Reiselogbuch - 2008 Golf von Neapel

 

27. September 2008

Es ist soweit – ich bin wieder op Tour. Die letzte Nacht habe ich allerdings schon in Düsseldorf im Flughafenhotel verbracht. Das ersparte mir extrem frühes Aufstehen und darüber hinaus auch, jemanden bitten zu müssen, mich zu unchristlicher Zeit nach Düsseldorf zum Flughafen zu fahren. Der Flieger ging um neun, erst nach Mailand-Malpensa und dann musste ich zum zweiten Flughafen von Mailand wechseln, nach Linate, um von dort aus nach Neapel weiter zu fliegen. Dabei ging ein langgehegter Wunsch von mir in Erfüllung: endlich mal in einer MD-82 von Alitalia zu sitzen. Ich weiß – nach dem Absturz von Madrid vor ein paar Wochen hat dieser Flieger zur Zeit eine schlechte Presse. Zu unrecht wie ich meine. Jedenfalls bin ich heute, was das Fliegerische anging, voll auf meine Kosten gekommen.
Interessant wurde es dann beim Anflug auf Neapel. Die Maschine kam in weitem Bogen über den Golf. Für den Vesuv saß ich zwar auf der falschen Seite, aber dafür hatte ich nen schönen Blick auf Pozzuoli und die Phlegräischen Felder. Beides steht auf meinem Besichtigungsprogramm und wird bei passender Gelegenheit ausführlich beschrieben und erläutert. Für heute ist es aber erst mal das Bild des Tages und mein erster Eindruck vom Golf von Neapel. Am Flughafen angekommen ging’s mit dem Bus in die Stadt. Eines ist jedenfalls schon mal sicher: der Müll ist noch längst nicht alle in Köln. Neapel ist definitiv keine saubere Stadt, aber irgendwie hat mir die Stimmung heute Abend schon echt zugesagt. Nicht erwartet hatte ich auch die spiegelverglasten Hochhäuser im neuen Stadtzentrum. Ich hoffe, dass ich morgen mal an einen Punkt kommen werde, wo man sich mal einen Überblick über die Stadt verschaffen kann.
Für morgen ist ein Spaziergang durch das Centro Storico angesagt. Danach werde ich bestimmt schon so manches erzählen können, was Neapel für eine Stadt ist. Leider werde ich wohl auch mal nach nem Internet-Café suchen müssen. Das LAN hier im Hotel funktioniert hinten und vorne nicht. Echter Mist. Daher können die Reiseberichte auch mit ein bisschen zeitlicher Verzögerung bei Euch eintreffen. Ich hoffe Ihr seht es mir nach.

