15. Oktober 2019

Rappelvoll war der Tag heute, im positiven Sinne. Nach dem Frühstück war erst mal Auschecken aus unserem Hotel in Beirut angesagt, denn für die nächsten zwei Nächte wohnen wir in Jbeil, dem antiken Byblos, rund 40km nördlich der libanesischen Hauptstadt. Donnerstag werden wir wieder zurück in Beirut sein, und Abbas hat dem Hotel schon gesagt, sie sollen nicht mehr versuchen, für uns europäisch zu kochen, sondern auf libanesische Küche umsteigen. Bin gespannt zu was das führt…  
Heute morgen gab es zuerst einen Besuch im libanesischen Nationalmuseum. Das ist echt schön gemacht und zeigt eindrucksvolle Funde aus den vielen Ausgrabungen in diesem kleinen Land. Ebenso eindrucksvoll war der kurze Film, den man uns gezeigt und in dem man sieht, wie die Mitarbeiter versucht haben, das Museum und seine Schätze während des Bürgerkriegs zu schützen. Die zugespachtelten Einschusslöcher in der Fassade erkennt man immer noch, wie an so vielen Gebäuden in Beirut.
Abbas hat uns einen Teil der Ausstellung gezeigt und versucht zu erklären, und ich musste mich an einigen Stellen zurückhalten um nicht dazwischen zu grätschen, denn mit seinem Fachwissen ist es nicht so wirklich weit her. Ich wollte aber nicht heute schon als der besserwissende Geschi-Lehrer da stehen. Auch Abbas‘ Meinung über die Politiker im Libanon („Verbrecher“) und über die Saudis („Kamele“) ist mittlerweile jedem in der Gruppe deutlich. Immerhin darf man im Libanon sowas frei und vor Publikum äußern ohne Steinigungen oder Zungenamputation zu riskieren. Trotzdem habe ich an einigen Stellen heute gedacht, „ein bisschen mehr Information und deutlich weniger Meinung würde helfen“. Eine dreiviertel Stunde hatten wir nach der Führung noch, um uns das Museum alleine anzusehen und ich habe gemütlich Fotos gemacht und die letzten zehn Minuten der Zeit draußen auf der großen Freitreppe gesessen und dem Beiruter Verkehr zugesehen.
Als nächstes ging‘s ins Stadtzentrum von Beirut, wo wir nen kleinen Stadtrundgang gemacht haben, zum Place de l‘Etoile vor dem Parlament, zur griechisch-orthodoxen St. Georgs-Kathedrale, zur maronitischen St. Georgs-Kathedrale, zum Rathaus, zum Märtyrerplatz und zur Mohammed-al-Amin-Moschee, deren Bau von dem verstorbenen Premierminister Rafik Hariri initiert wurde und die die neue Freitagsmoschee für Beirut ist. Hariri fiel im Februar 2005 einem Bombenanschlag zum Opfer (wenige Wochen vor meinem zweiten Besuch in Beirut, und man konnte damals den Krater immer noch sehen). Hariri und seine mit ihm ums Leben gekommenen Begleiter wurden auf dem Platz vor der Moschee beigesetzt.
Gegen halb eins haben wir uns auf den Weg nach Norden gemacht. Bis Jounieh ging es über die Schnellstraße und dann in Serpentinen das Küstengebirge rauf nach Harissa, wo sich die Marienstatue Notre Dame de Liban über der Bucht von Jounieh erhebt. Einen schönen Blick auf die Küste hat man von hier oben. Heute wäre er noch besser gewesen, wenn es nicht so diesig gewesen wäre. Außerdem gibt es dort oben noch eine große Kirche in modernem Baustil, deren Besichtigung wir uns aber geschenkt haben. 1997 war der Papst sogar hier, Johannes Paul II., der natürlich auch ne Statue da oben hat. Die Maroniten sind eine mit Rom verbundene Kirche, die den Papst anerkennen und dem lateinischen Messritus folgen. Darüber hinaus sind die Maroniten die größte christliche Gruppierung im Libanon.
Von dem 600m hohen Berg sind wir mit der Seilbahn wieder nach Jounieh hinuntergefahren und dann hat unser Fahrer Mohammed uns zum Quartier in Byblos chauffiert. Ich bleibe bei dem Namen Byblos, obwohl das, wenn man pingelig ist, gar nicht richtig ist. Wir wohnen hier echt schön. Etwas einfacher als in Beirut zwar, aber dafür mit spektakulärem Blick auf das Mittelmeer. Wir haben die Koffer auf die Zimmer gebracht, und sind dann ins Städtchen gefahren. Eine kurze, späte Mittagspause im Souk von Byblos und dann haben wir die Ausgrabungen erkundet. Abbas hat ne kleine Einführung gegeben, ich habe mich wieder vornehm zurückgehalten (zumindest weitgehend), und dann hatten wir noch etwas Zeit, um uns alleine die Ausgrabungen anzusehen. Die ersten Siedlungsreste hier stammen aus dem 9. Jahrtausend vor Christus und seit ca. 7000 v. Chr. ist Byblos permanent besiedelt. Damit ist die Stadt der älteste ständig bewohnte Ort auf dem Planeten (Auf Platz zwei und drei folgen Damaskus und Jericho). Byblos ist nach Tyrus mein zweitliebster Ort im Libanon, noch vor Baalbek. Ich habe deshalb beschlossen, dass ich morgen nachmittag – da haben wir nämlich Freizeit – noch mal in die Ausgrabungen gehen werde. Im Gegensatz zu Beirut ist hier alles klein und gemütlich und von der Ausgrabung zum Hotel sind es keine zehn Minuten zu Fuß. Für heute ist aber erstmal eine Ansicht der antiken Stätten das Bild des Tages. Man sieht die Kreuzfahrerburg und schräg links davor die knapp 5000 Jahre alte phönizische Stadtmauer von Byblos.
Das Abendessen heute war ein brutaler Kontrast zu den letzten beiden Tagen. Es gab reichlich libanesische Vorspeisen, anschließend frischen Fisch aus dem Mittelmeer und zum Schluss ne dicke Obstplatte. Echt super.
Die Gruppe ist heute auch weiter aufgetaut und die Unterhaltung während des Essens war schon sehr angeregt. Nach dem Abendessen haben Eva (sie stammt aus Köln, wohnt im Schwarzwald und wir sind jetzt auch per du) und Herr Meier aus Zürich noch nen Absacker an der Hotelbar genommen. Man entspannt sich also so langsam.
Morgen fahren wir in den Libanon… *lach… ich weiß, da bin ich schon, aber in diesem Fall meine ich das Libanon-Gebirge.

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