12. April 2017

Und wieder ein fantastischer Tag... Wie Ihr an den Bilder des Tages seht, konnte ich mich schon wieder nicht entscheiden. Gestern nachmittag hatte ich mir überlegt, dass mein Programm heute morgen schon um sieben losgehen sollte und das Frühstück wurde auf halb sieben angesetzt, was angesichts meines auslaufenden Jetlags kein Problem war. Um sieben war ich pünktlich auf der Terrasse des Hotels Victoria hier in El Castillo und habe Gustavo kennengelernt, meinen Guide für den heutigen Tag. Wie sich herausstellte, sprach Gustavo nicht nur ziemlich gutes Englisch – erst recht für nicaraguanische Verhältnisse – sondern auch ziemlich gut Deutsch (ich wünschte mein Spanisch wäre so gut wie sein Deutsch).
Mit dem hoteleigenen Boot sind wir einige Kilometer stromabwärts gefahren, was umstandslos funktionierte, denn das Hotel Victoria liegt unterhalb der Stromschnellen des Rio San Juan, die überhaupt der Grund für die Entstehung des Ortes hier sind... dazu später mehr.
An der Stelle, wo der Rio Bartola in den Rio San Juan mündet, sind wir ausgestiegen und unsere Dschungelwanderung begann. Die Bedingungen waren mittelmäßig. Es war zwar ein bisschen bewölkt – was die brutale Sonne und die mit ihr einhergehende Hitze in Schach hielt - aber es war auch windig, was für's Vögel beobachten immer ungünstig ist. Trotzdem hatten wir eine sehr erfolgreiche Safari, deren Highlight für mich persönlich, noch vor dem Lachfalken und dem Schieferschwanztrogon, ein Großer Tinamu war. Tinamus sind eher unscheinbare hühnergroße Waldvögel, die die nächsten lebenden – und auch flugfähigen - Verwandten von Strauß, Emu, Nandu und Kasuar sind. Da war ich schon nach der ersten Viertelstunde der Dschungelwanderung happy... der Tinamu hat es aber dann doch nicht zum Foto des Tages geschafft. Auch dazu gleich mehr.
Was den Dschungel an sich angeht – und ich habe ja mittlerweile einige Vergleichsmöglichkeiten – so muss ich sagen, dass das hier im Moment eine große Baustelle ist. Am 24. November 2016 ist hier nämlich so ziemlich genau das Zentrum des Hurrikans Otto drüber gezogen. Dabei starben in Costa Rica, Panama und Nicaragua mindestens 23 Menschen, und außerdem wurden auch große Teile des Primär-Regenwaldes hier platt gemacht. In sechzig bis hundert Jahren wird es hier wieder ein richtiger Dschungel sein. Im Moment aber ist es eher licht. Ich hatte ja schon auf den Islas Solentiname die Folgen des Hurrikans gesehen, aber hier, etliche Kilometer weiter östlich und damit näher an der Stelle, wo der Sturm mit voller Wucht auf Land traf, sah es noch deutlich dramatischer aus. (Kleine Anmerkung: wenn ein Hurrikan auf Land trifft, dann verliert er mit jedem Kilometer und jeder Stunde an Kraft, denn die Energie eines Wirbelsturms speist sich aus dem warmen Meerwasser unter seiner Zugbahn.) Trotz allem aber, wie schon gesagt, hatten wir eine tolle Safari, inklusive Spinnen-  und Mantelbrüllaffen, womit wir beim ersten Bild des Tages wären. Da hier im Südosten die Chance auf Affen bei dieser Tour am größten ist, habe ich mich entschieden, Euch heute als erstes Bild einen Mantelbrüllaffen zu präsentieren. Die haben wir auf dem Rückweg vom Rio Bartola am Ufer des Rio San Juan getroffen.
Gustavo hatte es aber echt drauf als Guide. Nicht nur bei Vögeln und Affen sondern auch bei den verschiedenen Bäumen und den kleinen Dingen des Dschungels, wie den Pfeilgiftfröschen und Blattschneiderameisen kannte er sich aus. Insgesamt haben wir drei verschiedene Arten von Pfeilgiftfröschen gesehen, und von einem nicaraguanischen Guide hatte ich auch nicht erwartet, dass er auf eine der auf dem Boden sichtbaren schmalen Pfade, die die Ameisen austreten, deuten und auf Deutsch „Blattschneiderameisen-Autobahn“ sagen würde... *lach...
