25. Oktober 2018

Heute ging's raus auf's Land, um genauer zu sein in die Entmilitarisierte Zone... also zur Grenze nach Nordkorea. Nach dem Korea-Krieg, der 1950 mit dem Überfall des Nordens auf den Süden begonnen hatte, wurde 1953 beiderseits der Waffenstillstandslinie (einen Friedensvertrag gibt es bis heute nicht) eine vier Kilometer breite Entmilitarisierte Zone (auf Englisch: Demilitarized Zone – DMZ) geschaffen. Die Ränder dieser DMZ sind heute eine der am schärfsten bewachten Grenzen der Welt. Über den Konflikt zwischen Nordkorea und dem Rest der Welt muss ich hier ja nicht viel erzählen. Die Nachrichten der letzten Jahre waren ja voll davon. Heute hatte ich die Chance, selber mal über den Zaun zu kucken.
Eigentlich hätte die Tour auch die sogenannte Joint Security Area in Panmunjeom, wo 1953 der Waffenstillstand unterzeichnet wurde und auch heutzutage noch diplomatische Treffen zwischen Nord- und Südkorea stattfinden, einschließen sollen. Leider wurde dieser Teil der Tour aber vor ein paar Tagen durch die United Nations Command Military Armistice Commission abgesagt. (Im Korea-Krieg standen die Kräfte, die den Süden unterstützten, unter dem nominellen Kommando der UNO, daher United Nations Command Military Armistice Commission.)
Pünktlich um viertel vor acht heute morgen war ich am Büro von Koridoor, einem der Touranbieter für Besuche in der DMZ. An die Adresse war ich über meinen Lonely Planet gekommen. Das interessante an Koridoor ist, dass sie hier in Korea für die USO (United Service Organizations) arbeiten. Die USO ist eine gemeinnützige amerikanische Organisation, die weltweit für die Truppenbetreuung zuständig ist. Das hat man auch heute gemerkt. Ich musste mich im Büro in die Teilnehmerliste eintragen, auf der 15 andere Namen standen. Holländer, Franzosen, Kanadier, US-Amerikaner und auch ich. "Nur 16 Leute", dachte ich, "das wird ja gemütlich." Und dann ging die Tür auf... ein Trupp junger Amerikaner in zivil kam rein... irgendwie alles Jüngelchen, aber wie sich herausstellte waren diese Jüngelchen alle Angehörige des U.S. Marine Corps, die auch auf die Tour gehen wollten. Hmmmm... würde der Bus wohl doch voll werden, dachte ich, während ich im Büro auf dem Sofa saß, drauf wartete, dass es los ging, und beobachtete, wie die Jungs sich in die Teilnehmerliste eintrugen. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, dann hätte es auch der Klassenausflug eines deutschen Berufskollegs sein können. So wirkte es zumindest auf den ersten Blick. Aber die Bizeps-Stärke, die Haarschnitte, und die Tattoos (echt wie man's aus Filmen kennt) zeigten doch, mit wem man es zu tun hatte. Das Verhalten allerdings hatte wieder mehr was von ner Berufskolleg-Klasse... *lach... Jungs sind halt Jungs... Was ich auch auffällig fand: die waren alle recht kurz gewachsen. In dem ganzen Platoon von rund 35 Mann hatte vielleicht ne Handvoll meine Körperlänge. Der Rest war zum Teil deutlich kleiner. Hätte ich nicht gedacht. Bei Marines denkt man ja eigentlich eher an Schränke. Gemütlich war die Fahrt dann aber doch, denn es gab zwei Busse, einen für die Marines und einen für uns Zivilisten.
Ne gute Stunde braucht man auf der Autobahn vom Zentrum von Seoul bis zur DMZ, vorbei an Farmen und Dörfern und abgeernteten Reisfeldern und am schwerbefestigten Südufer des Grenzflusses entlang, in dessen Schwemmland und Uferzonen sich zehntausende von Blässgänsen tummelten.
Erster Stopp war am 3. Infiltrationstunnel. Insgesamt haben die Südkoreaner bisher vier Tunnel gefunden, die die Nordkoreaner in kilometerweit unter der DMZ hindurch gebuddelt haben, um einen Überraschungsangriff auf den Süden starten zu können. Wieviele noch unentdeckte Tunnel es sonst gibt weiß man im Süden natürlich nicht. Leider durfte man im Tunnel nicht fotografieren, und überhaupt war das ne eher spaßfreie Veranstaltung, weil man im Tunnel selbst nur gebückt gehen kann. Ich war echt dankbar für den Baustellenhelm, den wir alle bekamen, denn ich hab mich mehrmals geknuzzt.
