10. April 2017

Heute war ein super Tag. Wenn der den Ton für den Rest der Tour angibt, dann habe ich für die Osterferien 2017 alles richtig gemacht.
Um halb acht sollten wir zum ersten Programmpunkt des Tages aufbrechen, und so hatte ich den Wecker auf halb sieben gestellt. Was soll ich sagen? Um fünf war ich wach... was nur zum Teil dem Jetlag geschuldet war, denn dazu kommt noch, dass es hier um fünf auch schon hell ist. Das Frühstück war mehr als reichhaltig und auch eine zügige Angelegenheit, denn außer Eric und mir war ja niemand da.
Mit dem Boot, unter fachkundiger Führung von „El Capitan“, ging's an das Südufer des Nicaragua-Sees, wo sich das Refugio de Vida Silvestre Los Guatuzos befindet. Dort haben wir auf dem Rio Papaturro eine Bootssafari gemacht und waren dabei auch überaus erfolgreich. Reiher, Fischadler, Kapuziner- und Brüllaffen, Kormorane und Schlangenhalsvögel, Kingfischer und Leguane... was das Ornithologen- und Zoologenherz begehrt gab es. Sogar einen Kaiman haben wir gesehen... und das Jacana, das das heutige Bild des Tages zeigt. Blatthühnchen sind zwar nicht selten an den Ufern des Rio Papaturro, aber das Bild gefiel mir so gut, dass es den Kaiman auf den zweiten Platz bei der Auswahl des Bildes des Tages verwies.
Im Ort Papaturro haben wir ein kurzes Päuschen gemacht und Eric ist mit mir durch den Ort spaziert. Hier sagen sich echt Fuchs und Hase gute Nacht und die costaricanische Grenze ist nur eine Viertelstunde mit dem Auto entfernt. Was man neben wilden Tieren und Vögeln hier auch viel sieht, das ist Militär. Die glorreiche nicaraguanische Marine hat mehrere Boote auf dem See im Einsatz und einen Stützpunkt sowohl auf Mancarrón als auch am Rio Papaturro. Zuviel darf man sich da jetzt aber nicht drunter vorstellen. Ein paar Außenborder, ein paar zusammengezimmerte Hütten und ein paar in marineblau uniformierte Soldaten, die in der einen Hand lässig die Kalashnikov und in der anderen die Zigarette halten. Fotos leider nicht möglich. Als ich heute auf die Entfernung ein Foto von einem der Marineboote gemacht habe, hat Eric ermahnt, dass die Offiziellen nicht gerne fotografiert werden. Dafür machen sie aber gerne den normalen Menschen auf dem See das Leben schwer, indem sie im Vorbeifahren „Chaleco“ rufen und uns so auf dem vielleicht anderthalb Meter tiefen Fluss an das Tragen unserer Schwimmwesten erinnern, oder indem sie Permitgebühren für den Bootsverkehr zwischen den Inseln kassieren. Eric sieht das alles ziemlich kritisch und meinte, dass man für den Preis von so  nem Marineboot schon vielen armen Leuten helfen könnte.
Nach der Safari ging's über den See zurück zum Hotel, wo wir gegen 12 ankamen. Die Zeit bis zum Mittagessen um eins habe ich mit einer vorgezogenen Siesta in der Hängematte verbracht... leicht hin- und herschwingend, den warmen Wind und den Blick über den Nicaragua-See genießend. Dann gab's Mittagessen für Eric und mich und ich kann schon mal sagen, dass eine Reise nach Nicaragua nicht wirklich gut für die Figur ist. Ich werde wohl in den nächsten Tagen mal die eine oder andere Mahlzeit ausfallen lassen, wenn sie nicht grade Teil des Programms ist. Wenn man zum Frühstück Gallo Pinto mit Rührei hatte ist das auch kein Problem, auf das Mittagessen zu verzichten.