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28. September 2008

Ohweia – ich bin ‚öm’... ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass der ‚vino locale’ zum Abendessen für 4 Euro ne ganze Flasche sein würde... hmmmmm – ich bin ihm leider nicht ganz Herr geworden, obwohl er echt lecker war und super zu den Spaghetti alla Pescatora passte. Ich hab hier an zwei Abenden schon mehr Muscheln zu essen bekommen als im Rest des Jahres zusammen. Okay – jetzt hab ich den Tagesbericht von hinten angefangen. Also mal kurz zurück zum Anfang. Nach dem Frühstück hier im Hotel hab ich mich aufgemacht, Neapel zu Fuß zu erobern. Eines weiß ich jetzt schon: ich mag Neapel. Ja, es ist dreckig, und ja, die Mopeds fahren 70 durch die schmalen Gassen. Trotzdem – das Ganze hier hat Flair. Hier ist Italien noch nicht weichgespült. Die Wäsche ist über die Straßen gespannt und trocknet im Abgasdunst, das Tauwasser der Fischgeschäfte läuft durch die Rinnsteine, die Leute stehen gestikulierend diskutierend an den Straßenecken und der Hilfsküster von San Pietro a Maiello wollte mich doch ernsthaft für zwei vierseitige Broschüren, eine auf Englisch und eine auf Italienisch, über seine Kirche um fünf (!) E-Uro (ich liebe es wenn die Italiener unser Geld beim Namen nennen) erleichtern. Ich habe ihm dann zwei gegeben, einen für die Broschüren und einen, weil er mir die angeblich von Giotto stammenden Fresken gezeigt und mich noch in die Sakristei gebeten und mir damit nen Blick hinter die Kulissen gewährt hat.
Man sollte besser gut zu Fuß sein in dieser Stadt. Mit dem Bus fahren geht bestimmt ganz gut, aber bis man sich durch die Linienpläne gekämpft und die passende Umsteigeverbindung kombiniert hat ist man auch zu Fuß da, wo man hin will. Als einziges öffentliches Verkehrsmittel habe ich deshalb heute auch die Funicolare Centrale benutzt, die Standseilbahn mit der man vom Zentrum bequem auf einen der zu Neapel gehörenden Hügel gelangt. Die Stadt ist doch überraschend hügelig. Oben auf der höchsten Erhebung der Stadt, rund 250m über dem Hafen, liegt der Castel San Elmo, und hier hat man die bekannten Postkartenansichten auf den Golf von Neapel und „den Berg“. Klar, dass das heute auch das Bild des Tages ist.
Tja – der Berg. Ich habe ja schon manche Stadt im Schatten ihres Hausberges liegen sehen. Vielleicht weiß ich einfach zuviel über das Monster, das da schlummert, aber der Vesuv wirkt bedrohlich. Der blickt echt überhaupt nicht freundlich auf die umliegende Gegend. Und ist dabei mit 1281m noch nicht mal so besonders groß und imposant. Vielleicht hat es mit dem Aussehen zu tun. Der Berg wirkt als hätte ihn ein Riese mit der Axt gespalten. Auf dem Bild sieht man deutlich die beiden Gipfel. Der linke ist der Monte Somma, die Caldera eines alten Vulkans, die in mehreren Eruptionen während der letzten 20.000 Jahre entstand. Der letzte dieser Ausbrüche zerstörte im Jahre 79 nach Christus Pompeji, Herculaneum und Stabiae. Der höhere der beiden Berge, der eigentliche Vesuv, ist also wesentlich jünger, und nur ca. 2.000 Jahre alt und in dieser Zeit schon mehrfach mit katastrophalen Folgen ausgebrochen. Der letzte Ausbruch erfolgte im März 1944, interessanterweise nach dem im September zuvor das Blut des heiligen Januarius sich geweigert hatte wieder flüssig zu werden. Glaubt’s oder glaubt’s nicht – der heilige Januarius, oder San Gennaro, wie er auf Italienisch heißt, ist der Stadtheilige von Neapel. Sein Blut wird als Reliquie im Dom in einer sehr italienisch-barocken Kapelle (Fotografieren war leider verboten) aufbewahrt. Jedes Jahr findet das Blutwunder von Neapel statt, wo am Fest des heiligen Januarius das Blut wieder flüssig wird – und wenn es das nicht tut, dann droht der Stadt im darauf folgenden Jahr Unheil. Im letzten Jahrhundert waren die Voraussagen des Heiligenblutes korrekt. 1944 brach der Vesuv aus und im Jahre 1982 gab’s hier ein schweres Erdbeben, nach dem das Blut nicht flüssig geworden war. Diesen September scheint wohl alles glatt gegangen zu sein. Die Bevölkerung wirkt jedenfalls nicht beunruhigt.
Morgen geht’s weiter in Sachen Kultur. Ich werde mir das Archäologische Museum ankucken, wo unter anderem die Funde aus Pompeji ausgestellt sind. Soll sehr schön sein, das Museum. Hab ich zumindest gelesen. Ab übermorgen bin ich dann motorisiert und die Erkundung der Umgebung kann beginnen. Die Mietwagenstation hier am Bahnhof habe ich allerdings noch nicht gefunden. Werde morgen mal an der Rezeption fragen.

