11. Oktober 2016
Hatte ich nicht im Frühjahr etwas zum Stichwort „Sehnsuchtsziele“ erzählt? Ich bin im Murchison Falls National Park und die Wasserfälle, die dem Park den Namen gaben, sind eines meiner Sehnsuchtsziele. Hier wollte ich schon immer mal hin und wenn morgen nicht ganz kurzfristig noch was dazwischen kommt, dann werde ich morgen nachmittag an den Murchison Falls stehen.
Heute aber war erst mal ein langer Fahrtag mit einem tollen Programmhöhepunkt. Um kurz nach halb acht sind wir in der Lake Victoria View Lodge aufgebrochen. Heute morgen habe ich auch die beiden letzten Mitreisenden kennengelernt. Brigitte und Beat aus – na klar – der Schweiz. In Deutschland heißt niemand 'Beat'. Die beiden kommen aus der Nähe von Luzern. Damit ist die Gruppe komplett. Wir sind, abgesehen vom Alter, wo zwischen dem Ältesten und der Jüngsten grade mal sechs Jahre liegen, zwar ziemlich verschieden, aber es scheint zu funktionieren. Und Dani managt alles sehr souverän und unaufgeregt.
Von Entebbe ging es erst auf dem Highway und dann auf ein paar Schleichwegen am Zentrum von Kampala vorbei. Ob wir damit wirklich den dicken Stau vermieden haben, das kann niemand sagen, aber auf jeden Fall habe ich heute meine dritte Stadtdurchquerung der ugandischen Hauptstadt gemacht und wieder auf einem anderen Weg. Kampala ist laut, voll und chaotisch, aber nicht unsympathisch. Leben möchte ich hier allerdings trotzdem nicht.
Nachdem wir das Verkehrsgewirr der Hauptstadt in unserem grünen, zum Safarifahrzeug umgebauten Toyota Landcruiser hinter uns gelassen hatten, ging es auf guter Straße in Richtung Norden. Der Highway, auf dem wir unterwegs waren, hätte uns in ein paar Stunden an die südsudanesische Grenze geführt. Aber dahin wollten wir ja nicht. Unsere erste Station heute war das Ziwa Rhino Sanctuary. Auf 70km² leben hier 16 Breitmaulnashörner, die einmal der Grundstock für die Wiederansiedlung dieser fantastischen Tiere in Uganda sein sollen. In den Wirren von Ugandas unruhigen 1970er- und 1980er-Jahen waren alle Nashörner Ugandas gewildert worden. Das letzte lebende Nashorn, ein Spitzmaulnashorn, wurde hier 1983 im Kidepo Nationalpark, an der Grenze zum Sudan gesehen.
Nach dem politische Ruhe eingekehrt war, hat man zuerst einmal zwei Nashörner im Zoo von Entebbe untergebracht, um wieder etwas Knowhow zu gewinnen. Anfang der 2000er-Jahre kamen dann vier Breitmaulnashörner aus Kenia und zwei von Disneys Animal Kingdom Orlando ins Ziwa Rhino Sanctuary in der Nähe von Masindi. Daraus sind inzwischen 16 geworden. Das erstgeborene Kalb, dessen Vater Amerikaner (aus Orlando) und dessen Mutter Kenianerin war, bekam bezeichnenderweise den Namen Obama... *lach...
In Ziwa werden die Nashörner zwar rund um die Uhr bewacht und betreut, aber sie sind trotzdem wild. Gegen Mittag waren wir am der Rezeption des Sanctuarys und haben erst mal Picknick gemacht. Dann sind wir mit Willy, unserem örtlichen Guide, der uns auf seinem Motorrad voran fuhr, zu einer Gruppe Nashörner aufgebrochen. Nach einer kurzen Fahrt, auf der wir mehrere Buschböcke und einen Kronenducker gesehen haben, ging es zu Fuß weiter. Willy hatte uns vorher noch etwas über die Geschichte der Nashörner in Ziwa und über deren Verhalten erzählt... vor allem über ihre Drohgebärden und was wir tun und lassen sollten und woran wir erkennen könnten ob ein Nashorn angreifen will. Zum Glück sind Breitmaulnashörner von Natur aus friedliche und gutmütige Tiere. Trotzdem hatten wir alle vor Beginn der Fußsafari noch eine Erklärung unterschreiben müssen, dass wir keine Ansprüche stellen würden wenn uns was passiert.
