4. Oktober 2022

Schon vor dem Frühstück gab es heute Vogelsafari, und ein Bild aus der Ausbeute hat es auch zum Bild des Tages geschafft. Ein Maskenweber neben seinem Nest. Sieht ja schon ein bisschen wie ein stolzer Eigenheimbesitzer aus, obwohl gerade erst der Rohbau fertig ist.
Das Frühstück in der Lodge war super. Ich kann das Canyon Roadhouse nur empfehlen... einziger kleiner Nachteil, es liegt ein Stück vom Canyon weg. Trotzdem würde ich hier wieder Quartier machen, wenn ich noch mal in die Gegend komme.
Um kurz vor 9 war ich unterwegs, trotz Vogelpirsch und gemütlichem Frühstück. Die Fahrt zurück zur Hauptstraße - ich musste heute die kompletten 137km wieder zurück - verlief genauso glatt wie die Hinfahrt gestern. Ich war noch keine halbe Stunde unterwegs, als ich die ersten Strauße gesehen hatte, und im Laufe des Tages kam noch ne gute Handvoll dazu.
Wieder an der B4 angekommen, hieß es links abbiegen, und von dort an würde es bis Lüderitz immer geradeaus gehen. Schon nach ein paar Kilometern war ich an der Stelle, wo die B4 den Fish River quert. Hier gibt es noch keine tiefe Schlucht, sondern nur das tieferliegende Flussbett über das eine Brücke führt, während unten die Tümpel des Fish River vor sich hin modern und die Pflanzen am Ufer grün halten.
Bis Lüderitz sind es von dort rund 300km auf asphaltierter Straße. Die Landschaft war wieder sehr abwechslungsreich, zuerst noch felsig, dann weite Ebenen mit gelbverdorrtem Gras, vereinzelte Akazien und dazwischen immer wieder Tafelberge. In Aus habe ich ein Päuschen gemacht, mir einen Mittagssnack und einen Kaffee gekauft, und dann ging's weiter. Hinter Aus macht die B4 eine doppelte Kurve und mit einem Schlag liegt die Namib-Wüste vor einem. Die Straße wird (fast) schnurgerade und führt mit deutlichem Gefälle in die Wüste hinein. Wüste bedeutet hier graugelber oder manchmal auch gelboranger Sand, ein paar kümmerliche Grashalme hier und da, und felsige Berge. Parallel zur Straße führt die Eisenbahn nach Lüderitz, Strommasten säumen Bahnlinie und Straße. Brüllend heiß war es jetzt nicht, aber die Wüste wirkt sehr lebensfeindlich... wirkt (!)... die ganzen Wildwechselwarnschilder stehen aber bestimmt nicht zur Dekoration an der Straße. Rund 50km vor Lüderitz begann es zu winden, ach was sag ich, es stürmte. Richtiges Sandgestöber. In Schwaden wehte der Sand über die Straße, und der Vitara mit seinem großen Seitenprofil erinnerte mich ein bisschen an den weißen VW-Bus der Kesternichs Ende der 1980er Jahre. Der war ähnlich windanfällig.
Als ich nach Lüderitz hineinfuhr war der Himmel über dem Städtchen blau, aber der Sturm hielt an. An dieser Stelle Danke an Martin. Ich hatte keine Ahnung, dass Lüderitz in der Welt der Windsurfer eine feste Größe ist und dass hier die Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt werden. Nach dem was ich hier heute an Sturm erlebt habe, kann ich es mir aber gut vorstellen.
Lüderitz hat nicht ganz so viele Einwohner wie Bad Münstereifel. Die deutsche Kolonialvergangenheit sieht man hier unter anderem in den Namen von Straßen und Gebäuden, aber auch an der Gedenkstätte für das Internierungslager auf Shark Island, wo die deutsche Kolonialverwaltung tausende von Nama gefangen hielt und Zwangsarbeit verrichten ließ.
Ähnlich wie gestern, habe ich auch heute erst im Quartier eingecheckt bevor ich mich mit der weiteren Nachmittagsgestaltung beschäftigt habe. Ich wohne hier sehr schön im Nest Hotel, mit dramatischem Blick über die heute vom Sturm zerzauste Lüderitzbucht.
Nachdem ich mein Gepäck auf dem Zimmer verstaut hatte, bin ich zum Dias Point gefahren. Diese Landspitze, 25km von Lüderitz direkt am Südatlantik gelegen, ist nach Bartolomeu Dias benannt, dem portugiesischen Seefahrer und Entdecker, der 1487 als erster Europäer in dem Gebiet hier seinen Fuß an Land setzte. Getreu portugiesischer Tradition ließ er an der heute Dias Point genannten Stelle ein Padrão, ein Denkmal in Form eines steinernen Kreuzes, errichten. Eine Siedlung haben die Portugiesen aber an der Lüderitzbucht, die sie Angra pequena nannten, nie gehabt. Ne knappe halbe Stunde dauert die Fahrt bis zum Dias Point. Außer mir waren noch zwei andere Touristen dort. Die Sonne schien zwar aus einem schönen blauen Himmel, aber der Wind toste, was das Zeug hielt. Früher einmal konnte man auf einem hölzernen Steg die Treppe erreichen, die  auf die Felsspitze mit dem Padrão führt. Den Steg hat längst ein südatlantischer Sturm mitgenommen, und so bin ich über die Felsen gekraxelt, was aber kein Problem war. Problematisch war eher der „Wind Chill Factor“. Der Sturm machte es echt frisch, so dass ich zusätzlich zum Jööpchen auch noch die Fließjacke ausgepackt und übergezogen hatte. Die war eigentlich nur für meine Rückkehr in Deutschland gedacht, hat aber heute außer der Reihe gute Dienste geleistet.
Oben auf dem Felsplateau des Dias Point angekommen, habe ich den Blick auf den wilden Südatlantik genossen, habe mir den Sturm um die Nase pfeifen lassen (es gibt Geländer und Steinsäulen, so dass man nicht in den Ozean geweht werden kann) und habe Fotos von der Szenerie, einschließlich der Replik des Padrão gemacht. Replik? Ja, seit 1929 steht ein nachgemachtes Kreuz aus namibischem Stein an der Stelle. Das Original war komplett verwittert. Trotzdem hat es das zweite Bild des Tages bekommen. Das war schon ein sehr eindrucksvolles Erlebnis, dort auf diesem Felsvorsprung im Sturm zu stehen, auf den Atlantik zu kucken und zu wissen, dass irgendwo da hinten Brasilien ist.
Bevor ich ins Hotel zurückgefahren bin, habe ich noch ein bisschen im örtlichen SPAR eingekauft, denn morgen geht es zurück in die Wüste. Dann werde ich mir die Namib genauer ansehen. Abendessen hatte ich im Hotelrestaurant. Der Fang des Tages war Snoek (gesprochen „Snuk“), ein hier vor Ort angelandeter Fisch. Hat super geschmeckt, auch wenn er etliche, zum Glück große und leicht zu handhabende, Gräten hatte. Aber ich habe ja auch den Blasiussegen, insofern alles kein Problem.


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