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30. September 2008

Ich bin motorisiert – Autofahren in Neapel ist spannend und macht Spaß, aber es ist nicht schlimmer als in Palermo oder Athen (oder dem Rest von Griechenland). Nachdem ich heute morgen den Mietwagen bei der Verleihstation am Bahnhof abgeholt habe, habe ich mich einfach mal in den Verkehr gestürzt um zu sehen auf welcher Autobahn ich rauskomme und danach dann auch das Tagesprogramm gestaltet. Mein Auto ist übrigens stilvoller Weise ein Fiat Punto. Mit welchem Auto, wenn nicht nem Fiat will man schon durch Italien fahren?
Also – ich bin dann irgendwie auf der Tangenziale (der neapolitanischen Stadtautobahn) in Richtung Osten rausgekommen und habe mich deshalb, entgegen den Ankündigungen von gestern entschieden, nach Pompeji zu fahren. Das Wetter war übrigens super und sollte es von heute an schlechter werden, dann habe ich wenigstens Pompeji in der Sonne gesehen. Sicher ist sicher.
Wer vom Vesuv gehört hat, der hat auch von Pompeji gehört. Als alter Vulkanfreak (siehe dazu auch das Reiselogbuch USA-Pazifik 2007) hatte ich schon vom Vesuv in Pompeji gehört bevor ich lesen konnte. Und jetzt war ich da. Tja - was soll ich sagen? Die Gefahr bei besonders hohen Erwartungen ist, dass sie enttäuscht werden. Nicht dass Ihr mich jetzt falsch versteht – Pompeji ist schon klasse und hat viel zu bieten – aber von den Socken war ich jetzt nicht, anders als es mir zum Beispiel letztes Jahr in Mykene oder Epidauros ging.
Pompeji wimmelt von Touris. Es gibt echt jede nur denkbare Kategorie, vom alleinreisenden Individualtouristen (wie mich) über deutsche Oberstufenschüler bzw. Zehntklässler auf Abschlussfahrt und junge Paare mit den beiden kleinen quengelnden Töchtern bis hin zu den unvermeidlichen Busladungen Japanern. Da braucht man schon viel Geduld und innere Ruhe. Und wenn man mal ein bisschen abseits der ausgetretenen und vielbesuchten Wege Pompejis unterwegs ist, dann findet man auch schöne stille und beschauliche Winkel in diesem Häuser- oder vielmehr Ruinenmeer.
