es vielleicht keine gute Idee wäre, eine Gebühr für die öffentlichen Toiletten Roms zu erheben.
Nach dem Amphitheater, dessen Katakomben beinahe das Bild des Tages geliefert hätten, ging es zum Solfatara-Krater oberhalb von Pozzuoli. Hier lebt die Erde. Dampf steigt auf, der Boden ist warm, es riecht nach Schwefel und an manchen Stellen haben sich Tümpel aus kochendem Schlamm gebildet. Überall ist der Boden gelb vom ausgeblühten Schwefel und an einigen Stellen schießt der 160 Grad heiße Dampf mit soviel Druck aus der Erde, dass es faucht. Sehr eindrucksvoll und auch das wäre BEINAHE das Bild des Tages geworden.
Denn dann bin ich nach Cuma gefahren. Bei den Römern hieß der Ort noch Cumae und als ich es endlich gefunden hatte und durch die Ausgrabung ging dachte ich nur, „Wie? Das ist alles?“
Hmmmmmm – jetzt muss ich ein bisschen weiter ausholen. Der Legende nach ist Cumae der Ort, wo Daedalus (nach dem tragischen Flugunfall seines Sohnes Ikarus) und auch Aeneas (nach dem weniger tragischen weil in gewisser Weise selbstverschuldeten Untergang seiner Heimatstadt Troja) in Italien an Land gegangen sind. Archäologisch gesehen findet sich hier die älteste Siedlung griechischen Ursprungs in Italien und darüber hinaus war Cumae die Heimat der Cumaeischen Sibylle. Ähnlich dem Orakel von Delphi gab die Sibylle Weissagungen im Auftrag des Gottes Apollon an wissbegierige Bittsteller und sie pflegte sich dabei keineswegs deutlicher auszudrücken als ihr griechisches Pendant. Die Sibyllinischen Bücher wurden daher auch für die Römer ein Teil des Schatzes im Jupitertempel auf dem Kapitol in Rom und nur in schwerwiegenden Fällen durften spezielle Priester die Weissagungen konsultieren. Ich muss gestehen, dass ich selber beim Stichwort „Sibylle“ eine größere Bildungslücke habe, die ich aber nach dem heutigen Tag dringend schließen muss und auch werde, sobald ich wieder zu Hause bin. Die Sibylle lebte jedenfalls in einer Höhle, am Ende eines über hundert Meter langen Ganges, den man hier in den Tuffstein gehauen hat. Ursprünglich war das ganze natürlich nicht so schön gearbeitet und aufgemotzt, wie man es im Bild des Tages sieht. Trotzdem hat mich der Ort echt beeindruckt. Über dem ganzen Gelände liegt irgendwie etwas Mystisches – wahrscheinlich verstärkt dadurch, dass ich wirklich und wahrhaftig fast alleine da war. Der Wind in den Steineichenwäldern, die Ruinen der Tempel des Apollon und des Zeus/Jupiter auf der Akropolis von Cumae, diese Höhle – in indirektem Licht beleuchtet und dazu das Flattern der Tauben, die da leben. Echt Klasse.
Und dabei war es mir fast komplett entgangen, denn nach dem ersten Rundgang durch die Ausgrabungen, die sich nachher nur als die untere Stadt und das römische Forum herausstellten, war ich vor einer mit einem Gitter verschlossenen großen Höhle angekommen und dachte schon, dass hier zu wäre und ich Cumae abhaken könnte. Zum Glück zeigte sich aber dann mal wieder, dass selbst sehr grob gebrochenes Italienisch (meines nämlich) besser ist als gar keines. Denn der ältere Mann, der den Ausgang der unteren Ausgrabungen bewachte, schickte mich nach meiner Nachfrage „Grotto chiuso?“ dreihundert Meter die Straße rauf zum Eingang der richtigen Ausgrabungen. Der Rest ist Geschichte und hat mir heute einen sehr einprägsamen Tag beschert.
Wie in den letzten Tagen so gibt es auch heute keine Vorhersage für morgen. Das wird alles vom Wetter abhängen. Lasst Euch also überraschen.
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