16. Juli 2023

Heute begann das dritte Kapitel meines Sommerabenteuers. Ich bin in Saint-Pierre und habe das Gefühl, komplett aus der Zeit gefallen zu sein. Mit dem Moment, wo der Flieger hier landete, entschleunigte alles um mich rum, und ich selber auch. Total verrückt. Dabei ist es ja nicht so, als hätte ich bisher ne hektische Reise gehabt. Vielleicht hat es aber auch wirklich damit zu tun, dass ich hier kein eigenes Auto habe. Man kann es sich kaum vorstellen, aber es gibt keine Mietwagen in St. Pierre.
Mein Tag begann heute morgen in einem sonnigen St. John's. Ich habe die Union Bay-Tasche an der Rezeption meines Hotels deponiert, denn ich wollte nicht mein komplettes Gepäck mit nach Frankreich schleppen. Ja, Ihr habt richtig gelesen. Ich bin in Frankreich. Die nächsten drei Nächte verbringe ich auf Saint-Pierre, eine der drei Hauptinseln des französischen Überseegebiets Saint-Pierre et Miquelon. Die Leute hier sind vollwertige Franzosen, man spricht Französisch, die Tricolore hängt überall, die Straßen- und Nummernschilder sind französisch und man zahlt in Euro. Besonders letzteres führt nach drei Wochen Kanada zu Verwirrung und zum Nachdenken. Drei Wochen lang habe ich bei jedem Preis ein Drittel runter gerechnet, denn das ist grob der Wechselkurs des Can$ zum €. Hier in Saint-Pierre meint man was man sagt, wenn es ums Geld geht… *lach…
Zurück zu meinem Vormittag. Nach dem Auschecken habe ich den Corolla ein letztes Mal getankt und dann bin ich zum Flughafenzaun gefahren. Ein bisschen Spotten sollte heute schon noch drin sein. Der Verkehr in St. John's ist nicht besonders dicht, aber dafür gibt es hier halt auch Flieger, die man sonst nirgendwo sieht. Vorausgesetzt, sie landen auch da, wo man gerade steht und nicht auf einer der anderen Pisten. St. John's hat schöne Spotterplätze, aber selbst mit Auto ist man nicht flott genug, wenn der Flieger unerwartet eine andere Landebahn anfliegt. Zwei Maschinen habe ich so verpasst, aber insgesamt trotzdem noch gute Bilder bekommen.
Um kurz vor 12 habe ich dann den Corolla bei Alamo/National wieder abgeliefert. 5649km haben wir zusammen hinter uns gelassen und ich muss sagen, dass ich super zufrieden mit dem Auto war. Bequem, genug Platz, genug unter der Haube und spritzig am Berg und beim Überholen. Mehr kann man von einem Mietwagen nicht erwarten.
Am Schalter von Air Saint-Pierre standen zwei junge Mitarbeiter und sonst niemand. Auf meine Frage nach einem Fensterplatz meinte der junge Mann hinterm Tresen, dass das kein Problem sei und ich auch noch den Gangplatz dazu bekäme. Der Flieger sei nämlich gerade mal halb voll.
Mir sollte es recht sein. Der Sammy bekam seinen Baggage Tag, ich meine Bordkarte und dann ging es ab durch die Security. Der Flughafen in St. John's ist echt gut. Alles was ich von nem Flughafen will: gute Organisation und schöne, weitgehend spiegelfreie Fenster zum Vorfeld. Ich war maximal zufrieden und habe die Zeit bis zum Einsteigen mit Flieger kucken gut rumgebracht.
Air Saint-Pierre ist eine kleine, um nicht zu sagen winzige Fluggesellschaft. Genau zwei Flieger hat sie im Inventar. Das eine ist eine Cessna 406 für den Verkehr zwischen den Inseln des Archipels. Unser Flieger heute war dagegen die große Maschine von Air Saint-Pierre, eine fast flammneue, noch nicht einmal drei Jahre alte ATR-42-600.
