5. August 2017

Ich bin in der kanadischen, oder besser gesagt in der Québecer Provinz angekommen. Hier in diese Gegend verschlägt es nicht mehr so viele internationale Touristen. Die meisten von denen kehren nach Tadoussac um. Mein Quartier heute nacht ist das „Le Grand Hotel“ in Baie-Comeau. Das Hotelrestaurant war gar nicht schlecht und hatte den Vorteil, dass ich nicht mehr vor die Tür musste, denn hier regnet's. Aber obwohl das Hotel zu den ersten Häusern am Platz zählt – englische Speisekarten gibt es hier nicht mehr.
Heute morgen habe ich zuerst wieder ein Boulangerie-Frühstück auf meiner Motel-Terrasse in Tadoussac gemacht. Lang war die Tagesstrecke heute nicht. Von Tadoussac nach Baie-Comeau sind es nur 200km auf gut ausgebautem, wenn auch nicht mehr vierspurigem Highway. Ich hatte mir allerdings überlegt, dass ich ja auf dem Weg noch eine weitere Whale-Watching-Tour machen könnte, denn außer Tadoussac gibt es auch noch in einigen kleineren Dörfern ein bisschen weiter nördlich entsprechende Angebote. Der erste Anlauf in Les Bergeronnes war zwar noch ohne Erfolg (alles ausgebucht), aber in Les Escoumins habe ich einen Platz für eine zweistündige Tour in einem großen und vor allem verglasten Zodiac bekommen. Um 11:30h ging's los, und zum Glück war das Boot nicht voll, so das wir uns alle gut bewegen konnten. Der von Plexiglas umgebene Fahrgastraum hatte den Vorteil, dass es nicht so kalt war, denn der Fahrtwind blieb draußen... Alles in allem schon recht komfortabel, und zum Glück konnte man die Plexiglasscheiben aufschieben, wenn es was zu sehen und zu fotografieren gab. Kommentar und Erläuterungen durch einen ziemlich jugendlichen Mitarbeiter der Whale-Watching-Firma - mehr als 20 war der nicht - gab es auch... auf Französisch. Punkt. Was aber okay war, denn mittlerweile weiß ich die wichtigsten Namen... petit rorqual (Zergwal), phoque gris (Kegelrobbe), baleine (Wal, ganz allgemein)... mit marsouin commun (Schweinswal) hatte ich mich bis heute etwas schwer getan. Der St.Lorenz-Strom war heute (im Gegensatz zu gestern nachmittag) wieder fast spiegelglatt, aber ich hab mich trotzdem sicherheitshalber gedopt, denn ich wollte nicht riskieren, mich um andere Dinge kümmern zu müssen, wenn wir eine spektakuläre Sichtung in wieder Erwarten dann doch unruhigerem Wasser haben sollten.
Den ersten petit rorqual hatten wir schon direkt vor der Hafeneinfahrt von Les Escoumins, dann gab es eine ganze Reihe marsouins communs und dann erst mal ne ganze Zeit nichts, während wir auf dem St.Lorenz-Strom in Richtung Südwesten fuhren. Schließlich sah man aber schon, wo andere Tour-Boote ruhig auf dem Wasser lagen, und das ist ein untrügliches Zeichen, dass es was zu sehen gibt. Die Frage für uns war nur: “Was?“ Ich wäre zwar auch mit Zwergwalen zufrieden gewesen, aber nach den Erlebnissen gestern hatte ich schon Lust auf was Spannenderes, und ich wurde nicht enttäuscht. Wir haben einen Buckelwal (baleine à bosse) getroffen. Das ist natürlich ne andere Größenordnung als ein Zwergwal. Zwergwale werden so um die 8m lang, Buckelwale schaffen knapp das doppelte. Buckelwale hatte ich schon 1987 und 2003 in Südostalaska und vor der Küste von Vancouver Island gesehen, aber noch nie in atlantischen Gebieten. Klar also, was heute das Bild des Tages ist. Man sieht den Buckelwal beim Einatmen. Rechts ist das Blasloch zu erkennen und vor der Rückenflosse sieht man den charakteristischen Buckel, der den Buckelwal von anderen Furchenwalen unterscheidet. Der Blasnebel schwebt noch über dem Rücken.
Es war also eine gute Entscheidung, heute noch mal auszulaufen. Auf dem Weg zurück nach Les Escoumins haben wir dann noch mal Zwerg- und Schweinswale gesehen. Damit sind meine Whale-Watching-Bemühungen aller Voraussicht nach abgeschlossen. Morgen geht’s per Fähre auf das Südufer des St.Lorenz-Stroms. Da gibt es nicht mehr so viele Wale.
Nach dem Whale-Watching bin ich gemütlich in Richtung Baie-Comeau gefahren und habe mir unterwegs in Forestville einen späten Mittagssnack an der Tankstelle gekauft. Die Landschaft hier ist weiterhin skandinavisch-karg, mit vielen, zum Teil auch nur krüppeligen Nadelwäldern. Landwirtschaft gibt’s hier wenig, und wenn dann ist es Viehzucht. Ich glaube hier ist nicht lange genug Sommer, dass hier schwer was wächst. Trotzdem ist es schön hier... nicht so richtig wild, aber doch so, dass man merkt, das man langsam dem Ende von Zivilisation entgegen fährt. Baie-Comeau ist einer der letzten Außenposten. Der Highway 138, der mich seit Québec City begleitet, führt zwar von hier noch rund 650km weiter an der Südküste der Provinz Québec entlang, aber dann verliert sich die Straße im Niemandsland... zwei kurze, nicht zusammenhängende Teilstücke des Highways kommen zwar dann noch vor der Grenze zu Labrador, aber Baie-Comeau ist die vorletzte größere Stadt (22.000 Einwohner) vor der Tundra...
Jaaaa... Baie-Comeau... so komisch das jetzt klingt, aber das ist so ein bisschen ein Sehnsuchtsort für mich, und das hängt mit meinem wichtigsten Hobby zusammen, der Fliegerei. In Baie-Comeau befindet sich ein Funkfeuer, über das ein nicht unerheblicher Teil des nordatlantischen Flugverkehrs fliegt. Ich müsste mal zählen, wie oft ich schon selber real oder virtuell hier drüber geflogen bin. Ich denke mal, fast jeder Pilot, der auf der Nordatlantik-Strecke unterwegs ist, kennt den Namen Baie-Comeau, aber ich möchte wetten, dass die wenigsten je den Ort selbst besucht haben. Vor siebzehn Jahren war ich schon mal hier am Flughafen und habe ein paar Bilder gemacht. Das wollte ich natürlich auch heute tun, und selbstverständlich dieses Mal in digital. Leider war heute das Wetter suboptimal... dunkle Wolken und ein paar Regentropfen. Dafür war aber heute, im Gegensatz zu meinem Besuch im Sommer 2000, Verkehr. Ich musste nur ein bisschen warten und dann kam der abendliche Flieger aus Montreal und Mont-Joli, eine sehr schicke DHC-8-100 von Air Canada Express. So bin ich also dieses Jahr hier in Baie-Comeau auch noch zum Spotten gekommen.
Im Moment regnet es hier, wie eingangs erwähnt, mal mehr, mal weniger heftig. Ich hoffe, das hat sich bis morgen gelegt, denn morgen geht's für den Kugelporsche und mich auf's große Schiff.

Inhaltsverzeichnis nächster Tag
 
Inhaltsverzeichnis nächster Tag