Bei dem großen Ausbruch 79 n.Chr. hat der Vesuv echt keine halben Sachen gemacht. Die Menge des dabei ausgestoßenen vulkanischen Materials war mehr als doppelt so groß wie beim bekannten Ausbruch des Mt. St.Helens 1980, so dass man sich vorstellen kann, was damals in Pompeji und den anderen Orten am Fuß des Vulkans los war. Wenn man heutzutage durch die ausgegrabenen Ruinen Pompejis streift, dann hat man fast überall auch den Vesuv im Blick, und wie bereits erwähnt – er kuckt nicht freundlich. Früher oder später wird man Pompeji wohl ein zweites Mal ausgraben müssen. Auch die Gipsabdrücke der Opfer des damaligen Ausbruchs, die an verschiedenen Stellen der Stadt zu sehen sind, geben der ganzen Szenerie etwas sehr bedrückendes. Das ist nicht irgendeine ehemalige Siedlung. Hier sind mehrere tausend Leute um’s Leben gekommen, als der Vulkan ausbrach. Eigentlich ist das das Besondere an Pompeji und unterscheidet diese Siedlung von anderen ausgegrabenen Städten, die ich schon besucht habe. Hier hörte das Leben auf einen Schlag auf – am 24. August 79 n.Chr. Wenn das nicht wäre, dann würde man hier nur das zu sehen kriegen, was man wo anders auch sieht, ein Amphitheater, Tempelruinen, Wohnhäuser, Thermen, ein Forum.
Fünf Stunden habe ich in Pompeji verbracht und mir alles in aller Ruhe angekuckt, mit genügend Zeit, auch mal den Touri-Strom vorbeizulassen und ein von Menschen verlassenes Foto zu machen. Natürlich ist das Foto des Tages auch aus Pompeji – der Blick über das Forum und die Ruinen des Jupitertempels auf den Berg. Dann ging’s zurück nach Neapel, mit nem kleinen Abstecher zum Flughafen um die Spotting-Möglichkeiten abzuklären (...die leider hier ziemlich bescheiden sind. Ich werde aber wohl trotzdem einen Morgen mal zum Fliegerkucken hinfahren, denn der Verkehr, den es hier zu sehen gibt, ist schon recht interessant und für jemanden, der deutsche Flughäfen gewöhnt ist, nicht alltäglich.) Danach ging’s zurück zum Hotel. Nen Parkplatz kriegen war nicht mal schwierig, aber die Gebühren haben es echt in sich. Schon in Pompeji konnte man da mit den Ohren schlackern. Die Knöllchen sollen allerdings auch heftig sein, und so habe ich brav mal ein Ticket gezogen.
Was morgen auf dem Programm steht habe ich noch nicht beschlossen. Das werde ich wohl von Wetter und Laune abhängig machen. So eine Standortreise ist mal was anderes als sonst, wo die Route die Sehenswürdigkeiten vorgibt. Lasst Euch also überraschen, was der nächste Logbucheintrag bringen wird.

