3. Oktober 2023

Heute wurde es spannend. Meine erste Bahnreise in Japan stand an und es sollte raus auf’s platte Land gehen. Wobei… „platt“ ist nicht der richtige Ausdruck. Das Landesinnere von Japan ist ziemlich bergig. In meinem wirklich sehr schönen Hotel in Tokio habe ich nach dem Frühstück den Sammy in die Obhut der Rezeption gegeben. 2500 Yen kostet der Gepäcktransfer, umgerechnet rund 16 Euro. Das war es locker wert, wie ich heute am Ende des Tages sagen kann.
Die beiden ersten Etappen waren easy. Mit der U-Bahn. Das System kannte ich ja schon, und den Trolli über die etlichen Treppen zu tragen war jetzt kein großer Act. (Die heutige Strecke könnt Ihr übrigens auf der Karte nachvollziehen.)
Am Bahnhof Shinjuku, einem der großen Bahnhöfe von Tokio kamen dann aber die ersten Klippen, die umschifft werden mussten. Für den Expresszug nach Kawaguchiko wollte ich am Ticketautomaten eine Sitzplatzreservierung vornehmen. „Alles ganz einfach“, behauptete das Erklärvideo von Japan Rail, „in zwei Minuten erledigt.“ Ja, Pustekuchen. Meine Netzkarte konnte von dem Automaten nicht gelesen werden. Zum Glück hatte ich heute morgen reichlich Zeit am Bahnhof Shinjuku eingeplant. Ich also zum Kundencenter, wo die freundliche Japanerin, die sehr anständig Englisch sprach, mir erst mal ein neues Ticket ausgestellt hat. Dann wollte sie mir auch noch die Sitzplatzreservierung organisieren. Jaaaaa… das ginge aber nur bis Ōtsuki. Denn da müsste ich ja umsteigen. Neenee, sag’ ich, die Japan Travel App behauptet, dass der Zug durchgehend ist. Ahhh… das ist ein Zug von ner privaten Bahnlinie. Da könne ich den JR Pass nicht verwenden. Na toll. Sie hat mir dann den Sitzplatz mit JR bis Ōtsuki reserviert und die Zugverbindung wie ich danach weiterfahren müsste ausgedruckt.
Nach dem das alles geklärt war (so schien es mir zumindest) habe ich mir im Bahnhof noch nen Kaffee gekauft und dann auf dem Bahnsteig gewartet, bis mein Zug abfuhr. Der „Limited Express“ von Shinjuku nach Kōfu über Ōtsuki war jetzt zwar kein übermäßig schicker aber doch ein moderner Zug. Im Green Car – ich hab mir für die Tour die Netzkarte erster Klasse gegönnt – war schön viel Platz und man konnte auch gut rauskucken. Schnell waren wir aber nicht. Ich würde mal schätzen so wie der RE zwischen Euskirchen und Kölle.
In Ōtsuki hätte ich dem Plan nach ne Viertelstunde Aufenthalt haben sollen. Irgendwie war daraus aber ne gute halbe Stunde geworden als ich in Ōtsuki auf die Fahrpläne kuckte. Die Zugverbindung, die mir die JR-Mitarbeiterin ausgedruckt hatte, gab es nicht. Zu dem Zeitpunkt hatte das japanische Eisenbahnsystem schon einiges an Respekt bei mir eingebüßt, aber als Deutscher ist man ja Kummer gewohnt… *lach… und Alternativen hatte ich auch nicht wirklich. Immerhin: den Zug nach Kawaguchiko konnte ich mit der Suica-Karte bezahlen und musste nicht an den Schalter. Ich war echt happy, dass ich den Sammy nicht dabei hatte. Das wäre mit nem großen Koffer echt Plackerei geworden.
Aber ich sag ja immer, „Man weiß nie, wofür es gut ist“ und so war’s auch in diesem Fall. Zwei Züge von Fujikyu Rail standen in Ōtsuki am Bahnsteig, ein Bummelzug und ein Expresszug. Beide leicht antiquiert wirkend. Ich habe mich für den „Local Train“, also den Bummelzug, entschieden, weil der etwas früher losfuhr und ich keine Lust mehr hatte zu warten. Zum Glück, denn die Fahrt mit dem Triebwagen aus der Mitte der 1980er Jahre wurde ein tolles Erlebnis. Mit 50 bis 60km/h sind wir durch die japanische Mittelgebirgslandschaft gezuckelt, und an jeder Milchkanne wurde angehalten. Da der Führerstand zum Fahrgastbereich nur verglast war, konnte ich problemlos auch nach vorne fotografieren und filmen. Natürlich ist eines dieser Bilder heute das Bild des Tages. Man sieht die Landschaft und die Siedlungen. Die Täler sind hier alle dicht besiedelt und auf den freien Flächen gibt es Reisfelder und Gemüsebeete. Außerdem könnt Ihr in dem Bild natürlich die bergan führende Gleisstrecke sehen. Wenn sich jetzt jemand denkt „Sieht anders aus als die Eisenbahn bei uns.“ dann hat er in mehrfacher Hinsicht recht. Zum einen hat Japan bei der Eisenbahn (genau wie auf den Straßen) Linksverkehr. Zum anderen liegen die Schienen enger zusammen als bei uns. In Japan ist nämlich auf den meisten Bahnstrecken Kapspur verlegt. Das hat erstmal nichts mit dem Kap der Guten Hoffnung zu tun (auch wenn im südlichen Afrika die meisten Eisenbahnen auf Kapspur fahren), sondern mit dem Namen des Entwicklers. Der Norweger Carl Abraham Pihl baute im 19. Jahrhundert in seiner Heimat Eisenbahnstrecken mit einer Spurweite von 1067mm, was einige Vorteile (aber auch Nachteile) gegenüber der Normalspur von 1435mm hat. Aus den Initialen CAP wurde später „Kap“spur. In Japan sind abgesehen von den Hochgeschwindigkeitsstrecken alle Eisenbahnlinien in Kapspur gebaut.
In Kawaguchiko war ziemlich viel los. Touris über Touris. Der Fuji wird hier richtig vermarktet. Sehen ließ er sich aber nicht sondern hatte sich dezent in Wolken gehüllt. Ich hatte ungefähr ne halbe Stunde Zeit, bis der Shuttlebus vom Hotel mich abholen kam, und die habe ich genutzt um schon mal die Lage für meine Weiterreise übermorgen zu checken. Zum Glück, denn dabei habe ich rausgefunden, dass ich, wenn ich am Donnerstag nicht wieder zurück nach Tokio fahren möchte um weiterzureisen, mit dem Expressbus nach Mishima fahren muss… und dafür braucht man ne Reservierung. Der Bus, den ich eigentlich nehmen wollte, war schon ausgebucht und ich habe noch mit Ach und Krach nen Sitzplatz einen Bus früher bekommen.
Ich wohne hier im Fuji View Hotel, in einem Zimmer im japanischen Stil. Man sitzt auf dem Boden und während ich heute Abend auf Nahrungssuche war, hat das Personal auch das Matratzenbett aufgeschlagen. Um kurz vor sechs bin ich nämlich ins Dorf gegangen und wollte ins Restaurant. Leider ohne Erfolg. Nachdem das zweite Lokal, das ich bei Google Maps gefunden hatte, auch dunkel war, habe ich bei 7-Eleven was zum Essen gekauft. Instant-Ramen… das hatte dann ja auch schon wieder irgendwo Stil. Ein Gutes hatte der Spaziergang durch’s Dorf aber noch. Ich habe den Fuji wolkenfrei im Dämmerlicht gesehen.
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