14. Oktober 2019

Der erste komplette Tag im Land und es war direkt einer meiner persönlichen Höhepunkte. Außerdem muss ich sagen, dass ich den Libanon wiedererkenne. Die Skyline von Beirut mag sich verändert haben, die politische Situation mag hier (mal wieder) im Fluss sein und das Wetter ist heiß, aber der Verkehr ist immer noch chaotisch, die Leute sind freundlich, das libanesische Essen und das libanesische Bier schmecken, die Straßen sind voller dicker Autos und die libanesische Normalität, die uns im fernen Europa immer so unwirklich und unbegreiflich scheint, ist hier halt normal.
Das Frühstück im Hotel heute war deutlich besser als das Abendessen gestern und so sind wir alle gut gestärkt zur ersten Tagestour aufgebrochen. Unser Reiseleiter heißt Abbas. Mit Vornamen… nicht wie der Palästinenserpräsident mit Nachnamen. Er stellte sich uns als „der beste Reiseleiter“ vor. Okayyyy… kann man machen, aber damit hängt man sich selbst natürlich die Latte hoch.
Heute führte die Fahrt von Beirut aus nach Süden. Den ersten Stopp haben wir am Tempel von Echmoun gemacht, einer Ausgrabungsstätte, wo es schon aus frühphönizischer Zeit ein Heiligtum gab, und wo dann auch die Hethiter, Assyrer, Griechen und Römer einen Heilgott verehrt haben. Viele alte Steine, aber das wichtigste sind nach Abbas‘ Aussage wohl die Funde von Echmoun, die im libanesischen Nationalmuseum ausgestellt sind und die wir morgen zu sehen kriegen.
Dann ging es weiter südlich, zuerst über die Autobahn und dann die letzten paar Kilometer auf der Landstraße nach Tyrus. Am Ende der Autobahn haben wir auch den einzigen Checkpoint der libanesischen Armee passiert, der uns heute begegnet ist. Das hat sich auch geändert. Bei meinen letzten Besuchen gab es alle paar Kilometer Checkpoints. Libanesische Armee, syrische Armee, libanesische Polizei… Heute? Alles easy.
Tyrus ist für mich ein bisschen ein Sehnsuchtsort. Nach Tyrus wollte ich schon immer mal. Vielleicht, weil es mir die Phönizier so angetan haben. Bei meinem ersten Besuch im Libanon zum Jahreswechsel 2003/2004 haben wir in Tyrus Silvester gefeiert. An die Party kann ich mich nur noch dunkel erinnern und gar nicht mehr daran, wie und wo die Eichhorns und ich damals übernachtet haben. Aber dass ich am Silvester-Nachmittag mit Madelene die Nekropole, das Aquädukt und das Hippodrom von Tyrus besucht habe, das weiß ich noch genau. Bei über 20 Grad haben wir damals in den Ruinen der römischen Pferderennbahn in der Sonne auf der Tribüne gesessen, erzählt und die Aussicht und Umgebung genossen.
Zum „Auf-der-Tribüne-sitzen“ war heute leider wenig Zeit und die Hitze machte es auch nicht so sonderlich angenehm. Da hat sich der Nachteil der Gruppenreise sehr deutlich gezeigt. Man muss halt weiter, wenn es mit der Gruppe weitergeht. Viel Zeit hat Abbas uns jedenfalls nirgendwo gelassen. Das hätte durchaus gemütlicher sein können. Trotzdem war es super, wieder in Tyrus zu sein und entsprechend ist auch der Triumphbogen, der den Eingang zur römischen Stadt markierte, heute das Bild des Tages.
Nach dem Hippodrom sind wir auf die Halbinsel, auf der die Altstadt von Tyrus liegt gefahren und haben uns die dortigen Ausgrabungen angesehen. Kolonnadenstraßen, Zisternen, Grundmauern öffentlicher Gebäude und vieles mehr kann man da sehen und das ganze direkt am Mittelmeer, mit schönem Blick auf die Neustadt von Tyrus und hinüber zu den Bergen hinter denen Israel liegt.
In Tyrus haben wir ne kleine Mittagspause mit Imbiss gemacht. Für mich gab es  Beef Shawarma und frischgepressten Granatapfelsaft. Das war dann mal richtige libanesische (Schnell-)Küche. Das Essen im Hotel war dagegen heute abend wieder nix halbes und nix ganzes. Morgen ziehen wir um, aber wenn wir am Donnerstag wieder nach Beirut zurückkommen, dann muss ich mir essenstechnisch was einfallen lassen.
Nach der Mittagspause ging‘s zurück in Richtung Norden, nach Sidon. Diesen Ort hatte ich bei meinen bisherigen Libanon-Reisen ausgelassen, so dass hier alles neu für mich war. Wir haben die Seefestung, ein Kreuzfahrerkastell direkt am Hafen, besichtigt, sowie die alte Karawanserei, die sehr schön renoviert ist. Dann sind wir noch ein bisschen durch den überdachten Souk von Sidon spaziert, aber entspannt und gemütlich war‘s nicht, dafür hatte Abbas zu viel Eile. Kein Ahnung warum. Wahrscheinlich war er beleidigt, weil einige von uns (ich eingeschlossen) nicht noch zusätzlich in Sidon ins Seifenmuseum wollten… für 3 Dollar… mit nem schönen Souvenir-Shop… Jaja… Weiß man, wo das hinführt und warum ein Reiseleiter da gerne hin will… So richtig gerecht wurde Abbas seinem eigenen Anspruch heute auf jeden Fall noch nicht.
Um kurz vor fünf waren wir wieder am Hotel in Beirut, und ich muss sagen, das war dann auch reichlich Programm für heute. Eigentlich hätten Tyrus und Sidon jeweils einen kompletten Tag verdient gehabt.
Ich bin dann noch ein bisschen durch die Stadt gebummelt und habe Geld besorgt und um sieben stand das Abendessen auf dem Tisch. Siehe oben. Immerhin war die Unterhaltung in der Gruppe angeregter, aber im Vergleich zu meinen anderen Gruppenreisen immer noch sehr zurückhaltend.
Morgen ist wieder um 8:30 Uhr Abfahrt. Wir wechseln für zwei Tage das Quartier und ziehen nach Byblos um, denn in den nächsten Tagen steht der nördliche Teil des Libanon im Vordergrund.

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