27. Oktober 2017

Abenddämmerung über dem Nil. Ich sitze auf der Terrasse unseres Hotels hier in Minya, sehe zu, wie die Pied Kingfisher im Nil nach Beute tauchen, und schreibe Reiselogbuch. Aus dem Hintergrund dringt der Straßenlärm von Minya heran und im Schilf am Nilufer toben Katzen. Sehr idyllisch alles...
Der heutige Tag begann ziemlich gemütlich. Abfahrt war erst um halb neun und so hatte ich den Wecker auf viertel nach sieben gestellt und war um viertel vor acht beim Frühstück. Packen brauchten wir nicht, denn wir sind insgesamt zwei Nächte hier in Minya.
Nachdem wir gestern die Sehenswürdigkeiten auf dem linken Nilufer erkundet haben, ging es heute op die schääl Sick. Hier in Minya führt eine Brücke über den Nil, der ein ähnliches Format hat wie in Kairo, also ungefähr so breit ist wie der Rhein.
Wir sind zuerst nach Beni Hassan gefahren. Dort gibt es Felsengräber aus dem Mittleren Reich, also von ca. 2000 v. Chr.. Man musste ein bisschen bergauf spazieren, um die in die Felswand gemeißelten Grabkammern zu erreichen, aber der Weg lohnte sich. Die Konstruktion dieser Grabanlagen, die nicht für Könige sondern für hohe Beamte und reiche Leute gebaut wurden, ist immer ähnlich. Es gibt einen in den Felsen gehauenen Raum, in dem die Grabbeigaben lagen, und der mit Reliefs und/oder Wandmalereien geschmückt ist, und darin befindet sich ein Schacht, machmal 25m tief, der zu der eigentlichen Grabkammer führt.
Die drei Gräber, die wir in Beni Hassan gesehen haben, waren echt sehr schön, mit tollen Szenen aus dem Leben und Alltag der Ägypter vor 4000 Jahren, zum Beispiel Jagdszenen oder ganze Comics, die Soldaten beim Training und beim Sport zeigten. Leider durfte man drinnen nicht fotografieren und die Wächter haben auch ziemlich scharf aufgepasst.
Wieder unten am Eingang und an der Straße angekommen haben wir noch einen Tee mit Pfefferminz getrunken, und dann ging es weiter zum zweiten Programmpunkt für heute: Tell el Amarna, dem antiken Achetaton, die Hauptstadt, die der König Echnaton (eigentlich Amenophis IV.) gegründet hat.
Echnaton, Mann von Nofretete und Vater von Tutenchamun, war ein Querdenker. Er brach mit dem Kult der alten Götter und betete nur noch einen Gott an, Aton, in Gestalt der Sonnenscheibe. Diese Sonnenscheibe wird immer mit Strahlen, die in Händen enden dargestellt, was man auf dem ersten Bild des Tages auch sehen kann.
Natürlich brachte die Einführung des neuen Galubenssystems massive Widerstände seitens der mächtigen Priesterschaft mit sich. Um dem Reich einen Neuanfang zu ermöglichen, ließ Echnaton eine neue Hauptstadt errichten, komplett mit Palästen, Tempeln, und natürlich in die Felsen gehauenen Grabanlagen. Rund 25 Jahre lang herrschte Echnaton von Achetaton aus über Ägypten. Nach seinem Tod wurde sein Sohn Tutenchaton aber schnell gezwungen, zu den alten Göttern zurückzukehren und nannte sich danach Tutenchamun. Damit war das Experiment mit dem Monotheismus, das Echnaton gestartet hatte, zu Ende. Wenig später wurde die Stadt Achetaton aufgegeben und verfiel. Die Grabkammern blieben unvollendet, und von den Palästen und Tempeln sind nur noch ein paar Grundmauern von Nofretetes Palast erhalten.
Ich weiß, ich weiß... wenn man in den Gräbern nicht fotografieren darf, dann darf das erste Bild des Tages gar nicht existieren... *lach... wir haben aber trotzdem fast alle irgendwie fotografiert, wenn die Wächter grade nicht gekuckt haben. Man sieht Echnaton und Nofretete in ihren Wagen und darüber Aton mit den in Händen endenden Strahlen. Nach der Rückkehr zu den alten Göttern hat man die Figuren des "Ketzer-Pharaos" und seiner ersten Frau weggemeißelt. Dass überhaupt der Pharao und seine Frau in den Gräbern abgebildet sind, ist ein Zeichen dafür, welche radikalen Veränderungen der neue Glaube mit sich brachte. Bis dahin und auch danach durften nur die Pharaonen selber und einige wenige verdiente Mitarbeiter, denen der Pharao es ausdrücklich gestattet hatte, ein Bild des Pharaos in ihrer Grabkammer anbringen. In Tell el Amarna sieht man Echnaton in jedem Grab, Zeichen für seine vermittelnde Funktion zwischen den Gläubigen und Aton, dem neuen, einzigen Gott.
Nach den Gräbern sind wir noch zum Palast der Nofretete gefahren, aber der ist nicht so wirklich spektakulär. Deshalb habe ich mich beim zweiten Bild des Tages für eine Szene aus dem mittelägyptischen Leben hier in der Gegend von Minya entschieden.
Gegen drei Uhr waren wir heute wieder zurück im Hotel, was ganz schön war, denn so konnte man mal ein bisschen ausspannen nach den anstrengenden letzten Tagen... und vor den anstrengenden kommenden Tagen. Es ist jetzt viertel vor sechs abends, und es ist quasi dunkel. Das gegenüberliegende Nilufer ist nur noch schemenhaft zu erkennen.
Da ist das Logbuch heute mal vor dem Abendessen fertig. Was ganz gut ist, denn morgen fahren wir um sechs Uhr los und Mostafa hat für viertel vor fünf den Weckruf organisiert. So früh stehe ich im Urlaub sonst nur für Safaris auf, oder um nen ganz frühen Flieger zu kriegen.

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