29. Juli 2017

Eigentlich wollte ich heute meinen Besuch in Montreal eher langsam angehen lassen, aber am Ende des Tages war es dann doch eine ziemliche Mammut-Veranstaltung. Es war ein Tag voll mit vielen, teilweise verwirrenden und widersprüchlichen Eindrücken... und meine Meinungsbildung war natürlich heute auch durch den Jetlag etwas beeinträchtigt.
Ich habe versucht so lange zu schlafen wie's ging und als es nicht mehr ging, bin ich trotzdem im Bett geblieben und habe ein bisschen relaxt. Um halb zehn bin ich zum Frühstück und um kurz nach zehn war ich hier durch die Tür. Mein B&B liegt erstaunlicherweise ziemlich zentral, so dass ich im ersten Teil des Tages komplett zu Fuß unterwegs war. Während des Frühstücks hab ich ein bisschen im Lonely Planet gestöbert, und dann war mir klar, womit ich in meinen Aufenthalt in Montreal starten würde: mit einer Böötchenstour.
Ich bin also runter zum Hafen spaziert, was von meinem Quartier aus so ungefähr zwanzig Minuten Fußweg sind. Lange warten musste ich am Hafen nicht, denn schon um 11 legte ein für meine Zwecke passendes Tourboot ab. Eine Stunde sind wir auf dem Sankt-Lorenz-Strom auf- und abgeschippert, haben den Hafen, die Jacques-Cartier-Brücke und vor allem die Skyline von Montreal gesehen, womit wir dann auch jetzt schon beim Bild des Tages wären. Die Auswahl ist mir mal wieder nicht leicht gefallen, denn es gab noch viele andere schöne Motive heute im Laufe des Tages. Aber ich denke das Bild passt sehr gut als Auftakt. Links sieht man den Uhrturm, der an der Einfahrt zum Old Port of Montreal steht. Das Gebäude mit der silbernen Kuppel sind die Markthallen des Marché Bonsecours, und zwischen dem Uhrturm und der Kuppel erkennt man die beiden viereckigen Türme der Basilika Notre-Dame. Nach der Böötchenstour bin ich durch die Altstadt von Montreal spaziert, über den Place Jacques Cartier, der das touristische Herz Montreals ist. Ach ja – Jacques Cartier war der erste Europäer, der hier in die Gegend kam, im Jahr 1534. Am Place Jacques Cartier steht auch das Rathaus.
Da es jetzt schon ungefähr halb eins war, bin ich auf der Rue Notre-Dame bei Starbucks eingekehrt und habe mir nen Modekaffee und ein Scone als kleinen Pick-me-up gegönnt. Danach ging's weiter zu Place d'Armes, einem der zentralen Plätze in der Altstadt von Montreal. Hier steht nicht nur der erste Wolkenkratzer Montreals sondern auch die Basilika Notre-Dame. Deren Besuch habe ich mir aber erst mal gespart, denn da war ne ziemliche Schlange vor der Tür. Stattdessen bin ich den vom Lonely Planet vorgeschlagenen Stadtspaziergang durch Old Montreal nachgegangen, was einen guten Einblick in diesen Teil der Stadt gab.
Als ich gegen halb drei wieder vor der Basilika stand, war da zwar noch immer ne Schlange, aber ich habe mich trotzdem angestellt und es ging dann auch gnädigerweise echt flott. Was soll ich sagen? Das neugotische Gebäude mag zwar die größte Kirche Nordamerikas nördlich von Mexiko sein, aber ob sie einem gefällt, das ist Geschmackssache. Mein Fall ist sie nicht. Zu voll gepackt, zu bunt, zu süßlich... also für den amerikanischen Geschmack genau das richtige... *lach...
Von der Basilika bin ich nach Norden weiter spaziert, eigentlich auf der Suche nach der Post. Aber dabei bin ich nach 300m am Kongresszentrum von Montreal auf die Metro-Station „Place d'Armes“ gestoßen. Eigentlich hatte ich schon überlegt gehabt, heute gar nicht U-Bahn zu fahren, nachdem ich ja schon zwei Drittel des Tages zu Fuß unterwegs gewesen bin und sich so deshalb die Anschaffung einer Tages- oder gar einer Drei-Tages-Karte nicht mehr gelohnt hätte. Zu meiner angenehmen Überraschung habe ich aber festgestellt, dass der öffentliche Nahverkehr in Montreal heute und morgen kostenlos ist. Warum? Große Teile der Innenstadt sind dieses Wochenende für den Autoverkehr gesperrt, denn hier sind heute und morgen die beiden letzten Rennen der Formel E-Saison 2016/17. Mir sollte es recht sein und so bin ich U-Bahn gefahren, bis zur Station Mont-Royal, und von dort bin ich, nachdem ich mir noch nen Snack und ne Flasche Wasser gekauft hatte, zu Fuß zum Parc du Mont-Royal auf dem gleichnamigen Hausberg Montreals aufgebrochen. Der Park, der über weite Strecken sehr wild wirkt, wurde von Frederick L. Olmsted, dem gleichen Landschaftsarchitekten, der auch den Central Park in New York geplant hat, entworfen. Der Berg ist 233m hoch (das Ufer des Sankt-Lorenz-Stroms liegt bei 6m über NN), und von dort oben hat man einen fantastischen Blick auf die Stadt und den Fluss.
Was also eigentlich nur ein bisschen Stadterkundung werden sollte, ist am späten Nachmittag dann doch noch in eine richtige Wanderung bis rauf auf den Hausberg ausgeartet. War so nicht geplant, denn den Mont-Royal hatte ich eigentlich erst für übermorgen im Programm. Aber ich denke, dann werde ich einfach nochmal da hoch. Man kann da nämlich auch mit dem Bus hinfahren, wie ich mittlerweile weiß, und da oben ist es einfach schön.
Wieder runter vom Berg bin ich mit der U-Bahn zur Station Place d'Armes gefahren und in Chinatown in einem vom Lonely Planet empfohlenen chinesischen Restaurant essen gewesen. War gut, allerdings hatte mich niemand drauf hingewiesen, dass man Reis oder Nudeln separat bestellen musste. Nachordern war mir dann etwas blöd, und so hatte ich ein „Low Carb“-Dinner... naja, nicht ganz. Das Molson, kanadisches Bier aus der lokalen Brauerei, dem zweiten großen kanadischen Bierhersteller neben Labatt aus Toronto, hat ein bisschen dazwischen gefunkt.
Nach dem Abendessen ging's mit der U-Bahn in Richtung Quartier. Für morgen früh habe ich – trotz des schönen Wetters – ein Kulturprogramm geplant. Es geht ins Musée des Beaux-Arts de Montreal.
Zum Schluss noch mein erster Eindruck von Montreal: wie schon erwähnt ist die Stadt verwirrend und voller Widersprüche. Alt und neu liegen nah bei einander. Als ich heute morgen gegen 10 durch's Zentrum spaziert bin, war es gradezu gespenstisch leer, während die gleichen Straßenzüge heute abend rappelvoll mit Menschen waren. Man sieht ziemlich viele Bettler und Obdachlose. Von einer zur anderen Straße wechseln schlagartig sauber und knüselig. Und viele Gebäude könnten mal ne Renovierung vertragen. Trotzdem wirkt die Stadt nicht heruntergekommen. Es ist spannend, hier in Montreal. Mal kucken, wie sich in den nächsten beiden Tagen mein Urteil schärft.

Inhaltsverzeichnis nächster Tag
 
Inhaltsverzeichnis nächster Tag