Nashörner sind ja meine Lieblingstiere, wie der eine oder andere von Euch vielleicht schon weiß. Ich war vor der Reise etwas skeptisch gewesen, ob das mit dem Rhino Sanctuary nicht zu sehr „Zoo“ sein würde und war eher davon ausgegangen, dass wir die Nashörner in einem zwar weitläufigen aber eben doch Gehege antreffen würde. Aber die Nashörner in Ziwa sind echt wild. Die Gruppe, auf die wie stießen, bestand aus insgesamt sieben Tieren, einer Herde von fünf Weibchen, plus ein weiteres Weibchen mit ihrem im Frühjahr geborenen Sohn. Dass die beiden Gruppen grade zusammen waren war zwar unser Glück, aber doch Zufall und während wir so da standen und die Nashörner beobachteten trennten sich auch die Wege der beiden Trupps wieder. (Willy hat uns natürlich die Namen von allen sieben Nashörner gesagt, aber die hatte ich fast genauso schnell wieder vergessen... erst recht, weil ich nach ein mal beobachten die Tiere sowieso noch nicht auseinander halten konnte.)
Die Fußsafari zu den Nashörnern war – entgegen meiner anfänglichen Bedenken – ein richtig tolles Erlebnis und hat natürlich ein Bild des Tages verdient.
Vom Ziwa Rhino Sanctuary waren es knapp zwei Stunden bis zum Eingang des Murchison Falls National Parks, das meiste davon auf Schotterstraßen, allerdings richtig guten. Der südliche Teil des Parks besteht zu erst noch aus Dschungel. Dann fährt man über die Kante hinunter in den westlichen Teil des Ostafrikanischen Grabenbruchs und befindet sich in einer feuchten Savanne. Die Landschaft und die Vegetation sind hier richtig schön. Im südlichen Teil des Parks gibt es aber nicht so viele Tiere. Dafür werden wir morgen früh auf das Nordufer des Victoria-Nils fahren und eine richtige Safari unternehmen. Im Südteil haben wir heute hauptsächlich Paviane gesehen, sowie ein paar Colobus-Affen, grüne Meerkatzen, Buschböcke und ein paar Warzenschweine.
Unser Quartier, die Murchison River Lodge, liegt direkt am Nil, zum Teil etwas erhöht auf einem Plateau und zum Teil direkt unten am Fluss. Während ich den heutigen Logbucheintrag schreibe, schnaufen und schmatzen draußen vor meinem Zelt, das nur ein paar Meter vom Nilufer entfernt liegt, die Flusspferde. Unter Zelt muss man sich dabei allerdings ein ziemlich komfortables Quartier mit eigenem Bad vorstellen. Einzig WLAN gibt es nur an einer bestimmte Stelle in der Lodge und deshalb kommt das heutige Logbuch auch mit einem Tag Verspätung.
Nach dem Einchecken haben Nikolaus und ich noch am Sunset-Aussichtspunkt bei einem Nile Special den Tag ausklingen lassen und zugekuckt, wie die Sonne den Nil golden gefärbt hat. Das ist heute das zweite Bild des Tages. Dann gab's noch ein leckeres Abendessen und ein bisschen Verzäll. Wie schon erwähnt: die Gruppe scheint zu funktionieren. Und jetzt muss ich auch in die Heia, denn mein Wecker geht morgen um halb sechs.
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