15. August 2019

Der Himmel über Vilnius heute morgen war… blau. Hatte sich wohl gestern leer geregnet. Nach dem sehr schönen Frühstück im Hotel sind wir zur Stadterkundung aufgebrochen. Da wir ja gestern wetterbedingt kein Sightseeing mehr gemacht haben, war‘s heute zeitlich alles etwas knapp. Zum Glück hatten wir den Berg der Kreuze ja schon auf Montag vorgezogen, sonst wären wir heute in ernste Programmschwierigkeiten geraten.
Zuerst waren wir im Dom von Vilnius. Da war Messe, denn der heutige Tag, Mariä Himmelfahrt, ist in Litauen – ähnlich wie in Bayern – ein richtiggehender Feiertag. Die Kirche war voll, draußen wurden Kräutersträuße verkauft, Krockwösch, wie man in der Eifel sagt.  Die wurden während des Gottesdienstes gesegnet. Wir konnten also keine richtige Besichtigung des Doms machen, sondern nur nen Blick reinwerfen und ein Foto das Langhaus entlang schießen. Fand ich jetzt aber auch nicht so schlimm, denn schon auf den ersten Blick war mir das hier zuviel Zuckerguss-Barock. Spannender finde ich am Dom von Vilnius sowieso das Äußere, das zwar eine Barock-Gestaltung hat, inklusive Säulen an der Westfassade, riesigen Heiligen-Figuren und weißem Anstrich, das aber gleichzeitig dem traditionellen Muster alter litauischer Kirchen folgt, mit freistehendem Glockenturm neben der Kirche. Schon zu diesem Zeitpunkt hätte ich ein Bild des Tages gehabt… Aber… naja… lest weiter ;-)
Als nächstes haben wir uns richtig touristisch eine einstündige Stadtrundfahrt mit dem Hop on-Hop off-Bus gegönnt. Sehr praktisch für einen ersten Eindruck und man kriegt einiges von der Stadt zu sehen. Die anderen Touris haben zwar genervt. Kann ja nicht so schwer sein, ein bisschen Rücksicht zu nehmen, sich nach dem fotografieren wieder hinzusetzen und die Leute erst aussteigen zu lassen, bevor man sich selber in den Bus drängelt. Auch die computergenerierte Stimme aus den Kopfhörern, die die Sehenswürdigkeiten erklärte, war gewöhnungsbedürftig. Ich habe ein bisschen gebraucht, bis mir klar war, was sie mit „xiff jott hah“ meinte… „XIV. Jh.“, d. h. 14. Jahrhundert. Ich glaube aktuell müssen wir uns wegen künstlicher Intelligenz noch keine Sorgen machen. *lach… Aber immerhin hatten wir danach einen Eindruck von Vilnius und mein Fazit war eindeutig: ein halber Tag ist definitiv zu wenig. Ähnlich wie Riga eignet sich auch Vilnius auf jeden Fall für ein langes Wochenende.
Nach der Stadtrundfahrt sind wir noch ein bisschen durch die Altstadt spaziert und haben einige Sehenswürdigkeiten angesehen, an denen wir vorher schon vorbeigefahren worden waren, den Präsidentenpalast zum Beispiel, oder die St. Anna-Kirche, die schon Napoleon so gut gefallen hat, dass er sie ab und in Paris wieder aufbauen lassen wollte.
Eigentlich hatten wir geplant, in Vilnius noch zu Mittag zu essen, aber nach dem umfangreichen Frühstück haben wir uns (zum Glück) entschieden, gegen halb eins schon loszufahren und uns auf dem Weg im Supermarkt Material für einen Mittagssnack zu kaufen. Feiertag hin oder her, in Litauen haben Supermärkte von 7 bis mindestens 22 Uhr geöffnet… sieben Tage die Woche.
Wir hatten einiges an Strecke vor uns, denn bis zum nächsten Programmpunkt, dem barocken Schloss von Rundale sind es von Vilnius aus ca. 240km. Die ersten zwei Drittel waren easy, aber dann meinte ‚Googlechen‘ - ich bin noch auf der Suche nach nem guten Namen für meine Google Maps-Navigations-App-Stimme – wir könnten einen Stau umfahren und zwölf Minuten Zeit sparen. Wir sind also rund 20km hinter Panevėžys von der Bundesstraße runter und über Land weitergefahren. Wie schon am Montag bei unserem Über-Land-Exkurs hatten wir so natürlich einen viel schöneren Blick auf die Gegend im litauisch-lettischen Grenzgebiet. Als dann aber auch noch ne Umleitung wegen einer Baustelle dazu kam, kam die Navigation, sowohl per App als auch in meinem Kopf, doch ein bisschen ins Schwimmen. Ich habe also irgendwann beschlossen „Scheiß auf Mietwagen, wir fahren jetzt die Schotterstraßen“ und hatten so auf dem Weg nach Schloss Rundale geschätzte 20km Country Roads unter den Rädern des Skoda. War super. Ich fahre ja sowieso gerne auf Schotter und auf diese Weise hatten wir noch eine gepflegte Storchensafari, deren Ergebnis Ihr im Bild des Tages seht. Außerdem kamen wir natürlich über die litauisch-lettische Grenze, die mich ein bisschen an die Grenze zwischen NRW und Rheinland-Pfalz hinter Vollmert erinnert hat. Soll noch einmal einer sagen, das Schengener Abkommen hätte keine Vorteile. Die gesparten zwölf Minuten hatten wir zu diesem Zeitpunkt schon längst verbraten.
Der erste Gedanke beim Blick auf Schloss Rundale ist „Schloss Augustusburg Brühl“. Schlösser dieser Ära sind halt alle Variationen des Themas Versailles. Auf die Innen-Besichtigung haben wir verzichtet und uns stattdessen den nach französischem Vorbild angelegten Schlosspark angesehen, zuerst vom Elektro-Bähnchen aus, wie schon in der Altstadt von Riga, und dann auch noch ein bisschen zu Fuß. Wir hatten heute echt luxuriöses Sightseeing. Schloss Rundale war übrigens der Sitz des letzten Herzogs von Kurland, bevor die Gegend hier unter russische Herrschaft geriet und das Schloss zum Sitz irgendeiner russischen Adelsfamilie wurde.
Russland ist hier überhaupt sehr nah, was man nicht nur an den vielen Autos mit russischem Kennzeichen erkennt, die hier rum fahren. Bei der Weiterreise von Schloss Rundale zu unserem heutigen Quartier in Sigulda stand auf der Stadtumfahrung von Riga plötzlich der Hinweis „Moskva 897km“… rechts ab…
Von Rundale bis Sigulda sind es nochmal fast 150km, und so waren wir erst gegen viertel vor acht im Hotel. Morgen kommt dann das dritte Land des Baltikums auf unseren Schirm. Wir fahren nach Estland. Ein bisschen gemächlicher als heute soll es aber schon werden. Ich habe Frühstück für neun Uhr angesetzt.

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