10. Juli 2021

Nach dem langen Fahrtag gestern war’s heute deutlich weniger anstrengend. Ich musste nur 130km reine Fahrstrecke von meinem Hotel in Mo i Rana zu meinem Quartier hier in Nordnes zurücklegen. So hatte ich Zeit für zwei kurze Abstecher links und rechts des Wegs sowie einen längeren Zwischenstopp unterwegs. Schon heute morgen habe ich es gemütlich angehen lassen. Erst um kurz nach zehn haben der Qashqai und ich uns wieder auf den Weg gemacht.
Der erste Programmpunkt heute sollte noch mal zum Svartisen-Gletscher führen. Hinter dem Flugplatz von Mo i Rana (wo es einen kurzen Zwischenstopp zum Fotografieren der Örtlichkeiten gab), ging die kleine Landstraße noch fast 20km weit ins Gebirge. Der Fluss, der mich dabei begleitete, führte das typisch milchige Gletscherwasser. Die Landschaft war auch hier grandios und erinnerte mich stark an den Jasper-Nationalpark in Alberta, auch wenn die Berge hier nicht so hoch sind (und es weniger Hirsche gibt). Am Ende der Straße sollte man mit einem Böötchen über den Svartis-See fahren können und wäre dann fast am Gletscher angekommen, meinte der Lonely Planet. Aber was soll ich sagen? Alles geschlossen, kein Böötchen, nicht mal ne Zufahrt zum See sondern nur ne abgesperrte Straße. Ein 10km Fußmarsch hätte mich trotzdem zum Gletscher gebracht, aber insgesamt 20km Wanderung hatte ich heute weder im Zeit- noch im Motivationsbudget. Also zurück zur E6.
Die E6 ist aus Straßenverkehrssicht das Rückgrat Norwegens. Die Straße verläuft von der norwegisch-schwedischen Grenze südlich von Oslo bis nach Kirkenes kurz vor der russischen Grenze. Sie wird mir auf dieser Reise noch ein paar mal begegnen.
Heute führte mich die E6 zuerst mal Richtung Norden in das Saltfjellet-Gebiet Die Straße steigt hier langsam an und schon bald hat man die Baumgrenze hinter sich, die hier oben im Norden ziemlich niedrig ist. Die Landschaft besteht jetzt nur noch aus Fels und Tundra und schneebefleckten Bergen. Kurz vor der Passhöhe – der höchste Punkt der E6 im Saltfjellet-Gebiet liegt auf 692m – kommt man an den Polarkreis. Der ist nicht nur markiert, sondern es gibt auch ein dickes Visitor Center mit Shop und Cafeteria und einem riesigen Parkplatz, der aber corona-bedingt zumindest reisebusfrei war. Trotzdem war hier einiges los, vor allem an Wohnmobilen, denn die Norweger reisen fleißig im eigenen Land. Ich glaube in normalen Zeiten ist es hier richtig rummelig, aber so hatte ich doch die Möglichkeit, ein bisschen in der Sonne zu sitzen, mir den Wind um die Nase wehen zu lassen, und die Aussicht auf die karge Landschaft zu genießen. Ich hatte sogar schon einige Fotos für das Bild des Tages auserkoren, denn zum Polarkreis kommt man ja nicht alle Tage, und auf dieser Reise werde ich ihn nur noch einmal in Richtung Süden im Flugzeug überqueren. Um Euch ein kleines bisschen Perspektive zu geben: am Polarkreis ist man schon weiter nördlich als die Nordspitze Islands.
Noch mehrere Kilometer führt die E6 über die felsige Hochebene des Saltfjellet, und dann geht es wieder runter ins Tal. Da ich nicht mehr soviel Weg vor mir hatte, habe ich einen weiteren Abstecher gemacht und bin rechts in Richtung schwedische Grenze abgebogen. Ich wollte einfach mal sehen, wie das da aussieht, vor allem wo hier weit und breit grade mal ne Handvoll Menschen leben. Also, es ist ne richtige Grenzstation, und in Corona-Zeiten auch mit gesperrter Durchfahrt, wo man sonst einfach gradeaus die Fahrspur für „Nichts zu verzollen“ hätte nutzen können. Da ich nicht nach Schweden wollte, habe ich auf dem Parkplatz der Grenzstation gewendet und bin zurückgefahren.
Ein paar Tropfen fielen aus dem inzwischen zugezogenen Himmel und ich war wirklich das einzige Auto auf der Straße, als ich rechts im Gebüsch einen braunen Klotz entdeckte. Bremsen, die dicke Kamera vom Beifahrersitz heben und das Fenster runterfahren waren quasi eins. So nah hatte ich in Europa noch nie einen Elch gesehen. Und der Gute hat auch nicht sofort das Weite gesucht sondern ist fotogen stehen geblieben. Da war klar, was das heutige Bild des Tages sein würde. Schon lange wollte ich in Europa einen wilden Elch vor die Linse bekommen, um endlich mal den Bereich „Frantis Safari – Europa“ mit ein bisschen Großwild anreichern zu können.
Hier in Nordnes hatte ich ein Deja vu-Erlebnis, wenn auch eins mit Ansage. Ich wohne nämlich nicht im Hotel, sondern in einer Touristenhütte auf einem Campingplatz, so wie damals 2014, als wir (mein Bruder, mein Schwager und ich) zur Moschusochsensafari im Dovrefjell-Nationalpark südlich von Trondheim waren. Das Hüttenquartier ist allerdings nur für eine Nacht – und wäre eventuell bei sorgfältigerer Planung zu vermeiden gewesen, aber jetzt ist es eben so. Da über viele Monate hinweg gar nicht feststand, ob ich diese Reise überhaupt würde machen können, war die Planung nicht ganz so ausgefeilt, wie ich das sonst tue. Immerhin konnte ich einen Denkfehler in meiner Planung ganz gut ausbügeln, aber dazu morgen mehr. Morgen geht es nämlich auf die Lofoten, mit einer gut dreistündigen Schiffsüberfahrt von Bodø aus.
Den Rest des Tages habe ich es mir hier gemütlich gemacht und war auch im Restaurant des Campingplatzes ziemlich gut essen. Kleiner Lacher am Rande: In der Hütte gab’s kein Bettzeug. Das musste ich mir an der Rezeption erst ausleihen. Gegen Aufpreis und die hochgezogenen Augenbrauen des Rezeptionisten. Wieder in meiner Hütte fiel mir dann auf, dass es im Badezimmer keine Handtücher gab. Aber da werde ich morgen früh was improvisieren… Ich laufe nicht nochmal zur Rezeption… *lach…


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