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29. September 2008

Mein zweiter Tag in Neapel – so langsam bekomme ich ein Gefühl für die Stadt. Als Fußgänger ist der Verkehr echt nicht so dramatisch. Man muss nur dran denken, dass man sich an keine Regeln hält. Und mit der Zeit hat man dann auch ein Gespür dafür, vor welches Auto man sich werfen kann und welches man besser durchlässt.
Nach dem Frühstück habe ich erst mal in und um den Bahnhof Erkundigungen nach meiner Mietwagenstation für morgen eingezogen und ich denke ich bin fündig geworden. Ab morgen bin ich dann motorisiert und werde beginnen, die Gegend zu erobern. Heute aber noch mal, wie erwähnt, ein Tag zu Fuß – weitgehend zumindest.
Zuerst ging’s ins Archäologische Nationalmuseum. Dort sind unter anderem die Funde aus Pompeji und Herculaneum ausgestellt und man kriegt schon einiges an römischer Antike um die Ohren gehauen, auch wenn so rund ein Drittel des Museums wegen Renovierungsarbeiten geschlossen war. Ich habe mich am Einlass direkt entschlossen, eine „Campania ArteCard“ zu erstehen. Die gilt sieben Tage und man hat in allen angeschlossenen Sehenswürdigkeiten, inklusive Pompeji, Herculaneum und Paestum freien Eintritt – und das alles für nur 28 Euro. Von denen habe ich heute direkt elf schon reingeholt, denn das Nationalmuseum kostet sonst 6,50 Euro und der neapolitanische Königspalast wäre noch mal mit 4,50 zu Buche geschlagen. Ich denke am Ende der Tour werde ich auf diese Weise ein gutes Geschäft gemacht haben.
Nach dem Museum ging’s dann die Via Toledo runter zur Piazza del Plebiscito und dem Palazzo Reale. Neapel ist nicht so wirklich groß und man findet sich relativ schnell gut zurecht. Heute ist Montag und von der gestrigen Gemütlichkeit ist nicht mehr viel übrig geblieben. Heute tobte hier in der Innenstadt das Leben. Offiziell ist zwar der untere Teil der Via Toledo Fußgängerzone, aber das kümmert die Vespafahrer wenig. Nach dem Königspalast bin ich der Empfehlung meines Lonely Planet gefolgt und habe die Walking Tour auf den Monte Echia gemacht. Die zwei Stunden, die dafür laut Buch vorgesehen waren, braucht man aber nur, wenn man an jeder Ecke stehen bleibt und sich jedes Kirchelchen am Wegrand ankuckt. Nach ner halben Stunde war ich oben auf dem Aussichtspunkt im ältesten Teil Neapels mit tollem Blick auf Bucht und Berg. Von der Aussicht kriege ich echt nicht genug – obwohl der Vesuv heute im spätnachmittäglichen Licht nur unwesentlich freundlicher aussah als gestern. Danach ging’s wieder runter zur Uferpromenade mit noch einem Abstecher ins Castel dell’ Ovo, einer der neapolitanischen Festungen – in diesem Fall aus dem 12. Jahrhundert – die den Hafen und die Stadt schützen sollten. Wieder ein schöner Blick auf Bucht und Berg - ich mag Neapel. Zum Schluss des Besichtigungstages habe ich mir dann allerdings ne Busfahrt zurück zur Piazza Garibaldi gegönnt. Zum Ausklang des Tages gab’s dann Calamari e Gamberi friti in einem der Restaurants um die Ecke. Das Leben ist echt gut hier – die Calamares sind frisch und der ganze Spaß kostet einschließlich ner halben Flasche Wein (ja – der letzte Abend hat mich schlauer gemacht) und inklusive Coperto noch nicht mal 13 E-Uro.
Morgen werde ich dann mal versuchen auch per Auto ein Gespür für die Stadt zu kriegen. Ich denke ich fange mal mit was einfachem an und fahre nach Pozzuoli und zu den Campi Flegrei.
So – und jetzt noch ein paar Worte zum Bild des Tages. Wer hat’s erkannt? In den meisten Geschichtsbüchern und auch in dem ein oder anderen Lateinbuch ist das Mosaik, dem dieser Ausschnitt entstammt, zu sehen. Genau – das Mosaik der Alexanderschlacht aus Pompeji. Das hängt nämlich hier in Neapel im Nationalmuseum und ich konnte mich kaum davon losreißen. Der jugendliche Held zu Pferd und ohne Helm durchbohrt grade einen Perser mit der Lanze, während der entsetzte Perserkönig zusieht und sein Wagenlenker die Pferde zur Flucht peitscht. Es ist nicht bekannt, ob hier die Schlacht bei Issos oder Gaugamela dargestellt ist. Manche Forscher vermuten sogar, dass es keine bestimmte Gegebenheit ist, sondern dass das Mosaik eine römische Nachgestaltung eines griechischen Heldengemäldes ist. Wie dem auch sei – es ist auf jeden Fall eindrucksvoll und hat den Platz als Bild des Tages redlich verdient.