Um zwei startete dann schon das Nachmittagsprogramm, mit ein bisschen Vogelsafari zwischen den Inseln des Solentiname-Archipels und einem Dorfbesuch, wo primitive Malerei produziert und auch angeboten wurde. Es waren einige schöne Sachen dabei, aber so ne Rolle Leinwand im Koffer zu transportieren wäre halt schwierig. Deshalb habe ich verzichtet.
Kunsthandwerk blieb aber das Thema für den Rest des Tages. Eric ist nämlich in seinem richtigen Leben Balsaholz-Schnitzer. Den Touristenguide gibt er nur nebenher. Wir sind zusammen auf Macarrón durch den Ort spaziert. Hier ist alles autofrei und man muss nur ab und zu mal auf Seite springen, wenn die einheimischen Pänz mit dem Fahrrad vorbei wollen. Einer kam sogar mit ner Ladung Fische für das Abendessen der Familie am Lenker vorbeigeschossen. Also, jedenfalls ist Eric Balsaholz-Schnitzer und wir sind bei ihm zu Hause eingekehrt. So hatte ich für eine halbe Stunde nicaraguanischen Familienanschluss. Seine Mutter war grade dabei, eine typisch nicaraguanische Karwochen-Speise aus Mangos, Papayas und noch einer anderen kirschähnlichen Frucht zu kochen, die ich natürlich probieren musste. Und dann habe ich auf der Veranda gesessen und Eric hat mir gezeigt, wie er schnitzt. Seine Töchter kuckten zu, die Küken der Familienhühner liefen uns über die Füße, der Hund lag friedlich in der Ecke, Erics Vetter im Schaukelstuhl, seine Schwester mit Kleinkind zu Besuch, und dazu saß der zahme Papagei der Familie auf der Stange und ahmte das Lachen von Erics zweiter Schwester nach. Erics Frau habe ich nicht gesehen und auch nicht gefragt... ich vermute mal, dass sie arbeiten war... und auch von seinem Vater war nicht die Rede. Eric hat mir einen kleinen Balsaholz-Quetzal geschenkt (zum Thema Quetzal siehe mein Reiselogbuch Panama 2013) und ich habe dann noch drei weitere kleine Balsaholzvögel für Nichten und Neffe erstanden... für 100 nicaraguanische Córdoba, umgerechnet ungefähr 3,20 Euro.
Anschließend haben wir die Runde durch den Ort fortgesetzt und Eric hat mich unter anderem auf die entwurzelten Baumstümpfe aufmerksam gemacht. Letztes Jahr im Herbst wurden Costa Rica und Nicaragua von einem Hurrikan getroffen und auch die Islas Solentiname wurden nicht verschont.
Als wir wieder im Hotel waren hieß es dann Abschied nehmen, denn morgen geht’s für mich weiter zum nächsten Programmpunkt und Eric verbringt diese Nacht wieder zu Hause. Schon erstaunlich, wie gradezu fremdartig das Leben erscheint, in das ich heute hier einen kleinen Einblick bekam. Hier ticken die Uhren echt anders. Als ich  beispielsweise erwähnte, dass ich bei dem Vogel-Namen Ani an Star Wars denken musste, meinte Eric trocken „Star Wars?“. Ich sagte nur, komplett erstaunt, „Star Wars? Like the film... the movie...?“ Und er erwiderte nur, „Hmmmm... I don't know.“ Man kann also auf diesem Planeten 32 Jahre alt werden, ohne mit Star Wars in Berührung gekommen zu sein.
Morgen früh geht’s wieder zurück auf's Festland und dann von San Carlos aus weiter mit dem Boot auf dem San Juan River. Ich hoffe mal, dass ich morgen abend wieder Internet habe.

P.S. Da das Internet hier in Nicaragua spürbar langsamer arbeitet als bei uns, habe ich die Bilddateien etwas komprimiert. Wenn ich wieder zu Hause bin lade ich dann die HD-Ausgaben auf die Webseite.

Inhaltsverzeichnis nächster Tag
Inhaltsverzeichnis nächster Tag