4. Juli 2015

Heute war ein sehr durchwachsener Tag. Es war nämlich typisch schottisches Wetter. Regen, Nebel, Sturm... in wechselnden Zusammensetzungen. Das war zwar in gewisser Weise nicht unerwartet – immerhin sind das hier die Orkney-Inseln und „gutes Wetter“ ist nicht mal unter den ersten zehn Assoziationen, die mir zu den Orkneys einfielen bevor ich hier ankam. Trotzdem war es ärgerlich, denn ich hatte für heute einen Ausflug nach Hoy geplant, inklusive ausführlicher Wanderung zum Old Man of Hoy, und nicht zuletzt unter massiver Mithilfe meines „Gastvaters“ Albert, der sich alle Mühe gab, mir den letzten Platz auf der Fähre von Mainland nach Hoy zu ergattern.
Ich hatte heute erst für 8:30h Frühstück bestellt und gegen neun hat Albert sich ans Telefon gehängt. Die Fähre von Houton auf Mainland nach Lyness, dem Autofährhafen von Hoy, sollte um 9:50h ablegen, und als Albert fertig telefoniert hatte meinte er zu mir, „You need to leave like... now!“ Zum Glück ist es hier alles nicht so groß und weit und ich war rechtzeitig in Houton, wo dann mein Stand-by-Platz auf der Fähre auch prompt bestätigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war ich wegen des Wetters, tiefe Wolken und Nebelschwaden, noch unbesorgt, denn in den vergangenen Tagen hatte sich das ja alles immer wieder eingerenkt.
Auch diese Fähre war pünktlich und unter grauem Himmel mit ziemlich steifer Brise ging's raus auf Scapa Flow. Und dann fielen auch schon die ersten Tropfen. Die Überfahrt von Houton nach Lyness dauert vierzig Minuten und irgendwie war die Szenerie schon eindrucksvoll. Eine dicke graue Wolkendecke, die auf den Inseln auflag, bewegtes schiefergraugrünes Wasser unter uns, und ein kräftiger Wind. Der Seegang war zum Glück nicht kräftig genug, dass ich mich hätte dopen müssen.
In Lyness bin ich zuerst ins Scapa Flow Visitor Centre and Museum gefahren, das direkt gegenüber vom Fähranleger liegt. Hier wird die Geschichte von Scapa Flow dokumentiert, vor allem natürlich im Ersten und Zweiten Weltkrieg, sowie der Zeit dazwischen. Sehr interessante Ausstellung, und für mich natürlich genau das richtige.
Scapa Flow nennt man das Seegebiet, das von den Inseln Mainland, Burray, South Ronaldsay, Flotta, Hoy und Graemsay (im Uhrzeigersinn) umgeben ist. Mit einer Größe von fast 325km² Wasserfläche ist Scapa Flow nach dem Sydney Harbour der größte Naturhafen der Welt. Die strategisch günstige Lage am Ausgang der Nordsee in Richtung Atlantik machte Scapa Flow zu einem idealen Liegeplatz für die Royal Navy. Die Besatzungen wären zwar lieber in Rosyth in der Nähe von Edinburgh oder in der Mündung des River Clyde nahe Glasgow stationiert gewesen, aber Matrosenleben ist halt kein Kindergeburtstag und militärische Erwägungen gehen vor. Und so lag im Ersten Weltkrieg die britische Grand Fleet hier vor Anker und im Zweiten die britische Home Fleet. Zwischen den Kriegen gab's hier sogar noch eine weitere Flotte, denn die deutsche Hochseeflotte wurde 1918 nach dem Waffenstillstand in Scapa Flow interniert und versenkte sich hier am 21. Juni 1919 selbst. 52 deutsche Schiffe landeten damals auf dem Grund von Scapa Flow. Die meisten davon wurden in den folgenden Jahren wieder gehoben und verschrottet. Aber drei Schlachtschiffe (SMS König, SMS Kronprinz Wilhelm und SMS Markgraf) und vier kleine Kreuzer (SMS Brummer, SMS Karlsruhe, SMS Köln und SMS Dresden) liegen noch immer da unten. Bei der Betrachtung der Bilder und Karten im Museum wurde mir plötzlich klar, dass ich nur wenige Minuten mit der Fähre über das Wrack der Karlsruhe hinweg gefahren war.
Vor lauter Kriegsschiffen hatte ich im Museum die Zeit vergessen und musste mich plötzlich beeilen, wenn ich noch rechtzeitig am Startpunkt für die Wanderung sein wollte. Auf der Fahrt kamen mir aber schon erste Zweifel am Sinn des Unterfangens. Von einer Wetterverbesserung war nicht das geringste zu sehen. Es regnete, nebelte und windete unbeirrt weiter. Um kurz nach zwölf war ich auf dem Parkplatz und bin kurz mit mir zu Rate gegangen, ob ich mich drei Stunden mit diesem Wetter auseinandersetzen wollte. Die klare Antwort war „Nein“. Ich bin stattdessen weiter über die Insel gefahren, bis zur südöstlichsten Spitze, wo es einen Leuchtturm gibt. Beim Aussteigen zum Fotografieren hat es mich dort fast weggeweht. Insgesamt also ein wettermäßig sehr unerfreulicher Tag. Den anderen Touris ging's nicht besser. Als ich um kurz vor drei wieder am Scapa Flow Museum war um noch ne Tasse Tee vor der Fährüberfahrt zu trinken, war's da recht voll. Outdooractivities wollte in Hoy heute keiner machen. Sogar die Möwen und Austernfischer der Insel flogen nur zögerlich auf, wenn sich Autos näherten, und die Kühe standen alle mit dem Hintern in Windrichtung auf den nassen Weiden. Ich glaube nur die Skuas waren vom Wetter unbeeindruckt. Das würde zu ihrem aggressiv-kämpferischen Naturell passen. Ich kann mir nicht viel vorstellen, was  Raubmöwen beeindruckt.
Die Rückfahrt von Lyness nach Houton ging etwas schneller und ich habe sie genutzt, um das Foto des Tages zu machen. Man sieht die bewegten Wasser von Scapa Flow und das Inselchen Cava, mit dem Leuchtturm an der Nordspitze. Rechts hinten am Horizont liegt Hoy. Links von Cava ruhen die drei Schlachtschiffe in rund 45m tiefem Wasser auf dem Meeresboden. Rechts von der Insel liegt die Karlsruhe.
Naheliegenderweise war das Wetter auf Mainland nicht besser, und so habe ich auch dort nicht mehr viel gemacht heute. Stattdessen gab es ein etwas früheres Abendessen in nem schönen Pub am Hafen. Morgen ist vielfältiges Programm auf Mainland geplant. Ich werde berichten.

 

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