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1. Oktober 2008

Als ich heute morgen am Fenster rausgekuckt hab war es bedeckt. Damit war dann der Ausflug auf den Vesuv gestorben. Ich bin also zu den Phlegräischen Feldern gefahren. Diese Gegend westlich von Neapel, mit dem Hauptort Pozzuoli im Zentrum, ist bekannt für ihre vulkanische Aktivität im kleineren Stil. Hier gab’s (bisher) keine katastrophalen Eruptionen wie am Vesuv, aber das ganze Gebiet ist vulkanisch höchst aktiv. Andererseits war es schon zur Römerzeit ein beliebter Siedlungsort. Der große Kriegshafen Misenum befand sich hier, Augustus hatte hier ein Landhaus und auch sonst war hier damals einiges los.
Den Anfang meines Programms machte heute das Flavische Amphitheater, immerhin das drittgrößte des Römischen Reiches, das mitten in Pozzuoli liegt. Den Namen trägt es zu Ehren von Vespasian, der das von Nero begonnenen Bauprojekt beendete, aus der Familie der Flavier stammte, die gleichnamige Dynastie gründete und unter anderem durch den klugen Spruch „Pecunia non olet“ (Geld stinkt nicht) in die Geschichte einging, als der Senat ihm sagen wollte, dass es vielleicht keine gute Idee wäre, eine Gebühr für die öffentlichen Toiletten Roms zu erheben.
Nach dem Amphitheater, dessen Katakomben beinahe das Bild des Tages geliefert hätten, ging es zum Solfatara-Krater oberhalb von Pozzuoli. Hier lebt die Erde. Dampf steigt auf, der Boden ist warm, es riecht nach Schwefel und an manchen Stellen haben sich Tümpel aus kochendem Schlamm gebildet. Überall ist der Boden gelb vom ausgeblühten Schwefel und an einigen Stellen schießt der 160 Grad heiße Dampf mit soviel Druck aus der Erde, dass es faucht. Sehr eindrucksvoll und auch das wäre BEINAHE das Bild des Tages geworden.
Denn dann bin ich nach Cuma gefahren. Bei den Römern hieß der Ort noch Cumae und als ich es endlich gefunden hatte und durch die Ausgrabung ging dachte ich nur, „Wie? Das ist alles?“
Hmmmmmm – jetzt muss ich ein bisschen weiter ausholen. Der Legende nach ist Cumae der Ort, wo Daedalus (nach dem tragischen Flugunfall seines Sohnes Ikarus) und auch Aeneas (nach dem weniger tragischen weil in gewisser Weise selbstverschuldeten Untergang seiner Heimatstadt Troja) in Italien an Land gegangen sind. Archäologisch gesehen findet sich hier die älteste Siedlung griechischen Ursprungs in Italien und darüber hinaus war Cumae die Heimat der Cumaeischen Sibylle. Ähnlich dem Orakel von Delphi gab die Sibylle Weissagungen im Auftrag des Gottes Apollon an wissbegierige Bittsteller und sie pflegte sich dabei keineswegs deutlicher auszudrücken als ihr griechisches Pendant. Die Sibyllinischen Bücher wurden daher auch für die Römer ein Teil des Schatzes im Jupitertempel auf dem Kapitol in Rom und nur in schwerwiegenden Fällen durften spezielle Priester die Weissagungen konsultieren. Ich muss gestehen, dass ich selber beim Stichwort „Sibylle“ eine größere Bildungslücke habe, die ich aber nach dem heutigen Tag dringend schließen muss und auch werde, sobald ich wieder zu Hause bin. Die Sibylle lebte jedenfalls in einer Höhle, am Ende eines über hundert Meter langen Ganges, den man hier in den Tuffstein gehauen hat. Ursprünglich war das ganze natürlich nicht so schön gearbeitet und aufgemotzt, wie man es im Bild des Tages sieht. Trotzdem hat mich der Ort echt beeindruckt. Über dem ganzen Gelände liegt irgendwie etwas Mystisches – wahrscheinlich verstärkt dadurch, dass ich wirklich und wahrhaftig fast alleine da war. Der Wind in den Steineichenwäldern, die Ruinen der Tempel des Apollon und des Zeus/Jupiter auf der Akropolis von Cumae, diese Höhle – in indirektem Licht beleuchtet und dazu das Flattern der Tauben, die da leben. Echt Klasse.
Und dabei war es mir fast komplett entgangen, denn nach dem ersten Rundgang durch die Ausgrabungen, die sich nachher nur als die untere Stadt und das römische Forum herausstellten, war ich vor einer mit einem Gitter verschlossenen großen Höhle angekommen und dachte schon, dass hier zu wäre und ich Cumae abhaken könnte. Zum Glück zeigte sich aber dann mal wieder, dass selbst sehr grob gebrochenes Italienisch (meines nämlich) besser ist als gar keines. Denn der ältere Mann, der den Ausgang der unteren Ausgrabungen bewachte, schickte mich nach meiner Nachfrage „Grotto chiuso?“ dreihundert Meter die Straße rauf zum Eingang der richtigen Ausgrabungen. Der Rest ist Geschichte und hat mir heute einen sehr einprägsamen Tag beschert.
Wie in den letzten Tagen so gibt es auch heute keine Vorhersage für morgen. Das wird alles vom Wetter abhängen. Lasst Euch also überraschen.

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