Wieder zurück in El Castillo gab's eine kurze Mittagspause für mich und um eins sind Gustavo und ich dann in den Ort, genauer genommen zum Castillo, das dem Ort den Namen gibt, aufgebrochen.
Bei ihren Bemühungen, ihre Besitzungen im heutigen Nicaragua zu schützen, haben sich die Spanier hier in El Castillo die strategisch perfekte Stelle ausgesucht. Auf seinem Weg vom Nicaragua-See zum Meer fließt der Rio San Juan hier über mehrere Stromschnellen. Die zwingen noch heute alle Boote dazu, sehr langsam stromaufwärts zu fahren und im 16., 17. und 18. Jahrhundert hatte das die beabsichtigte Folge, dass sich sowohl Piraten als auch englische Freibeuter als auch die Royal Navy vergeblich darum bemühten, an diesem Castillo vorbeizukommen, denn auf Grund der Stromschnellen und der mit ihnen verbundenen Geschwindigkeitsreduzierung war man hier ein leichtes Ziel für die Kanonen der Spanier, die auf dem Castillo stationiert waren. Und damit wären wir beim zweiten Bild des Tages. Der Blick vom Castillo auf den Rio San Juan. Rechts im Bild sieht man den Ort El Castillo und im Fluss erkennt man die letzten Ausläufer der Stromschnellen. Die eigentlichen Stromschnellen, wo der Rio San Juan doch recht wild ist, befinden sich aber weiter links außerhalb des Bildes.
Ich habe mittlerweile einige spanische Festungen gesehen, aber El Castillo gehört mit zu den schönsten. Entsprechend haben Gustavo und ich dort oben auch einiges an Zeit verbracht, die Aussicht genossen und den Truthahngeiern bei ihren Spielen mit dem Wind zugekuckt. Für den Rest des Tages habe ich Gustavo gefragt, ob er noch einen Tipp hätte, was man sich in El Castillo noch ansehen sollte, und er meinte, „Die Schokoladenfabrik“. Die „Schokoladenfabrik“ ist eine genossenschaftlich organisierte Kakaoverarbeitung, die - man lese und staune – als eine von etlichen Kleinbauern-Kooperativen in Nicaragua die Firma Ritter Sport mit Kakao versorgt. Ich hatte ja schon immer eine ziemlich hohe Meinung von „Quadratisch, Praktisch, Gut“, aber seit heute habe ich noch mehr Achtung vor dieser Firma. Wir haben eine Führung durch die Einrichtungen der Genossenschaft bekommen, gesehen wo der Kakao verarbeitet wird, und zum Schluss gab es auch noch eine Verkostung mit den von der Kooperative selbst hergestellten Sachen (die Firma Ritter bekommt natürlich nur die getrockneten aber noch ungerösteten Bohnen geliefert). Der Spaß war auf jeden Fall die fünf Dollar wert, und wenn mein Spanisch aufgegeben hat, dann hatte ich ja immer noch Gustavo zum übersetzen. Und ein Bild des Tages wäre auch hier locker drin gewesen.
Eine Sache habe ich noch vergessen zu erzählen. Die Stromschnellen in El Castillo sind das größte natürliche Hindernis auf dem Weg vom Atlantik zum Nicaragua-See. Ich hatte zwar davon gelesen, aber Gustavo hat es mir dann bestätigt - und hat es auch selber gesehen: wenn man Glück hat, dann kann man beobachten, wie hier Grundhaie (Carcharhinus leucas) ähnlich wie Lachse die Stromschnellen auf dem Weg zum See überwinden. Ich habe mir dann vorgestellt, wie so ein ein- bis anderthalb Meter langer Hai, der zu den wirklich gefährlichen Haiarten zählt, hier aus dem reißenden Wasser schnellt.
Morgen heißt es leider schon wieder Abschied nehmen von El Castillo. Es geht mit dem Boot zurück nach San Carlos und dann mit dem Flieger nach Managua und weiter auf der Straße nach Leon. Aber auch wenn morgen ein reiner Reisetag ist, denke ich, dass es genug zu erzählen geben wird.

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