21. April 2017

Mein letzter Tag in Nicaragua... und, Damas y Caballeros, was für ein Kracher... Ich hätte heute LOCKER vier Bilder das Tages auswählen können...
Heute ging zum letzten Mal der Wecker früh. Morgen kann ich länger schlafen, denn ich werde erst gegen elf abgeholt, um zum Flughafen gebracht zu werden. Im Moment habe ich allerdings ein bisschen Probleme mich zu konzentrieren, denn die deutsche Reisegruppe, mit der ich auch in der Ankunftsnacht das Hotel geteilt habe und die mich schon beim Frühstück am ersten Morgen genervt haben, sind auch wieder hier... und nerven... und sind – soviel habe ich aus den Gesprächen schon erfahren - auch morgen mit im Flieger, nach Panama City, nach Amsterdam und nach Düsseldorf... okay, ich denke mal auf der Langstrecke habe ich sie vom Hals, denn ich habe mir mal wieder Economy Comfort gegönnt.
Also... der heutige Tag begann, wie gesagt, mal wieder früh. Um 7:30h war ich an der Rezeption, wo mich mein Guide für heute, Edgard, und mein altbekannter Fahrer Roberto (der Erste, der mich schon in León und von León nach Granada chauffiert hatte) erwarteten. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet, und es wurde dann auch ein entsprechend lustiger Tag, weil nämlich auch Edgard super drauf und vor allem ein absolut passionierter Hobby-Ornithologe war. Eine knappe Stunde haben wir durch den morgendlichen Verkehr von Managua nach Ticuantepe, einem der südlichen Vororte der Hauptstadt gebraucht. Dort befindet sich das Reserva Silvestre Privada Montibelli, das zu einer der ersten ornithologischen Adressen hier in Nicaragua gehört. Wir sind aber nicht ganz bis hingefahren, denn Edgard meinte, dass schon die letzten 300m des Wegs dorthin  ein ertragreiches Jagdrevier wären. Waren sie natürlich. Wir hatten schon vier oder fünf neue Arten bevor wir überhaupt erst den Eingang des Schutzgebiets erreicht hatten.
Im Schutzgebiet selber kam dann zu meinem Nicaragua Adventures-Guide Edgard noch der Guide des Reservats dazu. Juan... wieder einer dieser jugendlich wirkenden Nicaraguaner, der wahrscheinlich doch schon Mitte 30 war (ich habe nicht gefragt...), und über dessen jungenhaftem Gesicht sich graue Sprenkel in die dichten schwarzen Latino-Haare mischten. Edgard stellte mir Juan mit den Worten „He's the man“ vor. Und das war er auch. Juan hatte es echt drauf, was die Vogelkunde betraf. Und es ging direkt mit einem Highlight los, mit dem ich niemals gerechnet hätte (und das es trotzdem nicht zum Bild des Tages geschafft hat... das muss man sich mal vorstellen...). Juan hatte heute morgen bei seiner Frühpirsch einen Pootoo gefunden. Das ist ein nachtaktiver Vogel, vergleichbar und verwandt mit den Nachtschwalben und Ziegenmelkern, der seine Tage damit verbringt, sich als abgestorbener Ast eines Baumes zu tarnen. Ich hätte wahrscheinlich nur ein paar Meter entfernt daran vorbei laufen können und hätte ihn nicht entdeckt, so sehr entspricht die Gefiederfärbung der Rinde der Bäume.
Von da an ging's bergauf. In den nächsten gut drei Stunden hatte ich eine der besten Vogelsafaris bisher... jemals... wir haben in diesen drei Stunden 26 Arten gesehen, die ich bis dahin noch nicht auf meiner Nicaragua-Liste hatte... und insgesamt waren es gut 40 Vogelarten. Und das alles in dem für diese Gegend typischen tropischen Trockenwald. Es muss nämlich nicht immer Dschungel sein. Und außer Vögeln gab es auch Leguane, Eichhörnchen und ein Aguti, ein für Mittel- und Südamerika typisches, hasengroßes Nagetier.
Nach gut der Hälfte der Tour fragte mich Edgard, was ich denn zum Mittagessen essen wollte, und ich sagte „Beef“ obwohl ich etwas überrascht war, dass mir diese Frage überhaupt gestellt wurde, denn laut Programm war Mittagessen nicht eingeschlossen. War es dann auch nicht, wie sich nach einem Telefonat von Edgard mit Nicaragua Adventures etwas später herausstellte, und er fragte mich, ob ich denn dann trotzdem hier essen wollte, es würde nämlich zehn Dollar kosten. „Ja klar“, hab ich gesagt, denn essen musste ich ja sowieso irgendwo, und warum dann nicht den Leuten vor Ort was zu verdienen geben. Und was soll ich sagen? Sehr richtige Entscheidung. Nicht nur, dass das Essen super geschmeckt hat und ich mit Edgard und Roberto zwei sehr lustige und unterhaltsame und darüber hinaus auch ornithologisch