14. April 2017

Also, ich glaube ich geb das auf, mit dem nur ein Bild des Tages raussuchen. Dafür ist das Programm hier einfach zu dicht und vor allem zu kontrastreich.
Komisch, dass ich das jetzt grade geschrieben habe, denn heute morgen war erst mal programmfrei. So richtig hätte man hier in León heute auch nix unternehmen können, denn es ist Semana santa, um genauer zu sein Karfreitag, und schon um acht Uhr heute morgen zogen die ersten Kreuzwegprozessionen durch die Stadt, mit getragener Trauermarschmusik von leicht schräg gestimmten Blaskapellen... sehr iberisch.
Ich habe es aber heute morgen gemütlich angehen lassen und bin gegen zehn zur Kathedrale spaziert. Das ist von meinem Quartier aus nur die Straße runter, ein paar Blocks weiter. León hat ein schönes Schachbrettmuster und so war's ein Kinderspiel, sich zurecht zu finden.
Auf dem Platz vor der Kathedrale habe ich mir ein schattiges Plätzchen gesucht und die Leute beobachtet. Sehr spannend. Leute, mit und ohne Selfie-Stick, die sich fotografierten oder fotografieren ließen, entweder mit den Tauben, oder den steinernen Löwen vor der Kathedrale. Treu seinem Namen ist León voll mit Löwenstatuen. Eisverkäufer, Schuhputzer, Familien mit Kindern. Popcornhändler, die ihre Ware an Familien mit Kindern verkaufen, damit die Kinder die Tauben füttern können. (Während man bei uns in Europa vom Taubenfüttern auf öffentlichen Plätzen ja ziemlich weg ist, ist das hier noch ein einträgliches Geschäft.) Was gab's noch zu sehen? Fein gemachte ältere Ehepaare, ein paar versprengte europäische Touristen... und das alles vor der Fassade der Kathedrale, die ein bisschen an eine Sahnetorte erinnert, mit ihrer weißen Fassade und den Häubchen auf den Türmen. Das erste Bild des Tages soll ein bisschen die Stimmung auf dem Platz zeigen. Kirche, Menschen, Tauben... und die karfreitäglich violette Beflaggung. Ganz zufrieden bin ich mit dem Foto allerdings nicht, denn ich habe oben rechts die Kirche abgeschnitten. Aber es ist halt ein Schnappschuss. Deshalb habe ich auch darauf verzichtet, das Bild mit Photoshop weiter zuzuschneiden oder zu entzerren.
Die Besichtigung der Kirche habe ich mir heute gespart. Die ist morgen sowieso bei meinem geführten Stadtrundgang mit eingeplant. Es war heute einfach nur ein nicht komplett fauler Vormittag mit Menschenbeobachtung... Was ich jedoch, Schatten hin oder her, vergessen hatte, das war die Sonnencreme auch auf die Beine zu schmieren. Jetzt hab ich ein bisschen Sonnenbrand auf den Knien... *lach...
Gegen Mittag war ich zurück im Quartier und habe einen kleinen Imbiss genommen, nicht ohne vorher auch noch eine der Karfreitagsprozessionen zu erleben, bei denen die Gläubigen singend und betend große Figuren leidender Heiliger oder Passionsszenen durch die Straßen tragen.
Dann gab's noch ein bisschen Siesta und pünktlich um eins stand mein Guide auf der Matte für das Nachmittagsprogramm. Miguel. Und was soll ich sagen? Miguel spricht echt SEHR gut Englisch mit nem schönen amerikanischen Akzent und Wortschatz und er hat mir „die Frage“ (heute noch) nicht gestellt. Er hat aber dafür noch ein bisschen Zeit, denn er wird mich morgen früh durch die Stadt führen und er ist auch mein Guide morgen nachmittag, wenn es noch mal raus auf's Land geht.
Heute nachmittag sollte es aber ein vulkanologisches Spaßprogramm geben. Ich war zum „Volcano Boarding“. Könnt Ihr Euch nix drunter vorstellen? Okay... hier ein paar Hintergründe. Nicaragua ist bekannt für seine Vulkane, von denen etliche auch noch aktiv sind. In der Nähe von León befindet sich der Vulkan Cerro Negro. Diesen Berg, der zur Zeit 728m hoch ist, gibt es erst seit 1850 und er ist damit der jüngste Vulkan des Landes. Und er ist auch sehr aktiv. In den 1990er Jahren ist er insgesamt drei Mal ausgebrochen, aber seit 1999 döst er. Dass er aber immer noch aktiv ist, das sieht man an den Fumarolen im Krater, an dem Dampf, der aus dem Gestein unterhalb des Kraterrandes steigt, und daran, dass der Boden schon wenige Zentimeter unter der Oberfläche zu heiß zum Anfassen ist. Was den Cerro Negro auch auszeichnet, das ist die feine Beschaffenheit zumindest eines großen Teils seines Materials, und hier kommt das „Volcano Boarding“ ins Spiel. Man kann nämlich den westlichen Hang des Vulkankegels runterrodeln... und genau das habe ich heute gemacht.