Ich bin ein großer Fan der ATRs, sowohl der großen ATR-72 als auch der kleinen ATR-42. Auch heute wurde ich nicht enttäuscht. Der Flieger macht einfach Spaß, mir zumindest. Der Flug von St. John’s nach Saint-Pierre dauerte ne gute dreiviertel Stunde. Wir sind in schönstem Wetter in St. John’s gestartet und in Saint-Pierre im Nebel angekommen. Selten bin ich bisher aus so ner Waschküche gelandet… *lach… das Video dazu ist schon recht eindrucksvoll. Nachdem die anderen Passagiere schon ausgestiegen waren, habe ich noch ein bisschen mit dem Captain gefachsimpelt und er hat mir das Cockpit gezeigt. Ich hab zwar schon mehrfach das Cockpit einer ATR gesehen und bin sogar schon drin mit geflogen, aber das Cockpit der -600er Serie der ATR kannte ich noch nicht. Wenige Knöpfe und große Bildschirme. Da merkt man, das einer der Partner das ATR-Projekts die Firma Airbus ist, und dass die ATRs auch in Toulouse montiert werden.
Lange habe ich mich nicht mit der Crew aufgehalten, denn die mussten weiter nach Halifax, aber da außer mir nur 24 andere Passagiere an Bord waren, kreiste der Sammy alleine auf dem Gepäckband, als ich endlich an der Gepäckausgabe war.
Das kleine Terminal hier in Saint-Pierre ist eine große Baustelle. Heute am Sonntag wurde zwar nicht gearbeitet, aber man sieht schon was hier sonst los ist. Irgendwie musste ich samt Gepäck vom Flughafen in den Ort kommen, und so habe ich mich vertrauensvoll an den jungen Mitarbeiter der Tourist-Information gewendet, der hinter einem provisorischen Stand mit Info-Material stand. Kein Problem, er könne mir ein Taxi rufen. Hmmmm… doch ein Problem. Die paar Taxis der Insel waren alle unterwegs. Trotzdem kein Problem, meinte er. Wenn ich noch zehn Minuten warten könnte, dann würde er mich persönlich zum Hotel fahren. Konnte ich natürlich.
Ich wohne hier im Hotel Robert, sehr schön, mit Blick auf den Hafen, in einem erst vor kurzem renoviertem Zimmer mit schönem Laminatfußboden. Beim Quartier also alles richtig gemacht. Noch dazu liegt es sehr zentral, was übermorgen wichtig ist, wenn ich morgens um halb sieben mit der Fähre auf die Nachbarinsel Miquelon fahre und so in ein paar Schritten am Hafen bin.
Nach dem Einchecken im Hotel habe ich einen gemütlichen Rundgang durch den Ort gemacht. Frankreich ist hier echt allgegenwärtig. Nicht nur die blau-weiß-roten Flaggen und der Schriftzug Republique française, der hier an vielen Häusern, in denen Behörden untergebracht sind, prangt. Ich hatte es oben ja schon erwähnt. Ich habe die Kathedrale besichtigt, die leider keine Kathedrale mehr ist. Das ehemals eigenständige Bistum „Apostolisches Vikariat Saint-Pierre und Miquelon“ wurde 2018 von Papst Franziskus dem Bistum La Rochelle in Frankreich zugeschlagen nachdem der letzte Apostolische Vikar aus Altersgründen zurückgetreten war. Außerdem hat mich mein Spaziergang zum Leuchtturm an der Hafenausfahrt geführt und ich habe ausführlich die Möwen und Seeschwalben dort beobachtet und fotografiert. Alles in allem also ein sehr gemütlicher Nachmittag.
Als Bilder des Tages habe ich heute zwei Ansichten aus der Gegend am Hafen von Saint-Pierre ausgewählt. Morgen gibt es hier auf Saint-Pierre Sightseeing und ein kleines Flugabenteuer.


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