interessierte und sogar sehr versierte Tischgenossen hatte. Roberto spricht zwar bekanntermaßen nur gebrochenes Englisch und ist „nur“ der Fahrer, aber er hat ebenfalls Spaß an gefiedertem Getier und er hat gute Augen. Die Entscheidung, in Montibelli Mittagspause zu machen war aber auch deswegen goldrichtig, weil ich auf diese Weise dann doch noch einen Tukan, um genauer zu sein einen Halsbandarassari, vor die Linse gekriegt habe. Man siehe das erste Bild des Tages. Und nicht nur das. Während wir auf der Terrasse des rustikalen Besucherzentrums von Montibelli saßen, kamen auch noch mehrere andere Vögel zur Liste dazu. Um die Sache abzukürzen: meine persönliche magische Zahl von hundert Vogelarten pro Reise wurde geknackt.
Irgendwann mussten wir dann aber doch aufbrechen, denn es stand ja noch eine Stadtbesichtigung in Managua auf dem Plan. Edgard entsprach allem, was ich auf dieser Tour über nicaraguanische Guides gelernt hatte... er kannte sich super aus (Kunststück: er stammt aus Managua), und er war kein Freund der aktuellen Regierung und des aktuellen Präsidenten. Die erste Station auf unserer Stadterkundung war der Mercado Huembes, der zwar einerseits ein Kunstgewerbemarkt ist, aber auch eine große „normale“ Abteilung hat... mit Gemüse und Fleisch und Haushaltswaren und Kleidung und Accessoires und Fressbuden und Spielwaren und vor allem Piñatas in allen Formen, Farben, Größen, Gestalten und Variationen. Füllen muss man sie allerdings selber.
Danach ging's zur neuen Kathedrale von Managua... okay... moderne religiöse Architektur ist ja so ne Sache... Schwamm drüber.
An dieser Stelle muss ich etwas über einen der schwärzesten Tage in der Geschichte Managuas erzählen, den 23. Dezember 1972. Um 0:35 Uhr bebte hier die Erde, mit einer Stärke von zwar „nur“ 6,2 auf der Richterskala, aber mit verheerenden Folgen für die Stadt. Über 19.000 Menschen starben und die Stadt wurde dem Erdboden gleich gemacht. Sogar der Präsidentenpalast des Somoza-Clans hat das Beben nicht überstanden, genauso wenig wie das historische Stadtzentrum von Managua mit seinen vielen Art Deco-Gebäuden oder die alte Kathedrale von Managua (naja, so alt nun auch wieder nicht, denn der Bau stammt aus der Zeit nach dem vorletzten Erdbeben, das im Jahr 1931 die vorletzte Kathedrale von Managua platt gemacht hatte). Ein einziges Hochhaus hat dem Beben stand gehalten, und seit dem baut man in Managua nicht mehr gerne in die Höhe. Das sieht man auch auf dem zweiten Bild des Tages, einem Blick auf das neue (so eigentlich gar nicht geplante) Zentrum von Managua, samt dem innerstädtischen Vulkankrater. Das Bild entstand von dem Hügel aus, auf dem der alte Präsidentenpalast stand, und der heutzutage ein Park ist, und auf dem sich auch die charakteristische Silhouette von Augusto Sandino befindet, die in Nicaragua ein genauso bekanntes und verbreitetes Symbol wie die „Goldenen Bögen“ ist. Augusto Sandino ist hier in Nicaragua der größte Volksheld überhaupt, und er ist NICHT der Gründer der Sandinisten-Bewegung. Okay... jetzt wird’s kompliziert und ich werde Euch einen Exkurs in die nicaraguanische Politik ersparen.
Zurück zur Stadtbesichtigung. Von der neuen Kathedrale sind wir, vorbei am Hugo Chavez-Roundabout (siehe Tag 2) zum alten Parque Central gefahren, dem Platz vor der alten Kathedrale. Dort befinden sich auch der Präsidentenpalast und der Palacio Nacional, in dem heute das Nationalmuseum untergebracht ist. Was mich aber an dieser Stelle am meisten beeindruckt hat, das ist die Ruine der alten Kathedrale, deren Turmuhren immer noch auf 0:35 Uhr stehen, dem Zeitpunkt, als die Erde zugeschlagen hat.
Vom Parque Central ging's noch zum Ufer des Managua-Sees, und dann zum Mirador Tiscapa, wo wir noch ein bisschen Vogelbeobachtung betrieben haben und wo ich das zweite Bild des Tages gemacht habe. Und dann war es auch schon Zeit, zum Hotel zurückzufahren. Ich habe mich von Roberto und Edgard (noch ein neuer Facebook-Kontakt...) verabschiedet und lasse im Moment den Abend gemütlich mit Flor de Caña ausklingen. Morgen gibt es kein Programm mehr, aber ich werde natürlich weiter berichten und am Sonntag, so denn meine Fluggesellschaften sauber arbeiten, einen abschließenden Bericht schicken.

Ohweia... schon wieder ein Roman...

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