28. Oktober 2017

Um 4:45 Uhr heute morgen riss mich mein Handy aus dem Schlaf und Sekunden später klingelte das Telefon auf dem Nachtskommödchen mit dem Wake-up Call von der Rezeption... *seufz... Studienreise... 'studium'... "Mühe"... Es half alles nichts, um sechs Uhr wollte Mostafa mit uns losfahren. Wir hatten heute eine lange Fahrstrecke vor uns und außerdem noch zwei Besichtigungsstopps, von denen einer eins meiner persönlichen Highlights war. Zuerst aber war Fahren angesagt, über weite Strecken auf der Autobahn westlich des Nils, mitten durch die libysche Wüste, und natürlich mit der unvermeidlichen Polizeieskorte.
Die Wüste hier in Ägypten ist schon ziemlich eindrucksvoll, vor allem wenn man bedenkt, dass die sich noch bis zum Atlantik erstreckt. Bei meinem ersten Besuch vor 25 Jahren sind wir von Kairo nach Assuan und nach der Nilkreuzfahrt von Luxor nach Kairo geflogen. Da haben wir zum einen von der Wüste nur wenig gesehen und zum anderen keinerlei Vorstellung von der Größe des Landes bekommen. Ägypten ist ungefähr dreimal so groß wie Deutschland, hat rund 90 Millionen Einwohner, und die besiedelte Fläche ist grade mal so groß wie Baden-Württemberg. Der Rest ist Wüste.
Kurz vor Mittag waren wir in Abydos, der ersten Station des heutigen Tages. Hier war ich 1992 total von den Socken und hatte mir vorgenommen, keine Ägyptenreise mehr zu machen, die nicht nach Abydos geht. Lange Zeit war dieser Teil Ägyptens nämlich aus dem Programm sämtlicher Veranstalter verschwunden.
In Abydos liegt der Tempel, den der Pharao Sethos I., der Vater von Ramses II., für Osiris und einige andere Götter bauen ließ. Im alten Ägypten war Abydos einer der wichtigsten Wallfahrtsorte und für die moderne Ägyptologie ist es eine sehr wichtige Quelle, weil der Tempel auf einem Relief eine (fast) komplette Liste der Pharaonen von Menes bis zu Sethos I. enthält. Der Tempel ist innen mit fantastischen Reliefs geschmückt, die Sethos I. beim Gottesdienst für die verschiedenen Götter zeigen. Die meisten dieser Reliefs sind als Hochrelief ausgeführt, das heißt, man hat nicht die Figuren und Schriftzeichen in den Stein reingemeißelt, sondern den Stein um die Figuren und Schriftzeichen herum weggemeißelt. Das war wesentlich aufwendiger als ein Tiefrelief, dass sich deutlich schneller anfertigen lässt. Den Effekt seht Ihr deutlich auf dem ersten Bild des Tages, das ein Portrait von Sethos I. zeigt. Die Vorhalle des Tempels wurde übrigens von Sethos' Sohn Ramses ergänzt, der weniger wert auf Präszision und Ästhetik und mehr Wert auf Geschwindigkeit legte, und deshalb die von ihm in Auftrag gegebenen Teile als Tiefrelief anfertigen ließ.
Der Tempel in Abydos ist ein echter Hammer. Viele von den Reliefs haben sogar noch die Originalfarben. Man kann kaum glauben, dass die Kunstwerke da drin schon rund 3500 Jahre alt sind. Mostafa hat uns zuerst eine ausführliche Führung gegeben und danach hatten wir noch Zeit, um uns den Tempel alleine im Detail anzusehen. Ich habe die Mittagspause ausfallen lassen und war bis wenige Minuten vor der Abfahrt mit Ankucken und Fotografieren beschäftigt... ich hätte hier noch Stunden verbringen können. Außer uns waren zu diesem Zeitpunkt auch keine weiteren Touris vor Ort, so dass der Tempel eine richtig mystische Atmosphäre hatte. Ein bisschen was davon versuche ich, Euch mit dem zweiten Bild des Tages zu zeigen. Man sieht die große Säulenhalle und rechts durch die Tür geht es ins Allerheiligste des Horus.
Vor diesem persönlichen Highlight musste der zweite Tempel, den wir heute besichtigt haben, komplett zurückstecken. Schade eigentlich, denn auch wenn der Hathor-Tempel von Dendera aus der ptolemäischen Zeit stammt, also fast 1000 Jahre jünger ist als die Anlage in Abydos, ist er doch sehr schön und bot uns heute – wir waren wieder die einzigen – viele schöne Ansichten. Leider sind in Dendera viele der Reliefs zerstört worden, vor allem die Figuren wurden im 4. und 5. Jahrhundert nach Christus weggemeißelt. Verdient hätte Dendera auch zwei Fotos, aber ich will's hier nicht übertreiben. Gegen fünf sind wir von Dendera aufgebrochen zum heutigen Etappenziel, Luxor, wo wir knapp zwei Stunden später ankamen... schon im Dunkeln. Ein wirklich schönes Hotel hier, aber leider haben wir keine Zeit es zu genießen. Morgen früh ist Wecken um halb sechs, denn wir haben wieder volles Programm und müssen morgen auch noch nach Assuan fahren. Ab morgen sind wir dann vier Tage auf dem Nilschiff. Es kann sein, dass ich dort keinen Internet-Anschluss habe. Insofern wundert Euch bitte nicht, wenn Ihr an den kommenden Tagen nichts von mir hört. Was das Internet in Hotels angeht ist Ägypten noch ein echtes Entwicklungsland. Da war es sogar in Uganda deutlich besser.

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