Vor dem Spaß stand aber Mühe, denn man fährt von León aus ungefähr ne Stunde bis hin. Es sind zwar nur rund 25km, aber der größte Teil davon ist Feldweg. Und wir waren heute besonders langsam, denn schon vor dem Verlassen der Stadt hatte sich herausgestellt, dass Miguel sich auch für Vögel interessiert. So wurde dann aus der Fahrt zum Vulkan eine Vogelsafari, was Leonardo, unser schweigsamer (weil nicht englischsprechender) Fahrer geduldig mitmachte. Ich hätte schon alleine an Vogelbildern heute Schwierigkeiten bei der Auswahl zum Bild des Tages gehabt. Und wie Ihr seht, hat's letztendlich keines davon in die Endauswahl geschafft.
Am Fuß des Cerro Negro angekommen, haben wir das Equipment ausgeladen und dann begann die Vulkanwanderung.Ich muss sagen, der Cerro Negro ist echt ein hübscher  Vulkan, mit verschiedenen Gesteinsformationen, vielen Farben, die die jeweils vorhandenen chemischen Elemente verraten (grün, gelb, rot...) und glitzernde Quarzeinschlüsse gibt es auch in der Lava. Was es nicht gab, das war Schatten, und jetzt  wusste ich auch, weshalb mein Reiseveranstalter wollte, dass ich einen Liter Wasser dabei habe für die 45 Minuten Aufstieg. Zum Glück ging aber der Wind, zum Teil sogar richtig kräftig, und das machte die Sonne erträglicher. Zwischendurch haben wir auch immer wieder kleine Päuschen gemacht und Miguel hat erzählt. Er kennt sich mit Vulkanen ähnlich gut aus wie mit der nicaraguanischen Vogelwelt. Miguel war deutlich besser im Bergsteigen als ich, nicht nur, weil er deutlich mehr Übung hat, sondern auch weil ich das gesamte Equipment, einschließlich Brett, tragen musste. Okay, ICH wollte ja auch runterrodeln, nicht er.
Oben am Gipfel haben wir dann erst ein paar Fotos gemacht und dabei entstand auch das zweite Bild des Tages: ein Blick vom höchsten Punkt des Bergs in den Krater. Ihr seht, was ich mit den Farben meinte.
Dann wurde es ernst. Ich habe meinen Schutzoverall, Handschuhe und eine Schutzbrille (wie man sie aus dem Werkzeugkasten kennt und beim Flexen oder Sägen tragen sollte) bekommen. Die Beine des Overalls kamen in die Socken, die Ärmel reichten aber leider nicht bis zu den Handschuhen. Ich bin halt ein bisschen größer als das nicaraguanische Standardgardemaß. War aber nicht so schlimm. Miguel hat mir noch eine kurze Einweisung auf dem Board, eigentlich nur ein Brett, mit nem Seil vorne dran und auf der Unterseite mit Blech beschlagen, gegeben, aber da hatte ich schon das Gefühl, dass man als alter Winterrodler aus der Eifel kein Problem mit der „Bobfahrt“ am Hang des Cerro Negro haben würde. So war's dann auch. Es war wie Rodeln. Das Ding steuert sich ähnlich und man bekommt auch einiges an Geschwindigkeit drauf. Eines ist jedoch ganz anders als beim Rodeln. Man sollte auf jeden Fall den Mund geschlossen halten, denn beim Bremsen und Lenken kommt einem nämlich kein Schnee sondern Vulkanasche entgegengeflogen. Deshalb auch die Schutzbrille. Vor meinem Start - ich war zu dem Zeitpunkt der einzige Touri auf dem Berg – hatte sich Miguel gut hundertfünfzig Meter tiefer postiert, um meine Fahrt in Bild und Video festzuhalten. Diese Dokumente bleibe ich Euch heute allerdings noch schuldig, denn mein Handyakku stand am Ende des Tages kurz vor dem aus, so dass ich nicht mehr per Bluetooth die Dateien von Miguels Handy übertragen konnte. Das reiche ich aber morgen über Facebook und die einschlägigen Whatsapp-Gruppen nach.
490m lang ist die Abfahrt am Cerro Negro, und es hat richtig Spaß gemacht. Geschwindigkeitsrekorde habe ich heute keine aufgestellt, sondern bin eher gemütlich runtergerodelt. Man will ja was davon haben. Hat man übrigens sowieso... Vulkanasche in den Schuhen, den Haaren, den Ohren, zwischen den Zähnen... *lach... ich war ganz grau als ich unten war... aber das hat den Spaß kein bisschen getrübt.
Um kurz vor sechs war ich wieder am Hotel, und dann ging's erst mal ausgiebig unter die Dusche. Morgen früh kommt Miguel mich um halb neun zum Stadtrundgang abholen. Das wird bestimmt auch gut.

P.S. Eigentlich wollte ich ja keinen Roman schreiben... naja – hilft nix...

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