18. Oktober 2019

Tja, den heutigen Tag hatten sich viele Menschen anders vorgestellt, vom libanesischen Staatspräsidenten bis hin zu einer achtköpfigen Reisegruppe des Veranstalters Ikarus, die zur Zeit den Libanon bereist. Heute morgen war ich pünktlich um kurz nach sieben beim Frühstück und da waren die weiteren Geschehnisse für uns noch nicht abzusehen. Um acht sollte es losgehen und unser Fahrer Mohammed war auch schon da, allerdings ohne Abbas, denn den wollten wir auf dem Weg nach Baalbek unterwegs einsammeln. Dann meinte Mohammed, dass wir doch am Hotel auf Abbas warten würden, und als Abbas endlich da war bekamen wir letztendlich die Info über die politischen Ereignisse, die sich seit gestern hier zugetragen haben.
Nachdem die Regierung gestern ein umfangreiches Steuerpaket verabschiedet hatte, das unter anderem eine Steuer von 20 US-Cent pro Tag auf Whatsapp-Telefonate vorsah, hat es die Libanesen nicht mehr zu Hause gehalten. Im ganzen Land hat es in der Nacht von Donnerstag auf Freitag Demonstrationen gegeben und fast alle Überlandstraßen sowie viele der großen innerstädtischen Straßen von Tripoli über Byblos, Jounieh, Beirut und Sidon bis Tyrus wurden von den Demonstranten blockiert. Dazu muss man wohl sagen, dass es den Libanesen schon seit Jahren schlecht geht und die aktuellen Steuererhöhungen nur der Tropfen sind, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Unser Zeitplan wäre heute sowieso schon knapp gewesen, weil am heutigen Freitag ein hoher schiitischer Feiertag ist und die Ausgrabungen in Baalbek deswegen schon mittags geschlossen worden wären. War aber dann auch egal, denn an Fahrten in die Bekaa-Ebene war sowieso nicht zu denken. Um genau zu sein konnte man nicht mal aus Beirut raus. Nach mehreren Telefonaten mit Abbas hat der örtliche Veranstalter Rida International unsere Tour abgesagt. Mist… Wir haben uns dann wieder in den Frühstücksraum gesetzt und erst mal einen weiteren Kaffee getrunken. Inzwischen war auch die Email vom Auswärtigen Amt bei mir eingetrudelt, mit der den deutschen Staatsangehörigen geraten wurde, ihre Wohnungen nicht zu verlassen.
Per Anordnung der zuständigen libanesischen Ministerien blieben heute in ganz Libanon Schulen, Unis und Banken geschlossen. Entsprechend schnell leerte sich der Pendlerparkplatz gegenüber von unserem Hotel auch wieder. Sieht man auch im Bild des Tages. Das habe ich um viertel vor zwölf heute mittag gemacht.
Den Rest des Tages habe ich dann im Hotel verbracht, immer die Nachrichten auf den einschlägigen englischsprachigen libanesischen Webseiten im Blick, allen voran Naharnet und The Libanon Daily Star, sowie überregional Al Jazeera. Einige der Mitreisenden sind trotzdem spazieren gegangen… kann man machen, muss man aber nicht. Immerhin sind auch die brasilianischen UNIFIL-Blauhelme, die bei uns im Hotel wohnen, zu Hause geblieben, genauso wie ihre (vermutlich indischen oder nepalesischen) Kollegen, die gegenüber im Hotel Charles einquartiert sind, und die den größten Teil des Tages rauchend und handyflitschend auf ihren Balkonen gesessen haben.
Das Abendessen im Hotel war heute auch wieder libanesisch und echt lecker. Die Mitarbeiter sind alle sehr freundlich und aufmerksam, obwohl ich mir denken kann, dass die mit ihren Gedanken eigentlich auch woanders sind. Immerhin habe ich meine beiden Almaza-Bier heute abend vom Chefkellner „auf‘s Haus bekommen“. Einfach so. Ich glaube, man ist froh, dass wir nicht einfach abgehauen sind… *lach…
Hmmmm… das war also dann wohl nix mit nochmal nach Baalbek kommen und frische, digitale Bilder machen. Einerseits schon sehr ärgerlich. Andererseits kann ich (zusammen mit dem Ehepaar Willing) wenigstens noch ein bisschen von der Erinnerung leben, während die anderen Mitreisenden halt noch nicht in Baalbek waren. Muss ich wohl nochmal wieder kommen. Immerhin liegt von den Pflichtsehenswürdigkeiten im Libanon Baalbek für mich persönlich nur auf Platz drei hinter Tyrus und Byblos, so dass ich dann letztendlich doch recht zufrieden nach Hause fahren kann. Ich hoffe mal für alle Beteiligten – die Libanesen wie uns Touris – dass die kommende Nacht ruhig bleibt, dass die Lage sich entspannt, dass dieses schöne kleine Land zügig die Reformen bekommt, die es braucht und verdient hat, dass wir morgen wieder Programm machen können, und dass ich am Sonntag noch einen schönen entspannten letzten Tag in Beirut haben werde (wenn wohl auch ohne Plane Spotting).

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