Zweiter Besichtigungspunkt war der Dorasan-Bahnhof, die letzte Haltestelle der südkoreanischen Eisenbahn vor der Grenze. Heutzutage fährt nur gelegentlich ein Zug von Seoul hierher, um Touristen in die DMZ zu bringen. Bis 2016 gab es aber Durchgangsverkehr in die Gaesong Industrieregion, wo ab 2003 südkoreanische Firmen Fabriken und Industrieanlagen errichteten, in denen dann hauptsächlich billige nordkoreanische Arbeitskräfte arbeiteten. Für die Südkoreaner, die hierhin zur Arbeit fuhren, gab's nen Zug und auch eine Straße mit Grenzübergang. Als Reaktion auf die nordkoreanischen Raketentests 2016 wurde aber der Betrieb in der Gaesong Industrieregion sietnes Südkoreas eingestellt, und die Grenze ist seit dem sowohl für Züge als auch für den Straßenverkehr gesperrt. Dadurch wirkt hier alles etwas gespenstisch und verlassen... leere Parkplätze und Fracht-Abfertigungsanlagen und ein leerer aber betriebsbereiter Bahnhof, der topp in Schuss gehalten wird.
Als nächstes wurden wir zum Beobachtungsposten auf dem Mount Dora, einem der Hügel entlang der DMZ gefahren. Von hier hat man eine der besten Aussichten nach Nordkorea hinein und hier entstand auch mein heutiges Bild des Tages. Im Vordergund sieht man die Befestigungsanlagen auf südkoreanischer Seite. Rund um das dunkle Hochhaus links von der Bildmitte befindet sich die Gaesong Industrieregion, und in der Ferne erkennt man Gaesong selbst, die drittgrößte Stadt von Nordkorea.
In der Mittagspause gab es in der Nähe des Dorasan-Bahnhofs ein zwar umfangreiches koreanisches Mittagessen, aber leider nur in Kantinenqualität. So richtig habe ich noch nicht zur koreanischen Küche gefunden und ich fürchte, dass das auf dieser Reise auch nicht mehr passieren wird.
Der letzte Stopp der Tour war am Imjingak Park, wo es am Südufer des Imjin-Flusses und somit außerhalb des militärischen Sperrbezirks, der sich vor der eigentlichen DMZ befindet, einen Unterhaltungskomplex gibt. Die Zäune, die man hier sieht, sind eigentlich nur dazu da, um den militärischen Sperrbezirk vor der DMZ zu schützen. Trotzdem ist hier einiges an Trubel und es fahren von Seoul aus Linienbusse hierher. Es gibt Souvenirshops und Mini-Supermärkte und Fahrgeschäfte für Kinder und eine weitere Beobachtungsplattform mit Fernrohren, von der man aber nur die andere Seite des Imjin-Flusses sehen kann, und hier in Imjingak ist am anderen Ufer des Flusses auch einfach nur Südkorea.
Eine knappe Stunde hat die Rückfahrt nach Seoul gedauert und um zwanzig nach zwei hielt der Bus wieder vor dem Büro von Koridoor. Ich bin von dort zu Fuß die Straße runter zum War Memorial of Korea, wo ich mir allerdings nur die Außenanlagen, mit den ausgestellten Panzern, Schiffen, Raketen und Flugzeugen angekuckt habe. Das Innere des Museums hab ich mir gespart.
Was ich allerdings heute auch noch getan habe, das war Bier für den Export kaufen. War nicht ganz so einfach, denn die ganzen 7-Elevens und vergleichbare Läden führen nur Dosenbier. Ich musste also ein bisschen suchen und das Internet zur Hilfe nehmen um nen richtigen Supermarkt zu finden. Das hatte allerding den Vorteil, dass ich direkt auch  Proviant für den morgigen Spotter-Tag einkaufen konnte. Außerdem habe ich mir noch nen Starbucks-Kaffee und ein Scone gegönnt und den Nachmittag gemütlich ausklingen lassen. Nachdem ich heute morgen um halb sieben aufgestanden und den ganzen Tag unterwegs gewesen war, hatte ich auf Sightseeing keine Lust mehr.
Tja, morgen geht's zum Fliegerkucken raus nach Incheon, wo ich morgen abend auch die letzte Nacht der Tour im Flughafen-Hotel verbringen werde. Schade, dass die Zeit hier in Seoul schon rum ist. Ich musste leider etliches, was die Stadt zu bieten hat, auslassen.

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